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Die Straße
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Themen: krankheit veränderung Kategorie: Literatur/Texte/Lyrik
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Autor: | ![]() |
Veröffentlicht: | Dezember 2011 |
Art des Textes: | Kurzgeschichte |
Thema: | Kurzgeschichte |
Lizenz: | ![]() |
Textauszug aus diesem Dokument
Als sie in diese Straße einbog, flammten Bilder in ihrem Kopf auf. Eigentlich waren es keine richtigen Bilder, denn sie konnte sie nicht erkennen, es waren mehr Lichter, Flammen, Blitze, die hinter ihren Augen zuckten. Heute war es besonders schlimm, so schlimm, dass sie sich gegen eine Hauswand lehnen musste und beide Hände gegen die Stirn drückte. Gekrümmt stand sie da und versuchte, sich gegen die Blitze zu wehren. Sie presste die Fäuste noch fester gegen die Schläfen. Dann war es vorbei. Die roten Flammen verebbten, es blieb ein rötlich schimmernder Fleck vor ihrem inneren Auge, der kleiner und kleiner wurde und erlosch. Sie blickte sich um. Ein paar Leute gingen an ihr vorbei, eine alte Frau schüttelte den Kopf, ihre junge Begleiterin sagte so laut, dass sie es hören musste: Eine Schande ist das, am hellerlichten Tag besoffen. Schämen soll die sich. Neugierige Blicke streiften sie, Ablehnung in den Augen, fast schon Verachtung. Ihre Handtasche war auf den Boden gefallen und aufgesprungen. Mühsam kniete sie nieder und schob die paar Kleinigkeiten in die Tasche zurück. Sie klopfte ihren Mantel ab und setzte ihren Weg fort, unsicher, zögernd, ihre Beine zitterten leicht. Was ist nur los mit mir, das ist jetzt das dritte Mal, schon wieder in dieser Straße. Ich muss zum Arzt, vielleicht ist doch was mit meinem Gehirn. Aber schon während sie mit sich sprach, wusste sie, dass die Untersuchung auf dem Schirm wieder keinen Befund ergeben würde. Seit drei Wochen war sie hier nicht mehr lang gegangen und in dieser Zeit hatten keine Bilder sie überfallen, von ihren massiven Stimmungsschwankungen einmal abgesehen war alles in Ordnung gewesen, auch keine unerklärlichen Kopfschmerzen nichts. Diese Attacke war stärker gewesen 2
Als beim letzten Mal und viel stärker als das Mal zuvor. Kein Zweifel, das war ein richtiger Angriff gewesen. Von wem? Weshalb? Nur zögerlich beruhigte sie sich wieder. Ich darf hier auf keinen Fall mehr lang gehen, redete sie sich ein, wohl wissend, dass diese Reaktion naiv und kindlich war, es würde nichts ändern. Etwas war in Bewegung geraten und drängte an die Oberfläche. Die furchteinflößende Tatsache, dass sie genau fühlte, dass ihre Versuche, sich zu beruhigen, nutzlos waren, versetzte sie in ihrem Herzen in tiefste Panik. Morgen gehe ich noch einmal zum Arzt, beruhigte sie sich weiter und atmete tief durch. Doch ihre Gedanken schwirrten umher und sie fühlte immer noch einen schnürenden Ring um den Hals. Ihre gute Laune war verschwunden, dunkle Wolken umflogen sie, obwohl die Sonne strahlend schön vom Himmel schien und alles in gleißende, fast farblose Farben tauchte. Lachen und Kindergeschrei drangen an ihre Ohren, die Autohupen schienen ihr überlaut, alle Geräusche wirkten schrill und unwirklich. Ich muss mich einen Augenblick hinsetzen, da um die Ecke ist doch die Bäckerei Schilling, da kann ich wieder zu Verstand kommen. Sie zuckte zusammen. Das war es. Sie war dabei, ihren Verstand zu verlieren. Ruhelos beschleunigte sie ihre Schritte, nur fort hier aus dieser Straße. Eine Tasse Kaffee, bitte, sagte sie und ließ sich an einem kleinen Tischchen am Fenster nieder. Sie war der einzige Gast, ganz still war es hier, die Welt war einfach draußen geblieben. Ihr Kaffee, bitte, sagte der Kellner, während er sie unverhohlen betrachtete. Seine Gedanken konnte sie lesen. Er überlegte, ob es der Mühe wert wäre, sie anzusprechen, dachte sie und wandte sich ab. Bloß nicht ansprechen lassen, das hieße reden, reden, reden. Und sie 3
Wollte jetzt nicht reden. Sie wollte nur nach innen lauschen und sich vorsichtig mit dem Unbekannten in sich auseinandersetzen. Ganz ruhig, ganz tief atmen. Nicht zittern, nur ruhig atmen. Selbsthypnose. Ich kann jetzt nicht mehr einkaufen, dachte sie wenn ich hier fertig bin, lass ich mir ein Taxi rufen und fahre heim. Martina muss ich irgendwas erzählen, sie wird das schon verstehen. Sie packte ihr Handy aus und wählte die Nummer ihrer Freundin. Hallo, Martina ich bin es, Gundula. Du, ich muss zu meiner Mutter, die hat eben angerufen und gesagt, sie hätte ihre Schwäche. Ich würde ganz gern hinfahren. Ist das okay für Dich? Ja gut, wir können uns doch übermorgen treffen. Danke Dir, wir telefonieren nochmal. Tschüs Martina war nicht misstrauisch geworden.Als sie auf die Straße trat, wartete dort schon ihr Taxi. Sie lehnte sich ins Polster zurück. Im Rückspiegel begegnete sie den Augen des Taxifahrers, sein freundlicher Blick beruhigte sie: Ist Ihnen nicht wohl? fragte er teilnahmsvoll. Es geht schon wieder. antwortete sie mühsam und fragte sich, wo sie die Kraft hernehmen sollte, den Flammen und Blitzen noch einmal zu begegnen.Augenblicklich waren sie zwar nur noch Erinnerung, aber wenn sie wieder kommen, an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Tiefe Angst erfüllte sie und sie spürte den 4
Feinen Schweißfilm auf ihrem Gesicht, kalter Schweiß. Ihr Herz schlug hektisch und flach. Ich muss etwas...
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Als beim letzten Mal und viel stärker als das Mal zuvor. Kein Zweifel, das war ein richtiger Angriff gewesen. Von wem? Weshalb? Nur zögerlich beruhigte sie sich wieder. Ich darf hier auf keinen Fall mehr lang gehen, redete sie sich ein, wohl wissend, dass diese Reaktion naiv und kindlich war, es würde nichts ändern. Etwas war in Bewegung geraten und drängte an die Oberfläche. Die furchteinflößende Tatsache, dass sie genau fühlte, dass ihre Versuche, sich zu beruhigen, nutzlos waren, versetzte sie in ihrem Herzen in tiefste Panik. Morgen gehe ich noch einmal zum Arzt, beruhigte sie sich weiter und atmete tief durch. Doch ihre Gedanken schwirrten umher und sie fühlte immer noch einen schnürenden Ring um den Hals. Ihre gute Laune war verschwunden, dunkle Wolken umflogen sie, obwohl die Sonne strahlend schön vom Himmel schien und alles in gleißende, fast farblose Farben tauchte. Lachen und Kindergeschrei drangen an ihre Ohren, die Autohupen schienen ihr überlaut, alle Geräusche wirkten schrill und unwirklich. Ich muss mich einen Augenblick hinsetzen, da um die Ecke ist doch die Bäckerei Schilling, da kann ich wieder zu Verstand kommen. Sie zuckte zusammen. Das war es. Sie war dabei, ihren Verstand zu verlieren. Ruhelos beschleunigte sie ihre Schritte, nur fort hier aus dieser Straße. Eine Tasse Kaffee, bitte, sagte sie und ließ sich an einem kleinen Tischchen am Fenster nieder. Sie war der einzige Gast, ganz still war es hier, die Welt war einfach draußen geblieben. Ihr Kaffee, bitte, sagte der Kellner, während er sie unverhohlen betrachtete. Seine Gedanken konnte sie lesen. Er überlegte, ob es der Mühe wert wäre, sie anzusprechen, dachte sie und wandte sich ab. Bloß nicht ansprechen lassen, das hieße reden, reden, reden. Und sie 3
Wollte jetzt nicht reden. Sie wollte nur nach innen lauschen und sich vorsichtig mit dem Unbekannten in sich auseinandersetzen. Ganz ruhig, ganz tief atmen. Nicht zittern, nur ruhig atmen. Selbsthypnose. Ich kann jetzt nicht mehr einkaufen, dachte sie wenn ich hier fertig bin, lass ich mir ein Taxi rufen und fahre heim. Martina muss ich irgendwas erzählen, sie wird das schon verstehen. Sie packte ihr Handy aus und wählte die Nummer ihrer Freundin. Hallo, Martina ich bin es, Gundula. Du, ich muss zu meiner Mutter, die hat eben angerufen und gesagt, sie hätte ihre Schwäche. Ich würde ganz gern hinfahren. Ist das okay für Dich? Ja gut, wir können uns doch übermorgen treffen. Danke Dir, wir telefonieren nochmal. Tschüs Martina war nicht misstrauisch geworden.Als sie auf die Straße trat, wartete dort schon ihr Taxi. Sie lehnte sich ins Polster zurück. Im Rückspiegel begegnete sie den Augen des Taxifahrers, sein freundlicher Blick beruhigte sie: Ist Ihnen nicht wohl? fragte er teilnahmsvoll. Es geht schon wieder. antwortete sie mühsam und fragte sich, wo sie die Kraft hernehmen sollte, den Flammen und Blitzen noch einmal zu begegnen.Augenblicklich waren sie zwar nur noch Erinnerung, aber wenn sie wieder kommen, an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Tiefe Angst erfüllte sie und sie spürte den 4
Feinen Schweißfilm auf ihrem Gesicht, kalter Schweiß. Ihr Herz schlug hektisch und flach. Ich muss etwas...
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