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Du bist schuld

Word Dokument, ca. 535 Wörter

Kategorie: Studien

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Veröffentlicht:März 2011
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    Textauszug aus diesem Dokument

    „Du bist schuld“

    Sobald ein Mensch eine Handlung unternommen hat, die entweder gefühlt oder rechtlich nicht den geltenden Gesetzen entspricht, wird sofort danach gefragt, wer daran Schuld ist. Je größer die Bevölkerungskreise sich davon betroffen fühlen, desto emotionaler wird die aufkommende Diskussion geführt. Da spielt es oftmals überhaupt keine Rolle, ob tatsächlich schon Fakten bekannt sind, die die Schuld des Betroffenen bestätigen, es findet einfach eine (Vor)verurteilung statt.

    Es gibt aber die „Unschuldsvermutung“. Seine universellste Anerkennung findet der Grundsatz in Art. 11 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948: „Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“ Die Rechtslage ist somit klar, aber nicht die „gefühlte Schuld.“

    Je prominenter ein Beschuldigter ist, je öffentlichkeitswirksamer eine darüber zu führende Debatte erscheint, je schneller wird eine ganze Nation die komplette Gewaltenteilung: die Legislative (gesetzgebende Gewalt), Exekutive (ausführende Gewalt) und Judikative (rechtssprechende Gewalt). Sich eine Meinung bilden über das „Verhalten“ eines Beschuldigten ist legitim, eine Verurteilung vor der Rechtsprechung aber nicht.

    Nur in der Familie, im Bekannten- und Freundeskreis, auf der Arbeit und in der Freizeit gibt es keine offiziellen Verfahren, dort wird häufig binnen Sekunden jede Art von geltender Regel einfach außer Kraft gesetzt. Das beginnt bereits bei ganz banalen Missgeschicken, die höchst ungerne als eigenes Unvermögen erklärt werden. Fast schon reflexartig fällt der Satz „du bist schuld“, als ob mit der einfachen Weitergabe die Situation damit zu retten ist. In Beziehungsauseinandersetzungen hält sich nach wie vor unter den Top-Ten die Aussage, „das ist deine Schuld“, damit glaubt der Aussagende seine Verantwortung schnell los zu sein. Umgekehrt geht es allerdings auch mit der Opfer-Rolle, wenn häufig von einem Menschen gesagt wird, „das ist meine Schuld“, völlig unabhängig davon, ob dies stimmen könnte oder nicht.

    Dies alles wird meistens unbewusst durchgeführt, einfach „aus dem Bauch heraus“, wie es verniedlichend beschrieben wird. Die Auswirkungen auf die eigene Innenwelt sowie auf die Beziehungen zu anderen Menschen werden völlig unterschätzt, weil sie schnell zu Glaubenssätzen und Programmierungen führen können, die fortan das eigene Leben bestimmen. Es ist in solchen Fällen einfach ratsamer, erst einmal den Kopf einzuschalten, bevor eine (Vor)verurteilung stattfindet.

    Roland Börck


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