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Elisabeth Schwarzhaupt als Bundesgesundheitsministerin (1961-1966)
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Themen: emanzipation gesundheitspolitik umwelt Kategorie: Thesis/Diplomarbeiten
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Autor: | ![]() |
Veröffentlicht: | Juni 2003 |
Universität: | Justus-Liebig-Universität Gießen |
Note: | 1 |
Thema: | Geschichte |
Lizenz: | ![]() |
Textauszug aus diesem Dokument
Die weiblichen Abgeordneten der CDU/CSU sind übereinstimmend der Überzeugung, dass dem vierten Kabinett Adenauer eine Frau in einem Ministeramt angehören muß. Sie erwarten, dass der Kanzler seine den deutschen Wählerinnen gegebene entsprechende Zusage einhalten wird. In wiederholten Besprechungen haben die Frauen der CDU/CSU die Bundestagsabgeordnete Frau Dr. jur. Elisabeth Schwarzhaupt für ein Ministeramt vorgeschlagen. Bonn, 10. November, 16.00 Uhr1 it einer kurzen und ultimativen Presseerklärung vier Tage vor der Vereidi gung des vierten Kabinetts Adenauer wagt eine Gruppe weiblicher Bundes tagsabgeordneter den Machtkampf mit dem Kanzler: Der Regierung der Bundesrepublik Deutschland soll ab dem 14. November 1961 erstmals eine Frau angehö ren ganz so, wie es Adenauer vor der Bundestagswahl versprochen habe. Die Frankfur ter Juristin Elisabeth Schwarzhaupt, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion, soll das erste weibliche Kabinettsmitglied der Bundesrepublik wer den. Welches Ministerium sie übernehmen soll, wäre ganz egal notfalls müsse der Kanzler eben ein neues schaffen. Versorgt mit belegten Brötchen, harrten Aenne Brauk siepe, Helene Weber und Margot Kalinke vor des Kanzlers Arbeitszimmer aus, um ihre jahrelange Forderung endgültig durchzusetzen. Und tatsächlich: Am frühen Abend gab Adenauer dem weiblichen Druck nach und Elisabeth Schwarzhaupt war erste Gesund heitsministerin der Bundesrepublik.2
1 Manuskript der Erklärung der weiblichen Abgeordneten der CDU/CSUBundestagsfraktion vom 10.11.1961, Archiv für ChristlichDemokratische Politik, St. Augustin ACDP, Signatur 01048002/3. 2 Das ungewöhnliche sitin der Unionsfrauen wird ausführlich in Kap. 3.1 dargestellt. Vgl. Hanna Renate Laurien, Elisabeth Schwarzhaupt 19011986, in: Hans Sarkowicz hg., Sie prägten Deutsch land. Eine Geschichte der Bundesrepublik in politischen Portraits, München 1999, S. 6983, die auf S. 60 den Begriff verwendet. Vgl. ausführlich auch Heike Drummer und Jutta Zwilling, Elisabeth Schwarz haupt. Eine Biografie, in: Die Hessische Landesregierung hg.: Elisabeth Schwarzhaupt 19011986. Portrait einer streitbaren Politikerin und Christin, Freiburg im Breisgau 2001, S. 14136, S. 91f. M
Einleitung 6 Diese Anekdote ist bei Frauenverbänden weithin bekannt, zeigt sie doch auf charman te Art und Weise, wie mit ein wenig weiblichem Druck selbst ein so unnachgiebiger Machtpolitiker wie Konrad Adenauer weichgeklopft werden konnte. Ein Happening im Vorraum des Kanzlerzimmers, Schnittchen und Witzchen3 und plötzlich hat die Bundesrepublik eine Frau als Ministerin. Eine naiv anmutende Betrachtungsweise, und doch die vorherrschende in der so überschaubaren SchwarzhauptHistoriografie. 1.1 Problem und Ausgangslage Wenn die interessierte Öffentlichkeit bislang etwas von der ersten Ministerin der Bundesrepublik wusste, dann war es ebenfalls diese Anekdote. Von ihrer Politik, von ihren gesundheitspolitischen Konzepten ist weitaus weniger bekannt. Eine Darstellung über ihre Ministerzeit sucht man vergeblich. Selbst die wenigen Biografien, die es über diese Karrierefrau des 20. Jahrhunderts gibt, sparen die fünf Jahre als Mitglied am Kabinettstisch Adenauers und Erhards weitgehend aus. Warum ist das so? Und: Was war Elisabeth Schwarzhaupt für eine Frau? Welche Schwerpunkte setzte ihre Politik? Und: Warum ist sie gerade heute so gut wie vergessen, wo sie doch so grundlegende Entschei dungen hin zu einer nachhaltigen, umweltbewussten und verbraucherorientierten Politik traf? Fragen, die zeigen, wie schwierig sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der ersten Ministerin der Bundesrepublik gestaltet: lückenhaft und dünn die Literatur lage, die Archivregale stattdessen überbordend das junge Ministerium hat bis zu seiner Umorganisation innerhalb der sozialliberalen Koalition über 170 Regalmeter Akten hin terlassen.4 Eine Monografie, die diese Akten verarbeitet hätte, gibt es aber noch nicht. Undurchsichtig auch die zeitgenössischen Einschätzungen der Ministerin und ihrer Politik: Ihrer eigenen Partei erschien sie zu liberal, der SPD hingegen zu klerikal zu sein, die FDP lag mit ihr personalpolitisch und inhaltlich über Kreuz, was auch Adenauer er zürnte; sie nervte die Bundestagsverwaltung, weil sie in ihrem Ministerausweis die männlichen Artikel in dem Satz Der Inhaber ist der Minister für5 mit schwarzer Tinte einfach durchstrich, der Spiegel spöttelte über sie, wo er nur konnte6, hielt in den weni gen Artikeln sie und ihr Ministerium für schlicht überflüssig und die beiden Bundes kanzler Erhard und Kiesinger nutzten ihr vermeintlich unbedeutendes und kompetenz armes AlibiMinisterium als beinahe natürliche Verhandlungsmasse bei Koalitions gesprächen.
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1 Manuskript der Erklärung der weiblichen Abgeordneten der CDU/CSUBundestagsfraktion vom 10.11.1961, Archiv für ChristlichDemokratische Politik, St. Augustin ACDP, Signatur 01048002/3. 2 Das ungewöhnliche sitin der Unionsfrauen wird ausführlich in Kap. 3.1 dargestellt. Vgl. Hanna Renate Laurien, Elisabeth Schwarzhaupt 19011986, in: Hans Sarkowicz hg., Sie prägten Deutsch land. Eine Geschichte der Bundesrepublik in politischen Portraits, München 1999, S. 6983, die auf S. 60 den Begriff verwendet. Vgl. ausführlich auch Heike Drummer und Jutta Zwilling, Elisabeth Schwarz haupt. Eine Biografie, in: Die Hessische Landesregierung hg.: Elisabeth Schwarzhaupt 19011986. Portrait einer streitbaren Politikerin und Christin, Freiburg im Breisgau 2001, S. 14136, S. 91f. M
Einleitung 6 Diese Anekdote ist bei Frauenverbänden weithin bekannt, zeigt sie doch auf charman te Art und Weise, wie mit ein wenig weiblichem Druck selbst ein so unnachgiebiger Machtpolitiker wie Konrad Adenauer weichgeklopft werden konnte. Ein Happening im Vorraum des Kanzlerzimmers, Schnittchen und Witzchen3 und plötzlich hat die Bundesrepublik eine Frau als Ministerin. Eine naiv anmutende Betrachtungsweise, und doch die vorherrschende in der so überschaubaren SchwarzhauptHistoriografie. 1.1 Problem und Ausgangslage Wenn die interessierte Öffentlichkeit bislang etwas von der ersten Ministerin der Bundesrepublik wusste, dann war es ebenfalls diese Anekdote. Von ihrer Politik, von ihren gesundheitspolitischen Konzepten ist weitaus weniger bekannt. Eine Darstellung über ihre Ministerzeit sucht man vergeblich. Selbst die wenigen Biografien, die es über diese Karrierefrau des 20. Jahrhunderts gibt, sparen die fünf Jahre als Mitglied am Kabinettstisch Adenauers und Erhards weitgehend aus. Warum ist das so? Und: Was war Elisabeth Schwarzhaupt für eine Frau? Welche Schwerpunkte setzte ihre Politik? Und: Warum ist sie gerade heute so gut wie vergessen, wo sie doch so grundlegende Entschei dungen hin zu einer nachhaltigen, umweltbewussten und verbraucherorientierten Politik traf? Fragen, die zeigen, wie schwierig sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der ersten Ministerin der Bundesrepublik gestaltet: lückenhaft und dünn die Literatur lage, die Archivregale stattdessen überbordend das junge Ministerium hat bis zu seiner Umorganisation innerhalb der sozialliberalen Koalition über 170 Regalmeter Akten hin terlassen.4 Eine Monografie, die diese Akten verarbeitet hätte, gibt es aber noch nicht. Undurchsichtig auch die zeitgenössischen Einschätzungen der Ministerin und ihrer Politik: Ihrer eigenen Partei erschien sie zu liberal, der SPD hingegen zu klerikal zu sein, die FDP lag mit ihr personalpolitisch und inhaltlich über Kreuz, was auch Adenauer er zürnte; sie nervte die Bundestagsverwaltung, weil sie in ihrem Ministerausweis die männlichen Artikel in dem Satz Der Inhaber ist der Minister für5 mit schwarzer Tinte einfach durchstrich, der Spiegel spöttelte über sie, wo er nur konnte6, hielt in den weni gen Artikeln sie und ihr Ministerium für schlicht überflüssig und die beiden Bundes kanzler Erhard und Kiesinger nutzten ihr vermeintlich unbedeutendes und kompetenz armes AlibiMinisterium als beinahe natürliche Verhandlungsmasse bei Koalitions gesprächen.
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