Privatisierung öffentlicher Güter

Die Bedeutung der öffentlichen Güter hat spätestens seit den 70er Jahren eine Wendung erfahren, als mit dem Neoliberalismus das Streben nach Gewinn die politische Diskussion zu beherrschen begann. Es wurde nach einer Möglichkeit gesucht, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass ein Interessensausgleich zwischen Allgemeinwohl und Renditeinteressen von Unternehmen herbeigeführt werden könnte. Damit begann ein rigoroser Privatisierungsdruck auf öffentliche Güter und Dienstleistungen. Die Auswirkungen der Privatisierung öffentlicher Güter auf die Lebensbedingungen der davon betroffenen Menschen und das Verständnis dafür, dass viele Güter der Privatwirtschaft überhaupt nur produziert, verkauft und/oder genutzt werden können, solange die Allgemeinheit die entsprechende Infrastruktur garantiert, schie nen zweitrangig. Dieser Bildungsbaustein geht nun den Fragen nach, was sind öffentliche Güter und Dienstlei stungen, was bedeutet Privatisierung und was sind die Folgen daraus für unsere Gesellschaft? Nach einem allgemeinen Teil, der in das Thema öffentliche Güter einführt, wurden exempla risch die Beispiele Trinkwasser in Deutschland, Privatisierung der Energieversorgung und Priva tisierung der Eisenbahn herangezogen, um auf der Ebene konkreter Beispiele die Bedeutung des Themas für die SchülerInnen erfahrbar zu machen. Das vorliegende Material soll die methodischen Kompetenzen der SchülerInnen bei der Erstel lung und Interpretation von Statistiken und der Recherche und Bewertung von Fakten stärken. Sie sollen lernen, Argumentationsstrategien zu erfassen und zu bewerten und sich in mehre ren Arten der Präsentation von Standpunkten und Ergebnissen üben. Fachlich erlangen die SchülerInnen Kenntnisse des Funktionierens unserer Gesellschaft und Wissen über die Bedeu tung der Allgemeinheit und die Auswirkungen der Privatisierung. Geeignet ist der Baustein in großen Bereichen für den Unterricht ab der 10. Klasse. Wir waren bemüht, die SchülerInnen über die unterschiedlichen Positionen zu informieren und über die Bearbeitung der verschiedenen Standpunkte dieser konfliktbehafteten Thematik selbständig zu einem Ergebnis kommen zu lassen. Luise Kummer Bildungsbaustein 11 PRIVATISIERUNG ÖFFENTLICHER GÜTER Mehr Informationen unter: www.attac.de 4
Teil 1: Privatisierung öffentlicher Güter Aufbau Struktur Im ersten Teil wird die Privatisierung allgemein behandelt: Dabei werden die öffentlichen Güter näher definiert, Gründe der Privatisierung angesprochen sowie Argumente von Befür wortern und Kritikern einer Privatisierung dargestellt. Im zweiten Teil werden die Wasserversorgung in Deutschland sowie gewisse Privatisierungsbe strebungen angesprochen. Zum Schluss soll beispielhaft die Teilprivatisierung der Berliner Wasserwerke thematisiert werden. 1. Die Privatisierung Allgemeiner Teil 1.1 Öffentliche Güter1 In Deutschland wurden in den letzten Jahrzehnten wichtige Güter und Dienstleistungen, die für das Funktionieren der Gesellschaft von großer Bedeutung sind, von staatlichen Einrichtun gen Bund, Land oder Gemeinde / Kommune erbracht. Im Gegensatz zur Herstellung von Gütern mit Gewinnerzielungsabsicht privaten Gütern spricht man hier von öffentlichen Gütern. Zu den öffentlichen Gütern werden bzw. wurden folgende Bereiche gezählt: Versorgungsnetze Energie, Verkehr, Telekommunikation Gesundheits und Pflegedienstleistungen Bildungs und Schulbereich Müllentsorgung und Abfallbeseitigung Wasser und Abwasser. Die Bereitstellung öffentlicher Güter durch staatliche Einrichtungen ist Teil der Daseinsvorsor ge2 des Staates. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, bezeichnet die Daseinsvorsorge als Verantwortung der Kommunen dafür, dass ihren Bürgerin nen und Bürgern und den Unternehmen vor Ort bestimmte Leistungen, im Wesentlichen Infra strukturleistungen, angeboten werden und dies in hoher Qualität, flächendeckend, also mit Zugangsmöglichkeiten für alle, und zu erschwinglichen Preisen. Die Zeit vom 22.06.06. Mit dem Vormarsch des Neoliberalismus vgl. hierzu den BildungsBaustein 2 vollzog sich die Marktöffnung der öffentlichen Güter und Dienstleistungen: Vormals staatliche Einrichtungen wurden und werden privatisiert. In dem so genannten goldenen Zeitalter des Kapitalismus, also dem Nach kriegszeitraum bis in die 1970er Jahre, wurde die Bereitstellung dieser öffentlichen Güter und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse über wiegend von Unternehmen und Institutionen betrieben, die entweder im öffentlichen Eigentum oder unter strikter öffentlicher Kontrolle standen. Was in Deutschland als Daseinsvorsorge umschrieben wird, galt in ande ren kapitalistischen Hauptländern bislang als geschützter Bereich jenseits der Markt und Kapitallogik.
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