(...)
Veronika reichte ihm ein Glas Punsch, und indem er es faßte, berührte
er leise ihre Hand. - "Serpentina! Veronika!" seufzte er in sich hinein.
Er versank in tiefe Träume, aber der Registrator Heerbrand rief ganz laut:
"Ein wunderlicher alter Mann, bleibt er doch, der Archivarius Lindhorst.
- Nun, er soll leben! Stoßen Sie an, Herr Anselmus!" - Da fuhr der
Student Anselmus aus seinen Träumen und sagte, indem er mit dem Registrator
Heerbrand anstieß: "Das kommt daher, verehrungswürdiger Herr
Registrator, weil der Herr Archivarius Lindhorst eigentlich ein Salamander ist,
der den Garten des Geisterfürsten Phosphorus im Zorn verwüstete, weil
ihm die grüne Schlange davongeflogen." "Wie - was?" fragte
der Konrektor Paulmann. "Ja", fuhr der Student Anselmus fort, "deshalb
muß er nun königlicher Archivarius sein und hier in Dresden mit seinen
drei Töchtern wirtschaften, die aber weiter nichts sind als kleine goldgrüne
Schlänglein,
die sich in Holunderbüschen sonnen, verführerisch singen und die jungen
Leute verlocken wie die Sirenen."
- "Herr Anselmus - Herr Anselmus", rief der Konrektor Paulmann, "rappelt
es Ihnen im Kopfe? - was um des Himmels willen schwatzen Sie für ungewaschenes
Zeug?" "Er hat recht", fiel der Registrator
Heerbrand ein, "der Kerl, der Archivarius, ist ein verfluchter Salamander,
der mit den Fingern feurige Schnippchen schlägt, die einem Löcher
in den Überrock brennen wie glühender Schwamm.- Ja, ja, du hast recht,
Brüderchen Anselmus, und wer es nicht glaubt, ist mein Feind!" Und
damit schlug der Registrator Heerbrand mit der Faust auf den Tisch, daß
die Gläser klirrten. "Registrator! - sind Sie rasend?" schrie
der erboste Konrektor. - "Herr Studiosus - Herr Studiosus, was richten
Sie denn nun wieder an?" - "Ach!" sagte der Student, "Sie
sind auch weiter nichts als ein Vogel - ein Schuhu,
der die Toupets frisiert, Herr Konrektor!" "Was? - ich ein Vogel -
ein Schuhu - ein Friseur?" - schrie der Konrektor voller Zorn - "Herr,
Sie sind toll - toll!" - "Aber die Alte kommt ihm über den Hals",
rief der Registrator Heerbrand. "Ja, die Alte ist mächtig", fiel
der Student Anselmus ein, "uneracht sie nur von niederer Herkunft, denn
ihr Papa ist nichts als ein lumpichter Flederwisch und ihre Mamma eine schnöde
Runkelrübe, aber ihre meiste Kraft verdankt sie allerlei feindlichen Kreaturen,
giftigen Kanaillen, von denen sie umgeben." - "Das ist eine abscheuliche
Verleumdung"; rief Veronika mit zornglühenden Augen, "die alte
Liese ist eine weise Frau, und der schwarze Kater keine feindliche Kreatur,
sondern ein gebildeter junger Mann von feinen Sitten und ihr Cousin germain."
- "Kann der Salamander fressen, ohne sich den Bart zu versengen und elendiglich
daraufzugehen?" sagte der Registrator Heerbrand. "Nein, nein!"
schrie der Student Anselmus, "nun und nimmermehr wird er das können;
und die grüne Schlange liebt mich, denn ich
bin ein kindliches Gemüt und habe Serpentinas Augen geschaut." - "Die
wird der Kater auskratzen", rief Veronika. "Salamander - Salamander
bezwingt sie alle - alle", brüllte der Konrektor Paulmann in höchster
Wut -; "aber bin ich in
einem Tollhause? bin ich selbst toll? - was schwatze ich denn für
wahnwitziges Zeug? - ja ich bin auch toll - auch toll!" - Damit sprang
der Konrektor Paulmann auf, riß sich die Perücke vom Kopfe und schleuderte
sie gegen die Stubendecke, daß die gequetschten Locken ächzten und
im gänzlichen Verderben aufgelöst den Puder weit umherstäubten.
Da ergriffen der Student Anselmus und der Registrator Heerbrand die Punschterrine,
die Gläser, und warfen sie jubelnd und jauchzend an die Stubendecke, daß
die Scherben klirrend und klingend umhersprangen. "Vivat Salamander - pereat
- pereat die Alte - zerbrecht den Metallspiegel, hackt dem Kater die Augen aus!
- Vöglein - Vöglein aus den Lüften - Eheu - Eheu -Evoe - Salamander!"
- So schrien und brüllten die drei wie Besessene durcheinander.
(.....)
(aus dem goldenen Topf von E.T.A. Hoffmann)