(...)
Dann setzten
wir uns zu einem einfachen, aber fröhlichen Mahl, dem eine wackere Zecherei
folgte. Muzius hatte trefflichen Katzenpunsch bereitet. - Sollte ein
lüsterner Katerjüngling nach dem Rezept dieses köstlichen
Getränks Begierde tragen, so kann ich leider darüber keine genügende
Auskunft geben. So viel ist gewiß, daß die hohe Annehmlichkeit des
Geschmacks sowie die siegende
Kraft vorzüglich durch eine derbe Zutat Heringlake hervorgebracht
wird.
Mit einer Stimme, die weit über viele Dächer hinwegdonnerte, intonierte
nun der Senior Puff das schöne Lied: Gaudeamus igitur! - Mit Wonne fühlte
ich mich im Innern und Äußern ganz trefflicher Juvenis und mochte
gar nicht an den tumulus denken, den ein düstres Verhängnis unserm
Geschlecht selten in der stillen, friedlichen Erde gönnt. Es wurden noch
verschiedene schöne Lieder gesungen, wie zum Beispiel "Laßt
die Politiker
nur sprechen" und so weiter, bis der Senior Puff mit gewichtiger Pfote
auf den Tisch schlug und verkündete, daß nun das wahre echte Weihelied,
nämlich das "Ecce quam bonum" gesungen werden müsse, und
intonierte sofort den Chor:: Ecce und so weiter.
Noch nie hatte ich dieses Lied gehört, dessen Komposition ebenso tief gedacht,
so harmonisch und melodisch richtig, als wunderbar und geheimnisvoll zu nennen.
Der Meister ist, soviel ich weiß, nicht bekannt geworden, doch schreiben
viele dieses Lied dem großen Händel zu, andere dagegen behaupten,
daß es lange, lange vor Händels Zeit schon existiert habe, da nach
der Chronik von Wittenberg
es schon gesungen worden, als Prinz
Hamlet noch Fuchs gewesen. Doch gleichviel, wer es gemacht hat, das
Werk ist groß und unsterblich und vorzüglich zu bewundern, wie die
in den Chor eingeflochtenen Soli den Sängern freien Spielraum lassen zu
den anmutigsten, unerschöpflichsten Veränderungen. Einige dieser Veränderungen,
die ich in dieser Nacht hörte, habe ich treu im Gedächtnis behalten.
Als
der Chor geendet, fiel ein schwarz und weiß gefleckter Jüngling ein:
Gar
zu spitzig klafft der Spitz,
Gar zu grob der Pudel.
Jenem gönnt den
Steiß zum Sitz,
Dem die Schnauz zum Hudel.
Chor: Ecce quam und so
weiter.
Darauf
ein Grauer:
Höflich zieht die Mütz vom Kopf,
Kommt Philister gangen.
Froh
gebärdet sich der Tropf,
Will vor nichts ihm bangen.
Chor: Ecce quam
und so weiter.
Darauf
ein Gelber:
Schwimmen muß der muntre Fisch,
Vögelein muß
fliegen,
Floß und Federn wachsen frisch
Werd`t sie immer kriegen.
Chor:
Ecce quam und so weiter.
Darauf
ein Weißer:
Miaut und knurrt und knurrt und miaut.
Nur beileib nicht
kratzen.
Seid galant, daß man euch traut,
Schonet eure Tatzen.
Chor:
Ecce quam und so weiter.
Darauf
Freund Muzius:
Denkt Herr Aff`
nach seinem Maß
Alle uns zu messen!
Spitzt das Maul, trägt hoch
die Nas`,
Wird uns doch nicht fressen.
Chor: Ecce quam und so weiter.
Ich saß neben
Muzius, an mir war daher jetzt die Reihe, mit einem Solo einzufallen. Alle Soli,
die bis jetzt vorgetragen, wichen so sehr von den Versen ab, die ich sonst gedichtet,
daß ich in Unruhe und Angst geriet, den Ton, die Haltung des Ganzen zu
verfehlen. Daher kam es, daß ich, als der Chor geendet, noch schwieg.
Schon erhoben einige die Gläser und riefen: "pro poeta", als
ich mich mit aller Gewalt zusammennahm und sofort sang:
(...)
(aus "Lebensansichten des Kater Murr" von E.T.A. Hoffmann)