Punschlied
Im Norden zu singen.
Auf
der Berge freien Höhen,
In der Mittagssonne Schein,
An des warmen Strahles
Kräften
Zeugt Natur den goldnen
Wein.
Und noch
Niemand hat's erkundet,
Wie die große Mutter schafft;
Unergründlich ist
das Wirken,
Unerforschlich ist die Kraft.
Funkelnd wie ein Sohn der Sonne,
Wie des Lichtes Feuerquell,
Springt er
perlend aus der Tonne,
Purpurn und krystallenhell.
Und
erfreuet alle Sinnen,
Und in jede bange Brust
Gießt er ein balsamisch
Hoffen
Und des Lebens neue Lust.
Aber matt auf unsre Zonen
Fällt der Sonne schräges
Licht;
Nur die Blätter kann sie färben,
Aber Früchte reift sie nicht.
Doch der Norden will auch leben,
Und was lebt, will sich erfreun;
Darum
schaffen wir erfindend
Ohne Weinstock uns den Wein.
Bleich nur ist's, was wir bereiten
Auf dem häuslichen Altar;
Was Natur
lebendig bildet,
Glänzend ist's und ewig klar.
Aber
freudig aus der Schale
Schöpfen wir die trübe Fluth;
Auch die Kunst ist
Himmelsgabe,
Borgt sie gleich von ird'scher Gluth.
Ihrem
Wirken freigegeben
Ist der Kräfte großes Reich;
Neues bildend aus dem
Alten,
Stellt sie sich dem Schöpfer gleich.
Selbst das Band der Elemente
Trennt ihr herrschendes Gebot,
Und sie ahmt
mit Herdesflammen
Nach den hohen
Sonnengott.
Fernhin zu den sel'gen Inseln
Richtet sie der Schiffe Lauf,
Und des Südens goldne Früchte
Schüttet sie im Norden auf.
Drum ein Sinnbild und ein Zeichen
Sei uns dieser Feuersaft,
Was der Mensch sich kann erlangen
Mit dem Willen und der Kraft.
(von Friedrich Schiller)