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13. November 2008
Stefan Pannor
für satt.org

Appollo,  Lewis Trondheim: Insel Bourbon 1730

Appollo, Lewis Trondheim:
Insel Bourbon 1730

Von 1690 bis 1730 dauerte das Goldenes Zeitalter der Piraterie. Damals wurde das buntschillernde Bild vom Freibeuter geprägt, wie es heute nicht nur in „Fluch der Karibik“ zu sehen ist. Das hat mit der Wirklichkeit natürlich wenig zu tun. Freibeuter waren reich, mitunter sogar sehr reich, wie auch das umfangreiche Nachwort zu diesem Buch betont. Aber sie waren weit entfernt davon, freiheitsliebende Seefahrer mit dem Hang zu ungewöhnlichen Geldbeschaffungsmaßnahmen zu sein. Piraterie war ein ertragreiches Geschäft, also wurde es gnadenlos betrieben, eng verknüpft mit dem ebenfalls zu jener Zeit blühenden Sklavenhandel. Anders gesagt: Geld wurde akkumuliert, gehandelt und angelegt; so kam der Kapitalismus in die Karibik.

„Insel Bourbon 1730“ ist eine Geschichte über diesen Übergang, in der durch Amnestien aus Piraten Gutsherren wurden, die ihr Geld in Land und Sklaven investierten, um zukünftig ebenso ertragreich, aber weniger gefährlich vom Anbau und Verkauf von Kaffee zu leben. Sinnbild für die alte Zeit ist La Buse, der letzte Pirat, der von seinen ehemaligen Kumpanen befreit werden soll, und für die neue Zeit Robert, ehemaliger Freibeuter und als Farmer inzwischen geachteter Bürger von Bourbon. Dazwischen agieren um ihre Freiheit kämpfenden Sklaven, marodierende Seeleute und auf ihren Erfolg bedachte lokale Politiker.

Zusammengehalten wird dieses aus mehreren Perspektiven erzählte, taudick verknüpfte Garn historisch verbürgter Tatsachen von den von den Erzählern erfundenen Erinnerungen des jungen Naturforschers Raphael, der offiziell auf der Insel Bourbon nach dem Dodo-Vogel sucht, aber mehr und mehr von den damals bereits reich Blüte tragenden Piratenlegenden fasziniert ist.

Trondheim und Appollo schildern diese historische Sollbruchstelle ohne alle romantisierenden Klischees. Ihre Freibeuter huren, ihre Sklavenhalter peitschen und feilschen. Es ist viel Dreck und Unmoral in dieser Geschichte, an deren Ende Raphael weder die Piraten seiner Phantasie noch den Dodo findet. Der ist bereits 50 Jahre vorher auf einer ganz anderen Insel ausgestorben - als eine der ersten vom Menschen ausgerotteten Arten. Was Raphael findet, sind die Vorboten einer neuen Ära und Kaffee, der ihm nicht mehr schmeckt.



Appollo, Lewis Trondheim:
Insel Bourbon 1730

Reprodukt, 288 S.; € 17,00
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