(berlin 040208)
stadt, traurig
die bahnen
wie insekten
in maulwurfsgängen,
take-away-food.
überm platz
kratzen sich die wolken
an den türmen,
copyright by babel.
inmitten das ich
wie durch ein umgekehrtes
fernrohr, im tropfen
die radulen der schnecken.
bemüht um vergrößerung,
straßenzüge aus gefühl,
gaslampenerleuchtet,
blind, maulverworfen.
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web, meister!
hier nennt er mich
meister, wovon noch
zu hören, wortverwandt.
der durst aus den gläsern,
ein wenig ausgesaugt,
gelaugt, angst
vorm lutschen,
die lollis in den mündern
der kinder, kuscheltiere,
das kissen, meister,
sei verwaist.
und siehe, jetzt meines.
wo zu gehen,
fliehen, wohin?
der schmerz als binde?
kaltes kopfsteinpflaster.
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(berlin 040209)
gewissermaßen gedicht
der vers ist
wie ein stimmbandknötchen,
singen bei masturbation,
wie neonreklame
im schlafzimmerfenster,
an und aus,
der rhythmus der tage
ohne ihn, ohne sie,
dich also,
dich, dichter,
ohne gedicht
ist das gedicht dann,
wenn das funkloch
sich selbst ein
gesprächsgrab gräbt.
es gibt so viel mitzuteilen.
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vierhebig
daran hab ich mich schon oft
verhoben, an diesem dauernden
gesellenstück, hut auf,
nicht ab, abgehend nach links.
der iambus, wissen sie,
ist ne ganz schräge nummer,
wie bambus nach sturm
oder andere geknickte.
gefalzte gar, vorgärtig,
gertenschlanke mädchen
wie aus schwanensee,
so verzweifelt.
der schmied, die ramme,
dampfend das rad,
der zahn, kiefer, gewiss
verhoben, zurecht gebogen.
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four to the floor
nummer fünf lebt,
oder so ähnlich
hieß der film,
der streifen den steifen
verzichtern, genossen,
denen also, die genossen
hatten, vergangenheitsform
verzukünftelt.
in der gegenwart, angriff,
pumpen die highheels
vom höschen aufs stöckchen,
also hundert bis tausende.
millionenfach umschlungene,
riemchensandale, solche worte,
schlimmere noch oder
bessere dafür, für rhythmus.
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(berlin 040209/10)
wie ausnahme
das ist ja wie ausnahme,
rauchen, all die dinge,
abendshowwiederholung auf vox
humana, gedackte flöten.
der wechselbalg
bläst wolken himmelwärts,
der beratervertrag der witterung
läuft heute aus.
man kann sich auf nichts
verlassen, also auf alles:
dieser ungemein glückliche
zustand in drehtüren.
langsam weicht der
permanente ausnahmezustand
friedensverhandlungen.
in einem op kommt jemand zur ruhe.
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(berlin 040210)
gleisdreieck
man muss davon ausgehen,
dass der stein denkt.
zwischen den schwellen
der schienen liegen sie zuhauf
und denken, während
züge voller menschen,
denkend, sie befahren,
unerfahrene.
schüchtern bin ich stets
und lüstergeklemmt,
ein provisorium
meine kabel,
die am gleisrand schlafen,
staubige gesellen auf
wanderschaft, ruhig
besonnene, vernünftig.
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blau
du brauchst keine schminke
auf deinen lippen,
ich erröte für sie,
ich brauch dich nur zu sehen:
dein engelsgesicht,
müde zwar, aber doch
die augen edelentsteinert;
mit ihnen siehst du,
wie sie flackern
und dein geflügel
flattert, die schwingen
einer schwalbe ...
und siehe, die macht uns
einen ganzen sommer nach.
blau ist die sehnsucht,
wie blass deine lippen.
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leinwand
der film beginnt,
zuschauer im dunkeln,
lichter regen sich
taktisch
oder auch taktil.
die geschichten der
antastbarkeit
werden täglich neu geschrieben,
auf großer leinwand
oder auch im breitband,
schnellst zugänglich,
benutzbar.
ein laben daran,
schicksal bloß ein scheusal,
grau die feudel,
die die wunden decken.
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auch ein love song
möchte ein liebesgedicht
schreiben, ein akt
der theorie in diesen akten
der praxis.
wo wäre das tu-wort,
wie geeignet der klang
von adjektiven für
was du für mich bist?
unweigerlich werde ich
kitschig, wir sind halt
hollywood, das
volle programm.
ich zappe und zapple,
angele nach worten,
lebendig wie
wir fische im wasser.
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(berlin 040213)
ihr, die ihr
es muss wir heißen,
seit heute
four to the floor,
gebete am abend mit den kindern.
ihr, die ihr auftauchen werdet
aus der flut, das sind
nunmehr wir,
zwei und zweisam.
war es das, was wir
wollten, damals,
als die roten fahnen
wehten an uns?
nunmehr nicht in verharrung.
so plötzlich, innig liebend
bewegt, ergreifen wir
die staffel, furchtsam vorm ziel.
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nächtlicher anruf
erstaunen vor der kraft
der verzweifelten,
dem ernst jetzt
in der stimme.
dem himmel voller geigen
wird ein orchester
beigeschläfert,
pauken, trompeten
und die posaune,
des wächters ruf.
er pocht auf die schrift,
wie ich es immer tat.
ich liege hernach in den kissen,
die noch wund sind von
deinen küssen, den rosenroten,
und sehe unseren altar.
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hinwendung
kreuz telefonieren wir
und quer
in dieser freitagnacht.
wer hat wann was gesagt?
belanglos, denn
wir tun im sprechen,
legen lunten an festungen,
sind niederreißer
und der reisig,
schüchtern, eines besens,
neu kehren wir gut
und kitten die scherben.
in unseren augen
das kaleidoskop
der unmöglichkeiten,
die wir, wir beide, möglich machen.
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blick zur uhr
morgen noch ist alles
gerichtet, ohne stuhl,
ohne anklage,
wir hatten diplomatisch geplant,
wann wir wo sind,
vor allem, wann wo nicht.
im fenster eines chinarestaurants
spricht ein glückskeks.
hieß es nicht klee?
glücksklee des noch nicht
erlebten frühlings,
wir haben erst februar.
unter brücken gehe ich,
deine hand gerade fern,
wie früher verlassen,
sehnend mein blick zur uhr.
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die andere
die andere variante
war tod, der rücken
der pferde, kein
glück der erde,
eher himmelwärts jetzt,
sterne, kant, moral,
diese dinge aus licht,
unanfassbar.
auf dem laken indes
der fleck unserer wollust,
das sprühen der säfte,
melancholie des ankommens.
diese variante,
das große jawort,
dass uns kathedralen hallen.
die andere aber weint.
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(berlin-kiel 040214)
weiter weg
ich mache stilübungen
statt früher
sinkübungen, dass etwa
der weitere weg
auch ein weiter sei,
mache weiter
bei geöffnetem fenster
turnübungen, denn
frische luft ist gesund,
und esse mehr früchte
statt flüchte:
zwei äpfel heute
ohne hyperlink
zum paradies
mit rückfahrkarte
für noch weiteren weg.
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(kiel 040218)
telekinetisches telefon
ich sende nachricht,
unwissend, ob
ankommen
gewährleistet ist.
dass die bewegung
eine wirkung hat
und welche ursache
die kraftwärmekopplung.
zwischen den fugen
des bodenbelags machen sichs
drahtsplitter bequem
und abisoliertes.
strippen ziehe ich
durch mein leben
wie decken ein
in einen bau unter tage.
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schweigsame maschine
dass die tage kommen werden,
wo ich tagelang nichts
von dir höre, starre
auf mein telefon,
die schweigsame maschine,
das doppeldrähtchen, an dem
alles hängt,
ohne doppelten boden.
ohne netz
hänge ich hinterher,
bin abgekoppelt
von verdoppelung in dir.
es klingelt
wie zur pause.
bemantelt gehe ich hinaus,
defekte maschine.
---
logbuch
ehedem die vorstellung,
dass alles aufzuschreiben wäre,
nichts sich entzöge
diesem protokoll,
meinem tagebuch aus versen,
meinem nachtbuch auf
deinen fersen,
den schönen, so sanft
geschwungenen, dieser
kurve aus liebreiz,
dem fältchen hingegeben,
ins buch gefalzt.
dass ich schriebe
auch dieses buch der bücher
noch, das die happyends
reiht, meile um meile.
---
düsterlicht
gehe durch die wohnung,
dies häuschen, das ich
vor viermillionenjahren
dir versprach.
durchs dunkel
mein marsch, taschengelampt,
als wäre ein grubenunglück
zu durchleuchten.
und sehe hinten,
am horizont das licht:
deine augen, blau,
das meer rauscht
und will mich
wie du mich,
wie ich dich
und den ring.
---
lichtmetapher
was ich da tue,
komponiere aus licht,
funzel für arme,
die sich umringen,
ist das gedicht
aus licht,
aus der dunkelheit
dorthin,
wo du scheinst
zu scheinen
und der schein
das sein ist.
nicht mehr, nicht aber
weniger als licht,
das mich bescheint,
selbst wenn du fern scheinst.
---
sich kratzen
meine haut giert nach dir.
das fühlt sich an
als juckreiz auf
spröden lippen.
dass du sie weich
küsstest, erinnertest,
was wir sind, mir,
mir, dem spröden.
mein nagelbett
sieht nach folter aus,
doch es kratzt mich nicht,
splittert nicht blutig.
meine fessel an dich
ist deine fessel,
der blick auf diese haut,
sündig und lieblich.
---
super
zugegeben, heimlich
tanke ich super,
obwohl ich so bleifrei
bin, so kohlenwassergestopft.
meine fettsäuren
sind so ungesättigt,
meine chemie
braucht deine reaktion.
ich bunsenbrenne,
flammfarbe rot
wie einst die fahnen,
jetzt mein bimsstein.
ich habe treibstoff im blut,
benzin gieße ich mir
über mein genital
und brenne, ja, brenne für dich.
---
sex mit dir
danach atme ich auf die biege
an deinem hals, nah am ohr,
wohin ich flüstere,
was ich eben tat.
es ist liebe,
flüstere ich, bin dabei
ein bisschen scheu
vor atemlosigkeit.
vorher atmete ich
dich unten an, dort,
wo deine knospe ist,
das schüttere gewächs.
es ist wie wein ernten,
süße trauben, der herbstblick
sich neigender sonne,
die aus berührung zucker macht.
---
zueignung
was bin ich?
was jetzt?
wo meine zunge,
mein fingerzwirn?
fesselspiele mit dir,
französisch oder griechisch,
das schachspiel,
das die dame oder
den bauern opfert,
sich fragt, welche,
welchen, darin bin ich
der könig.
ich habe meine rüstung
abgelegt, meine lanzen
stehen vor dir,
eine jede liebesgespitzt.
---
hafen, nächtlich
am hafen holte
ich dich ab.
oder du mein schiff
ins trockene,
mein schäfchen,
mein zünglein
spät auf deiner waage,
mein tau auf
deinen poller geworfen,
meinen anker
in deine bucht,
bei dir auf reede.
am hafen bist du
mein mädchen,
bis morgen früh
für eine ewigkeit geküsst.
---
(040219)
zuversicht
was ich dir zusichern kann,
was deinem gesicht
versichern, obwohl es
keine police gibt:
dass ich weiß, wo du bist,
manchmal sogar, was.
dass ich fühle,
wo du bist und wer.
ich schau dich an,
deine augen, diesen see
aus verheißung,
es glänzt darin,
was ich bin,
ein spiegel unserer
schönen spiegelgefechte,
wenn wir liebe machen.
---
die leise melancholie mit mir
ist das alles lebbar,
frage ich in momenten,
wo die prosa in die verse
krängt wie ein leck.
dass das schiff kentern könnte,
erschüttert keinen kapitän,
es sei denn, die ladung
verrutscht im sturm.
oder die rudermaschine
versagt, die sklaven
rudern nicht mehr.
eben das ist meine hoffnung,
dass der hafen leuchttürmt
selbst in seenot,
die rettungsinseln
noch nicht aufgeblasen.
---
das gewisse
gewiss
ist nichts,
es reimt sich
nur fast.
aber im reimen
ergibt sich
zusammenhang
wie aneinander hängen.
dass wir hängen
an diesem galgen,
ist keine strafe,
sondern golgatha
gleichzeitig,
dass wir am selben ort
zur rechten zeit sind,
wenn es drauf ankommt.
---
haben oder sein
wir haben uns
in diesem sein,
kein oder
graut am morgen.
da, wo wir
sex hatten,
die beine
zum gang so weit.
gespreizt sind wir,
was wir verschlossen
nie waren,
ein paar in eröffnung.
wir haben
und wir sind,
was wir aneinander
haben, schon hatten.
---
(040310)
the way you look tonight
wie du ausschaust
heute nacht, das haar
so offen wie die augen
und die lips and hips.
und wie du sängest
heute nacht, aus deinem mund
von hurtigem, das ich
einst flink in dir entfacht.
wie du gehst
heute nacht, mit zigarette
zwischen deinen fingern,
die mich angezündet,
und der rauch
steigt auf, heut nacht
zu künden von der schönen
auf der party heute nacht.
---
jazzcafé (mit was drin)
hier säßen wir
im orange light
und tränken cola
mit was drin
und nichts drunter
hast du, wo ich spiel
auf deinen schwarzen tasten
und weiß bin,
unschuld spiele
wie ein engel
auf dem flügel
dieses songs
im orange light.
das geht aus von dir
wie sonnenuntergang
vor unsrer ersten nacht.
---
(040522)
züchtigung
wenn ich aus gezüchtetem
jene züchtigung erhielte,
die das züchtige
als wort noch wüsste,
wenigstens. oder pflanze,
der man blütenblätter
weniger ansähe
als knospen.
wenn die mädchen
aus dem netz
die füße weniger
in solche steigbügel senkten,
und ich im netz
noch weniger
kokon betriebe
als cocooning,
wäre dieses leichter,
nicht zu ertragen,
sondern leben
und der kuss, der heilt.
---
macht das schicksal
schicksal klingt nach
schicken, porto soundso
und ballsaal
der debütanten.
und wie augenpulver
jetzt am trottoir
des bahnsteigs,
keine karte.
und ist doch da
so winkend,
abschied, modus jetzt,
und fürchten, dass er.
die macht, die
schicksal macht,
ist ungebändigt, wie
du küsst darein.