Rezensionen 2007

Quart Heft für Kultur Tirol. Nr. 10/2007
Hg. Kulturabteilung des Landes Tirol
Innsbruck, Wien: Haymon 2006
  
Stolz darf Quart, das Sven-Eric Bechtolf als die „beste deutschsprachige Kulturzeitschrift“ bezeichnet hat (weitere Worte ernst gemeinten Lobes sind nachzulesen auf www.circus.at), ein kleines Jubiläum feiern: Nach fünf Jahren liegt nun die zehnte Ausgabe vor, wobei sowohl das Konzept als auch die Qualität immer noch überzeugen.
     Eine der Stärken der Quart-Hefte ist fraglos das ansprechende Design – eine diesbezügliche Würdigung erfolgte u.a. durch die Auszeichnung mit dem prestigeträchtigen „reddot design award 2007“ (Hefte 6 bis 8) sowie durch die Nominierung für den hoch angesehenen „Designpreis der Bundesrepublik Deutschland 2008“. Gute Gestaltung allein reicht für eine Kulturzeitschrift freilich nicht aus, und erfreulicherweise sind auch in Heft Nr. 10 wieder ansprechende Beiträge zu verschiedensten kulturellen Themen zu finden.

     Diesmal gestaltete Hans Schabus sowohl den Umschlag als auch die linken Heftseiten. Er habe sein Briefmarkenalbum neu geordnet, heißt es auf der grünen Schleife, wobei diese Neuordnung im Dienst einer Reflexion der jeweils rechten Heftseiten steht. Der Beitrag „Queen for a day“ beispielsweise, in dem Heinz Trenzak Djavidan Hanum, die Schriftstellerin, Pianistin, Malerin und ägyptische Prinzessin war, porträtiert, wird von Königinnen-Briefmarken aus verschiedenen Ländern begleitet.
     „Wozu Geisteswissenschaften“ fragt sich Helmut Reinalter – dem Bericht über die „Kultur als Sinnsystem“ stellt Schabus mit Briefmarken gefüllte Seiten in den sechs Spektralfarben gegenüber und liefert damit ein deutliches Statement in Bezug auf die von Reinalter thematisierte Spannung zwischen der starken Spezialisierung der Geisteswissenschaften und ihrer Vereinigung unter dem Deckmantel der Kulturwissenschaft.
     Man glaubt kaum, wie viele Auto-Briefmarken es gibt: Genug jedenfalls, um die augenscheinlich als Serie geplanten „Brenner-Gespräche“ zu umrahmen. „So viele Leute fahren über die Alpen nach Italien“, heißt es, „Quart bittet herausragende Persönlichkeiten an den Straßenrand zu einer Jause mit Gespräch“. In der ersten Folge interviewt Andreas Schett den Komponisten und Theatermacher Heiner Goebbels, dessen Aussagen über das Funktionieren von Live-Aufführungen lesens- und ,weiterdenkenswert’ sind.
     In der Serie „Gutachten“ geht es diesmal um die Schöpfung, der Physiker Ferdinand Cap, der Krebsforscher Martin Widschwendter, die Autorin Barbara Hundegger und der Gynäkologe und Theologe Johannes Huber machen sich Gedanken dazu (Hans Schabus hat sowohl Krebs-Briefmarken als auch drei passende Marken zu Hundeggers Beitrag „busen wunder“ aufgetrieben!).
     Des Weiteren vermittelt Ivona Jelcic ihre Erfahrungen mit Bettenpartys, verteidigt Clemens Aufderklamm das Schreiben für die Masse als Drehbuchautor, insbesondere seine Mitarbeit an der ORF-Vorabendserie „Mitten im Achten“, wobei er sich gleichzeitig Luft über den „Arschtritt“ macht, der ihn aus Österreich wieder zurück nach Berlin befördere.
     Alice Riegler berichtet über Dörfer im Südtiroler Vinschgau, die perfekte Bedingungen für Genforscher bieten (Hans Schabus’ Briefmarken sehen wir hier von hinten...). In der Serie „Landvermessung“ wandert der Schweizer Schriftsteller Urs Mannhart von Wenns im Pitztal nach Nufels im Kaunertal – äußerst lesenswert sind seine Überlegungen zu Gipfelsieg und Kronenzeitung! Auch Raimund Margreiter kommt in diesem Quartheft zu Wort – der einzige vielleicht nicht ganz „originale“ Beitrag, handelt es sich doch um eine Transkription einiger seiner Redebeiträge zum Thema Organtransplantation bei den diesjährigen Rauriser Literaturtagen.
     Ein ausführliches Porträt von Thomas Nußbaumer ist Maria Hofer und ihrem umstrittenen Werk gewidmet, einer Komponistin, die um jeden Preis Tirolerin werden wollte. Robert Woelfl ließ sich im Atelier von Hans Schabus zu einem Bergwerkstext inspirieren und den Anfang schließlich – ich habe diesmal das Heft von hinten aufgezäumt – macht ein polemischer Beitrag von Philipp Mosetter zum Thema „Das kenn’ ich schon, das hat’s ja schon gegeben!“ Einerlei, ob man wie ich mit diesem Text zu lesen aufhört, mit ihm anfängt oder das Heft überhaupt kreuz und quer liest – lesenswert ist dieses Quart Heft allemal. Besonders gelungen ist auch die Originalbeilage von Peter Sandbichler, eine bearbeitete Gummimatte, die vielfältig eingesetzt werden kann.
     Einen kleinen Makel muss ich der Vollständigkeit halber (und als gutgemeinten Hinweis für hoffentlich viele weitere Quarts) erwähnen: Diesmal haben sich leider einige vermeidbare Fehler eingeschlichen – der Rechtschreibung, der Grammatik und dem Satzspiegel hätte mancherorts ein strenger prüfendes Auge gut getan.

     Abschließend bleibt zu sagen: Auch nach zehn Ausgaben bleibt Quart seiner Linie treu, enttäuscht die Leser nicht, fügt Bewährtem Neues hinzu und bleibt ein ernstzunehmender, über die Grenzen hinausweisender Bestandteil der (Tiroler) Kultur! 

Carolina Schutti