Rezensionen 2007
Sabine Eschgfäller, Versuche die Worte zu wiegen
Wien: Resistenz Verlag 2007
Die junge Lyrikerin Sabine Eschgfäller beeindruckte schon vor Erscheinen ihres ersten Gedichtbandes mit Einzelpublikationen und Lesungen: Ihre Gedichte bleiben hängen, möchten wiedergelesen werden, erforscht und durchleuchtet in ihren Worten und den Räumen, die zwischen den Worten entstehen und stehenbleiben. Sabine Eschgfäller beherrscht die Kunst des Stehenlassens, kein Wort zuviel verwendet sie, sie fordert ihre Leser auf, von vorne anzufangen, wenn sie meinen, am Schluss angelangt zu sein. Hinter den komplexen Gebilden liegt jeweils eine klare Idee, eine Geschichte, ein Erfahrungsausschnitt: Keine reine Sprachkunst also betreibt die Dichterin, sie komponiert keine Assoziationsketten, sondern vielmehr kunstvolle Wortbögen, die sich um ein Stückchen Wirklichkeit legen.
Versuche die Worte zu wiegen ist Eschgfällers zweiter Gedichtband nach dem tschechisch-deutschen Band in die ecke gesprochen – řečeno do kouta (Burian a Tichák, Olomouc 2005). Der Gedichte angenommen hat sich der Resistenz-Verlag: „Andere drucken Bücher. Ich verlege AutorInnen“, so schreibt der Verleger Dietmar Ehrenreich in den Bemerkungen zu seiner Verlagsphilosophie auf der letzten Seite. Dem Druck, der (sehr schlichten) Aufmachung des Buches wird eher wenig Bedeutung beigemessen – andererseits lenkt hier somit nichts vom Wesentlichen ab. So gerne ich „schöne“ Lyrikbände in der Hand halte – Sabine Eschgfällers Gedichte kommen jedenfalls auch ohne handgeschöpftes Papier und Vierfarbdruck aus.
Aus sieben Teilen besteht das Buch: „abseits“, „leis“, „beschworen“, „versuch, die worte zu wiegen“, „noch einmal (dich erinnern) leg deinen kopf beiseite“, „pfadfinder“ und „unter meiner angst“. Leise, bedächtige, auch angstvolle Töne schlägt Sabine Eschgfäller an. Sie verwendet keine ,Kunstwörter’, bleibt in ihrem Wortschatz ganz schlicht. Allein über das Aufbrechen von Syntax und Semantik, über zum Teil verstörende Wortkombinationen gelangt sie zu einer eindrucksvollen, zugleich gänzlich unprätentiösen Bildsprache:
ich ringe dich ein
zerreib dich sanft unter meiner nase
[...]
zwischen den schloten
am nordrand; wenn man nur
wuesste, wer sich zerkleinert
in erinnerung
: dort
oder:
an der leine
führe ich die gespräche mit dir
spazieren durch den tag und jeder
davon handverlesen [... ]
Ein trauriger Schatten liegt über dem Band, es ist eine Trauer allerdings, der man sich gerne hingibt, denn sie wirkt authentisch, ist nachvollziehbar, führt hin zu tiefen Empfindungen. Sabine Eschgfäller greift keine großen Themen auf, vielmehr steht ein beobachtendes, nachdenkendes, intensiv empfindendes Ich im Mittelpunkt. Aus den Gedichten der jungen Lyrikerin spricht viel Erfahrung, vor allem aber besitzt sie die Fähigkeit, den einzelnen Nuancen von Gefühlen nachzuspüren und diese in Sprache zu fassen. Dabei kann Sabine Eschgfäller den Winter, den Engel, sogar das Herz verwenden, ohne jemals auch nur im Entferntesten Gefahr zu laufen, auf ausgetretenen Lyrikpfaden auszugleiten.
Heimat, Fremde und Frost sind wiederkehrende Motive, ein Du wird häufig angesprochen: Begegnung, Entfernung, Leere, unausgesprochene Gedanken stehen zwischen dem Ich und seinem Gegenüber, wobei das Du ganz eingebettet ist in die Gedanken des lyrischen Ichs und ihnen (verändert?) wieder entsteigt:
lass dich steigen aus meinem horizont, du
waerest mir ein leichtes
ein gleiches gewesen du
[...]
Das titelgebende Gedicht, das gleichsam die Gedichte dieses Lyrikbandes ,bündelt’ bzw. zusammenhält, findet sich in der Mitte des Bandes:
versuch
die worte zu wiegen wie im
greislerladenspiel frueher: spiele wieder
mit mir/ im guten
gelb und rot in diesem winter
tritt ein und laechle
und – lass es endlos
bleiben wie im
spielen damals: ohne buehnenbild und ohne
spielzeug/ nimm mein heute
bezahle es mit schweren
worten, gib mir einen vorrat
von dir
: dass ich ueber diesen winter komm
Unmöglich kann ich hier auch nur annähernd damit beginnen, starke, gelungene Bilder zu zitieren, deren Bedeutungen nachzugehen, bleibe ich doch beim Lesen wieder und wieder hängen beim „spazieren/ auf januarhaut“, beim „ich wiege die stunde aus bis/ sie fliegen kann, mit uns“, bei der „zeit ohne poren“ – unmöglich, mit Alltagsworten auch nur annähernd zu beschreiben, was Sabine Eschgfällers Texte sagen. Das ist ein Kennzeichen guter Gedichte: Dass sie im Grunde un-beschreiblich sind und wieder und wieder und wieder gelesen werden wollen.
Carolina Schutti