Rezensionen 2007
Markus Köhle, Mieze Medusa: Sprechknoten
Ein Ohr für den Takt im Textgepäck
Applaus ertönt und wenige Minuten später wird man hinein gezogen – hinein in den Sog der Wörter. Spoken Word, Performance & Slam poetry sind auf der CD „sprechknoten“ aus den Mündern von Mieze Medusa, alias Doris Mitterbacher, und Markus Köhle zu hören. Markus Köhle, Initiator des Bierstindl Poetry Slams sowie der Wiener Lesebühne „Dogma. Chronik. Arschtritt“, und Mieze Medusa, die außerdem als HipHop-Künstlerin Furore macht, geben auf der CD ein abwechslungsreiches Duo ab.
Textgepäck […] in handliche 5-Minuten-Portiönchen geschnürt z. B. gerappte Sozialkritik, Stabreimparaden aus dem Alltagsleben, Schnellsprechprosa aus der Magengrube, interaktives Hausbauen und HipHop affine- Liebeslyrik im Kampf gegen Windmühlen.
So schön beschreibt bereits der CD-Klappentext was die Hörer/innen erwartet.
Abwechselnd spricht sich einmal Medusa über Ungerechtigkeiten dieser Welt oder über Liebeswirren in Rage, einmal knotet Köhle sonor das Alphabet neu zusammen und unterhält mit witzigen, skurrilen Texten.
„[E]in Ohr für den Takt“, „eine eigene Sprache“ und „freie Sicht“, viel mehr braucht Mieze Medusa nicht um Texte wie „Ich spür mich“ oder „Don Quijote oder Was kann die Windmühle dafür“ entstehen zu lassen. Es sind Texte voller Rhythmus und Bildern, gemacht für den Vortrag. Sie kommen direkt aus dem Bauch heraus, aber ohne zu einem assoziativen Wirrwarr zu werden. Wie man die Textflut genießt bleibt den Hörer/innen selbst überlassen. Entweder man lässt sich vom Takt treiben und genießt einzelne Passagen oder man lässt sich wach rütteln, wenn es um Minister geht, die steuerfrei zur Wahl gehen oder um diskriminierte Frauen. „Ich will das anders haben“, sagt Mieze Medusa und spricht offen an, was auf die Nerven geht.
Auch Köhle rechnet ab, in „A-A-Austria“ lässt er hören, was er vom Jubiläumsjahr Österreich 2005 gehalten hat. Buchstabenakrobat Markus Köhle präsentiert sein Gespür für Sprache und Klang außerdem in Texten wie „Orgien-Ode“ oder „Dany & Danone“, in denen er die Buchstaben o, d und t beinahe bis zum Stimmknoten ausreizt.
Eine CD ist genau das richtige Medium für Texte dieser Art. Vor allem Mieze Medusa spricht das Publikum direkt an. Sie fordert auf und man möchte ihr glauben, dass es möglich ist, etwas zu bewirken. Vielleicht ändert sich ja tatsächlich einmal etwas zum Guten – man darf zumindest hoffen. Veranstaltungen, wie sie Köhle, Medusa oder die Organisatoren der neu gegründeten Innsbrucker Lesebühne „Text ohne Reiter“ durchführen, kommen vor allem bei jungen Leuten gut an und können vielleicht eine neue Kultur des Hörens und des Zuhörens bewirken, die immer mehr zu fehlen scheint.
„Ich weiß nicht, ob das was ich spür, Talent ist oder ein Magengeschwür“, fragt sich Mieze Medusa in einem Text. Wahrscheinlich ist es eine gesunde Mischung aus beidem, das Magengeschwür signalisiert, was ausgesprochen werden muss und das Talent ist für die Umsetzung zuständig.
Gabriele Wild