Rezension 2011
Barbara Aschenwald, Leichten Herzens. Erzählungen
Innsbruck: Skarabaeus 2010, 124 Seiten
13 Erzählungen umfasst Barbara Aschenwalds Debüt. „Fürchtet euch nicht“, lautet der Titel der ersten Erzählung; und diese biblische Verkündigung kann als immer wiederkehrendes Motto dieses Bandes gelesen werden. Gründe sich zur fürchten gibt es heutzutage wohl genug, meint Barbara Aschenwald und schreibt über Konsumrausch, soziale Ungerechtigkeit, Hunger, Tod und Elend: „Kometen, Atome, radioaktive[n] Strahlen, Grippevieren, Weltkrieg, Privatkonkurs, Weltkonkurs, Weltwirtschaftskrise, Weltuntergang, Armageddon.“ (S. 5) – der Mensch lebt scheinbar in einer unheilbringenden Umgebung, aber, so schreibt Barbara Aschenwald: „Wir sind noch da.“ (S. 5), was, einem Mantra gleich, in der ersten Erzählung ständig wiederholt wird. Der selbstzerstörerische – aber auch der um seine Existenz kämpfende – Mensch und das Paradox, dass es immer welche geben wird, die alles haben und welche, die nichts haben, die Zerstörung der Natur, die Suche nach einem Ort, an dem man sich zurückziehen kann – das sind Themen, die Barbara Aschenwald in ihren Erzählungen mehrfach aufgreift, sie hin- und herwälzt und befragt. Sie tut dies in der ihr eigenen poetischen Sprache und mithilfe einer Textkomposition, die immer wieder Absätze enthält, die einen Freiraum für ein Zwischen-den-Zeilen-lesen schaffen. Immer wieder enthalten die Erzählungen Sätze, die von außerordentlicher atmosphärischer Dichte sind, wie z.B. „Die Welt ist zwei Hände voll Erde.“ (S. 46). Barbara Aschenwald lässt ihre LeserInnen bei derartigen Sätzen kurz verweilen, lässt ihnen eine Verschnaufpause, denn meist folgt darauf so etwas wie eine Litanei, die sie in eine Realität zurückholt, in der es Selbstmordattentate und Brandstifter gibt und in denen die Werbung den Menschen Sätze wie „Weil Sie es sich wert sind“ (S. 16) vorsagen muss. Zurück zum Ursprung – diesen Werbespruch für Bio-Produkte möchte man auf den ersten Blick Barbara Aschenwalds Erzählband zuschreiben. Doch die Erzählstimme fordert uns keineswegs auf, das Produkt guten Gewissens zu genießen, sondern vor allem dazu, tiefer zu graben, sich zu konfrontieren, zu hinterfragen und sich nicht zufrieden zu geben damit, dass Menschen sterben, „weil sie nichts zu essen haben, aber wenn wir kein Bild haben, denken wir nicht daran“. Manchmal meint sich der/die LeserIn in einem unendlichen Lamento wiederzufinden, in dem, auf vielleicht etwas naive Weise, über etwas geklagt wird, das man als „normaler“ Erdenbürger nicht so schnell ändern wird können und dem man in gewisser Weise hilflos gegenübersteht. Das mag die eine Seite dieser Texte sein, die andere Seite ist wohl, dass sie eine unbequeme Wahrheit aussprechen, die einen nicht so schnell loslassen soll.
Es scheint, als bekäme man als LeserIn immer wieder ein uraltes Heilmittel verschrieben, nämlich die Natur. Barbara Aschenwalds Naturbeschreibungen gehören zu den besonders gelungenen Passagen dieser Erzählungen. In der Natur entdeckt die Autorin vieles, seien es alte Mythen, ihre Vergänglichkeit oder in Vergessenheit geratenes Wissen über Heilpflanzen. Mit der Natur stehen bei Aschenwald auch die ganz großen Themen, wie Liebe, Tod, aber auch Hoffnung, Wahrheit oder Macht in Zusammenhang. „Wem gehört die Welt, wem der Boden?“ – vielleicht jenen, die, wie Barbara Aschenwald, die richtigen Worte finden und fähig sind, die Welt für andere darstellen und beschreiben zu können.
Gabi Wild