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Konzerte
Einhundertfünf Jahre alt ist Mahlers Sechste unterdessen, und manche wirkungshistorische Ideologie, namentlich von Adorno auf den Weg gebracht, ist verblaßt; ihre Wirkung ist dennoch, das zeigt >>>> Esa-Pekka Salonens Interpretation deutlich, ungebrochen, auch wenn mit Recht weniger auf „Aussage“ gesetzt wird, gar auf biografischen Hintergrund (die drei Hammerschläge, die den Komponisten „fällten“ usw.). Vielmehr macht Salonen deutlich, welch eine musikalisch glühende Arbeit hier vorliegt; das betrifft auch das von Adorno so genannte „Katastrophische“ dieser Musik, besonders im Schlußsatz, wenn die riesigen Klangmassen unaufhaltsam und vom Hammerschlag fast nur mühsam unterbrochen, weniger aufeinandertreffen, wie das in Collagen der Fall wäre, als sich ineinander vermahlen, oft mit gegenläufigen Rhythmen, oft nur um Bruchteile gegeneinander verschoben. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten solche Ungleichzeitigkeiten, die eigentlich Fast-Gleichzeitigkeiten sind, zu hören gelernt, Reibungen, Risse; bei aller Feuerköpfigkeit verliert Salonen genau diesen Aspekt nie aus dem Blick, er leitet die Musik „tatsächlich“, wobei er etwa die Tempodifferenzen in den einzelnen Sätzen tendenziell noch verstärkt, ohne daß er sie zelebrieren würde. Da klingen dann die Idyllen in der Solo-Geige viel weniger idyllisch als eher meditativ, ja rücklauschend, und drängen sich im Ton eben nicht solistisch vor. Vor allem befolgt Salonen Mahlers ziemlich berechtigte und häufige Partitur-Mahnungen „nicht schleppen!“ aufs Präziseste; schlagen ein langsames Tempo und dann wieder der maschinenartige Marsch aufeinander, gibt er häufig momentlang ein schnelleres Tempo vor, wodurch dann eben der Riß nicht überdeckt wird, aber der musikalische Fluß nicht einen Moment der Gehemmtheit kennt, kein Stocken, kein retardierendes Stutzen der Zeit. Das ist großartig gemacht, ebenso wie besonders der Klarinettist des Philharmonic Ochestra genau den musikantischen Ton trifft, den Mahler gemeint haben wird, mit kurz punktieren Seufzern, denen ihr Zigeuner-Ursprung anzuhören bleibt, ohne Schönung, aber wunderschön in der klanglichen Linie geführt. Die Bläser insgesamt, durchweg, strahlen in sensibelsten Farben; wie etwa die Trompete ihren Ton nach„ziehen“ läßt, ohne daß das ein Echo wäre, geht ziemlich ans Herz. Doch auch und sogar die Celli setzen ihren Character, nämlich gegen die sperrigen Kastenakustik der Finlandia-Halle, immer wieder durch.
Es ist nicht ganz klar, weshalb Salonen den musikideologisch am wenigsten belasteten Satz der Sinfonie, das Meisterstück des Scherzos, in alter gegenmahlerscher Tradition nach wie vor an zweiter Stelle spielt: die ästhetischen Folgen sind für das Klangerleben enorm; ob da eine Angst herrscht, das Publikum komme ohne den Ruhepunkt, die Erholung sozusagen, vor dem ungeheuren vierten Satz nicht aus? Dabei gibt Salonen, der im übrigen völlig ohne Show dirigiert, doch genügend Entertainment: etwa wenn er die Kuhglocken nicht aus dem Orchester, sondern wie Mahlers frühe Trompetenrufe als quasi Fern-Orchester spielen läßt – keine sehr gute Idee, weil es die Konzentration stört und, wie im übrigen auch der berüchtigte Hammer, der hinten bei den Schlagzeugern riesig sichtbar allezeit daliegt, nicht ohne unfreiwillige Komik ist. Was sowieso den Hammer anbelangt, wäre besser insgesamt über eine andere praktische Lösung nachzudenken, als daß man die Partitur materialgemäß ausführt. Der Schock ist längst verflogen, schon weil wir in den vergangenen hundert Jahren ganz andere Lautstärken zu ertragen und, ja, auch zu genießen gelernt haben: jede Techno-Nacht verschafft größere und dauerhaftere Schocks als solch ein Struwwlpeter-Hammer, bei dem man auflachen muß, wenn der Mann im Frack ihn schwingt. Gut hingegen Salonens Idee, die Glocken des vierten Satzes vom Rang spielen zu lassen; gut deshalb, weil sich ihr Klang, anders als der der Kuhglocken, nicht eindeutig orten läßt: das erfüllt das kompositorisch Gemeinte in seiner ganzen Ungefährheit, die ja überhaupt bei Mahlers „Fern“klängen gemeint ist; imgrunde sind sie bereits bei ihrer Entstehung ferne Erinnerungen gewesen: das genau meint ja die Komposition, und zwar unabhängig vom biografischen Hintergrund. In diesem Sinn, ungefähr und doch plastisch, wäre besonders den Geigern zu wünschen, sie lernten noch, die kleinen Seufzermomente am Ende ihres Aufschwungstrichs zu spielen: das ist aber keine Frage der Technik, sondern eine der gewordenen, durchlebten Mentalität und insofern unstatthaft, es zu fordern. Allerdings bekam ein Engländer es hin, Italo-Engländer, nun gut: John Barbirolli mit dem London New Philharmonic Orchestra, in den wilden Umbruchsjahren der endenden 60er. Und melancholischer „Schmelz“ liegt den Finnen -
wie bei dem zweiten Werk des Abends zu merken war: Sibelius sauschwierigem Violinkonzert, das die jungberühmte Geigerin >>>> Leila Josefowicz geschmeidig wie eine Raubkatze spielte, enorm präsent in den Beweglichkeiten ihrer Erscheinung, exakt auf den Ton, der immer schön ist, gestimmt, bis hin ins oszllierende Pfeifen der Flageoletts - mit einer Tendenz zur Geschwindigkeit, ohne daß sich das virtuose Element allzu vorspielen würde – gerade bei Sibelius's Stück sehr wichtig, das irgendwie statt eines Konzertes für Violine und Orchester eines für Orchester mit kadenzstarker Begleitung durch Solo-Violine ist: eine Art Dialog, kann man sagen, was deshalb so auffällt, weil eben gestern abend der durch- und durchgearbeitete Mahler folgte. Dagegen bekam Sibelius dann etwas Medley-haftes, was, selbstverständlich, so gesagt ungerecht ist: die „Ziel“richtungen der beiden Musiken sind allzu verschieden, vor allem auch ihre kompositorischen Hintergründe. Das Sibeliuskonzert war, klar, in Helsinki, Heimspiel.
Davor dann, als erstes Stück des Abends, Kaija Saariahos Lumière et Pesanteur, das mich so sehr an Ives The Unanswered Question erinnert, daß ich heute morgen in meiner Erinnerung völlig unsicher wurde und beide Stücke nebeneinander hörte. Ja, es gibt Unterschiede, aber bereits in der Trompetenführung klingt es wie aus einem Geist. Ich war völlig verdutzt. Eine schöne Musik übrigens, eine Art Meditation über vor allem Streicherfarben, völlig frei von irgendeinem, scheint es, Willen – die „Botschaft“ bringt letztlich nur die Ives-Assoziation dazu. Die aber ist heftig.
Riesenapplaus in Helsinki, das, als ich im straßenerleuchteten Dunklen ins Hotel zurückspazierte, voll von Techno war: lange lange Schlangen standen an vor den Clubs. Wir leben in verschiedenen Welten, in gleichzeitig Ungleichzeitigem, ungleichzeitig Gleichzeitigem. In Fast-Gleichzeitigkeiten. Gustav Mahlers Modernität.
>>>> Helsinki 8
Helsinki 6 <<<<

albannikolaiherbst - Sonntag, 23. August 2009, 09:06- Rubrik: Konzerte
Beliebig, witzig-unterhaltsam, grandios – in dieser Abfolge läßt sich der Abend knappst zusammenfassen. Es war das erste Mal, daß Esa-Pekka Salonen mit seinem Philharmonic Orchestra in Helsinki gastierte, wo er seine Ausbildung erhielt, gewissermaßen ein kleines nationales Ereignis; der Saal war voll. Man gab „La Mer“, einen sinfonischen Schlager, über den ich nicht gern schreibe; zu parfumiert war er mir immer und, in völligem Gegensatz zu Brittens Sea Interludes aus Peter Grimes und trotz schillerndster Farbigkeit, vielleicht auch gerade deswegen, bei aller Raffinesse hochgekitscht. Der etwas pappig klingende Saal, der die Höfe der Klangfarben ausbleicht, milderte meinen alten Eindruck nicht; es ist etwas unangenehm Klebriges an dieser Musik, man möchte sich hernach die Ohrhände waschen und mag es gar nicht, wenn die heroisierten Momente einen aus der Distanz reißen wollen, als zögen einen die Leute am Ärmel und riefen: „Steh auf, wir feiern Trimphzüge nun!“ - Nö.
Dann also Salonens Klavierkonzert von 2007. Mir ist die allgemeine Begeisterung seiner Aufnahme – etwa >>>> hier – nicht ganz nachvollziehbar; durchaus nachvollziehbar ist mir, weshalb es, für ein „modernes“ Werk, unterdessen ziemlich oft aufgeführt wurde; immerhin ist sein Schöpfer einer der derzeit weltweit gefragtesten Dirigenten. Das Stück ist entsprechend, wie mal über Mahlers Musik fehlgeurteilt wurde, „Kapellnmeistermusik“: es wird sehr bewußt und seiner Mittel völlig sicher Speckschwarten nach den Publikum, die man auf ihre Verdaulichkeit durchaus nicht mehr prüfen muß.
Das Stück ist unterhaltsam, gar keine Frage, es hat viel Witz, ein rasender Rhythmus treibt es voran, Langeweile kommt wirklich nicht auf. So beginnt es auch gleich, ryhthmisch à la Stravinski, dann stockt es, dann setzt das Klavier ein (Yefim Bronfman), solo, und es jagt fast alle Zeit aufs Virtoseste mit dem und unter dem Stück weiter. Ihr hört jetzt einen Reißer, heißt das und will das. Schon klingen Harmonien hinein der 20er/30er Jahre, Tanzmusik fast, ragtime-ähnlich, mitunter hört man Rachmanninof improvisieren, auch Gershwin, logisch, ist bei der Partie. Dazu gehört auch der Einsatz des gleichsam rufend eingeführten Saxophons, wobei die zugleich stark rhythmisiert vorantreibenden Klangcollagen eher an Charles Ives' US-Amerika erinnern als an z.B. die von ganz anderer Musik und anderen Geräuschen durchsetzte heutige City New Yorks. Das alles ist, zumal mit neo-impressionistischen Zäsuren, kompositorisch auf höchstem Niveau, ergibt aber in der Summe immer nur Erinnerungen an, sagen wir, „Goldene Zeiten“, die etwas Eigenes gar nicht entwickeln können, schon gar nicht Metaphysik. Das Stück ist well done wie ein Steak. Es zu essen, ist angenehm, es ist durchaus kein Zeitverlust, man wird gut unterhalten, erkennt diesen, erkennt jenen, freut sich an der Sauce, die dazugereicht wird; und man verdaut das Essen gut. Es gibt rein keine Nachwirkung. Es muß auch nicht alles immer eine „Aussage“ haben, die Zeit der Welterklärungen, zumal in Musik, ist vorbei, wir brauchen dringend product placement. Es reicht wirklich völlig zu hören, hier habe jemand aus den Erfahrungen, die er während seiner Dirigentenzeit in Los Angeles wahrscheinlich auf Spaziergängen gemacht, in eine Partitur überführt und spielt mit ihnen darin aufs Virtuoseste herum. Allerdings scheint er für nicht allzu viele Spaziergänge die Zeit gehabt zu haben, wie auch, bei dem Programm? - so daß die zeitgenössische Erfahrung einer Metropole von Addinsells Warsawa Concerto (1940) gänzlich überwölbt zu sein scheint. Auch insofern vermittelt das Konzert den Eindruck, Salonen habe die USA mehr über Partituren als über eigenes direktes Erleben erlebt. Also, wir erwarteten ihn, dankbarer Jubel.
Doch dann der Stravinski. Nun war Salonen wirklich bei sich. Die straff durchorganisierte, dem Dirigenten nahe Rhythmik, der Akzent auf den Ausdruck anstelle auf Farbe, die plötzlichen Einschübe, Momente des Aus- und des Einatmens, bevor es wieder unabdingbar weitergeht – all das, was das Frühlingsopfer ausmacht: hier wurde es Klang, massiv, drohend mitunter, nicht verschluckt von wohlerzogener Eleganz, sondern ruppig... auch und gerade die Finlandia-Halle kam dem entgegen oder es ihr, radikaler Einfall um radikalen Einfall, irre gut ineinandergefügt, aufeinandergeschlagen – das war nun wirklich M u s i k.
>>>> Heslinki 7
Helsinki 5 <<<<

albannikolaiherbst - Samstag, 22. August 2009, 11:14- Rubrik: Konzerte
Beide wirklich blutjung, Anna Laakso am Klavier, >>>> Antti Tikkanen auf einer Stradivari von 1702, die ihm die Pohjola Bank Art Foundation zur Dauerverfügung gestellt hat – beeindruckend beide, wobei gerade Laakso eine schwere Kraft besitzt, mit der sie über die Tasten geht, temperamentvolle Schwerblütigkeit (übrigens „hängt“ sie überm Klavier wie ein Jazzpianist), wozu Tikkanen, vor allem bei Enescu, man hat den Eindruck: ganz bewußt nicht auf Schönklang setzt, sondern den expressiven Ausdruck vorzieht. Es lag nicht nur am Programm, daß die Charactere der Stücke nicht ohne klangliche Ähnlichkeit waren. Das betrifft auch den wahrscheinlich elegantesten Komponisten der drei, den Polen Karol Szymanowski, der am Beginn der modernen polnischen Musik steht, in Deutschland aber nur selten, hierzulande (in Finnland) vielleicht öfter zu Gehör gebracht wird. Seine Nocturne und Tarantella op. 28 spielen bereits mit dem Einfluß des frz. Impressionismus und drehen dann deftigst in den Tanzsatz ab, was das Stück ausgesprochen deutlich mit Enescus elf Jahre später geschriebener Dritte Violinsonate verklammert, namentlich mit ihrem dritten Satz. Was bei Szymanowski die Tarantella, sind dem Rumänen die Gipsy- und Klezmer-Elemente, bei denen er sich an der Volksmusik seines Landes orientierte.
Dazwischen Kaija Saariahos Calices von 2009, also eben gerade uraufgeführt: s e h r seltsam, wie wenig sich die moderne Klangsprache Saariahos von derjenigen der beiden anderen abhebt – deutlich bleibt die moderne Faktur, dennoch hatte ich den Eindruck einer geradezu ungebrochenen, fast tonalen Kontinität. Tatsächlich handelt es sich bei dem Violin/Klavierduo material um einen Rückgriff, nämlich auf Saariahos siebzehn Jahre altes Violinkonzert. Aber sie bereitet das Material nun anders auf, die Strukturen werden noch durchhörbarer; es ist fast, als hätte die älter gewordene Komponistin eine Arbeit der jüngeren interpretierend kommentieren wollen.
Eine eigenartige Stimmung war im Konzertsaal des Stadthauses am Hafen; man erschien in Alltagskleidung - so spielten die jungen Interpreten auch -, einige Leute hatten noch Einkaufstüten dabei. Die Kürze des Programms verweigerte die Pause. Es gab auch keinen Snack zwischen dem halbstündigen Einführungsvortrag zuvor und dem Konzert; der Vortragende ging, die Musiker traten auf, stimmten kurz, spielten. Und gedeckt fast, man hörte kaum Stimmen, gingen die Leute, nachdem sie applaudiert hatten, unten aus dem Stadthaus wieder hinaus; wenige schauten sich noch die Ausstellung im Foyer an. Es war hellgeblieben, na klar, 19 Uhr, und die letzten Händler bauten am Markt ab. Vom Plätzchen zwischen Etelä-und Pohoisesplanadi wehte ein E-Baß-Gewummer herüber.
>>>> Helsinki 3
Helsinki 1 <<<<

albannikolaiherbst - Donnerstag, 20. August 2009, 21:11- Rubrik: Konzerte
das teatro sesi im fiesp an der avenida paulista ist ein uncharmanter blauer kinobestuhlter ort. the bad plus (ethan iverson, piano; reid anderson, bass; dave king, drums) gingen um kurz nach acht an die instrumente und dekomponierten ein stück von ligeti, song x von ornette coleman, und stauten zeit in den physical cities mit dem drumstickstakkato eines an diesem abend viel bejubelten dave king, der grosse rhythmusstörer. dann baten sie wendy lewis auf die bühne.
wenn es so etwas wie einen sekundären popgewinn gibt, dann hat ihn the bad plus ganz für sich ausgeweidet, und mit wendy lewis haben sie eine stimme hinzugewonnen, die den dekompositeuren just the basic facts zurück gibt, she can show you where it hurts. man ist erstaunt von dieser unprätentiösen kleinen frau, die pfadfindergleich dem zerspielten einen weg zurück zur erinnerten melodie bahnt, ohne sie bloß mehr als anklingen zu lassen. neil youngs heart of gold beginnt als e. s. t., oder e. s. t. klang immer schon etwas nach neil young. das ist die grosse leistung, man schielt durch den pop und sieht den jazz ganz scharf. pink floyds comfortably numb rief nie so viel gänsehaut hervor wie unter seiner völligen zersetzung an diesem abend, u2s new year's day wird wieder hörbar, es ist, als präparierten sie das am pop heraus, was er selbst zu oft wieder verschüttet. so kann es gehen. und über die schwelle dieser kargen bühne klingt erneut leslie fiedler an: cross the border - close the gap.
http://www.thebadplus.com/
sp, 10.6.'09
diadorim - Freitag, 12. Juni 2009, 10:23- Rubrik: Konzerte
drei drummer. DREI. seems like heaven. zwei vibrafonisten, jede menge blech. cross the border close the gap. roscoe mitchell, saxofones, (art ensemble of chicago e aacm), john herdon, drums (tortoise, isotope 217), mauricio takara (hurtmold, sp underground, marcelo camelo). die eigenen rollen in jeweils anderer besetzung machen die musik und erweitern die möglichkeiten. ein musiker ist ein musiker ist ein musiker. es gibt dafür nur zwei voraussetzung: spielen wollen und spielen können. die erste ist der motor, die zweite die physik. and the beat goes on. damon locks hätte auch die bill of rights verlesen können, es wäre doch gesang gewesen. das letzte mal sah ich so viele jazzmenschen beim liberation orchestra auf der bühne: dream keeper, allesamt.
marcelo camelo selbst war im publikum, mit mallu magalhaes, sie so jung und er nicht wirklich alt. ein schönes paar. musik verbindet. o amor do mundo. so singt brasilien mit, kein grösserer kitsch unter der sonne. com certeza. mas tem jeitinhos do amor, e verdade.
sp, 8.5.2009, sesc vila mariana
diadorim - Samstag, 9. Mai 2009, 15:03- Rubrik: Konzerte
 Jetzt war das Weihevolle weg. Interessant, daß das musikantische Element in Bachs Cellosuiten zurückkehrt, wenn sechs junge Solisten, deren mindestens Hälfte längst Meister selber ist, nacheinander-zusammen die Stücke interpretieren; es ist, als wüchse ihnen aus den verschiedenen Perspektiven wieder eine Lebendigkeit zu, die in der Hermetik je nur e i n e r Interpretation die Glätte der Geschlossenheit versiegelte. Insofern war das hellabendliche Konzert zum ersten Mai, das die jungen Musiker zu Ehren >>>> ihres Lehrers gaben (er verstarb, früh, vor fünf Jahren), mehr als „nur“ Hommage. Die aufgelassene, halbprovisorisch zum Aufführungsort renovierte Basilika von St. Elisabeth war proppevoll (irre schön die groben Steine, die abgebrochen vor der Apsis liegen), die Sonne schien durch die Fenster und wärmte gelb die Pause, alles war voll Licht im Raum – das ging in den Klang. Wie dunkel kunstfern dagegen jeder Konzertsaal! Es lohnt sich, abseits der konservativen Podien >>>> nach Veranstaltungen zu schauen, auch wenn selbst hier das Publikum etwas eigen Sektisches hatte: auf bürgerlich-hausmusikalische Weise, man sah wieder Höhere Töchter und solche, die es werden werden, „brav“ ein wenig und tapfer konzentrierte Kinder, herausgeputzt wie auf Dominika vorm Kirchgang; dazu studentisches Publikum, manche hatten ihre eigenen Cellokästen bei sich, wie frisch von der Hochschule hergeradelt: ein seltsames, leises, auch vornehmes, insgesamt aber lebendiges Biotop abseits der Globalisierungsdiskussionen; teilsäkulare Gläubigkeit im Raum. Da fiel Nicolas Altstaedts Interpretation der fünften Suite sehr auf: kraftvoll-expressiv auf die Emotion jeder Phrase konzentriert, die Spanne möglicher Tempi nicht auf Geschlossenheit, sondern auf ihre Differenz ausspielend: ernstvoll virtuos, anti-aseptisch bereits in seinem Auftreten: als einziger trug er nicht schwarz, nicht Abendgarderobe, sondern erschien im aufgekrempelten Hemdsärmel - auf Arbeit, extrem lebendig auf Prozesse focussiert, nicht auf Schönklang und Feier. Das tat gut, das war ein Nein zum bürgerlichen Ritual gesellschaftlicher Hermetiken. Man roch in der Musik die Clubs. Herausfordernd wippten die spitzen Schuhe den Takt. Nichts von dem, was Thomas Mann „Kuhstallwärme der Musik“ genannt hat, sondern ein ganz junger Gulda als Cellist, der die Klassikscheiße des Konzertlebens schon v o r dem Konzertleben satt hat. Klasse.
Etwas von dieser Haltung war auch bei Sebastian Klinger zu spüren, nur nicht so radikal. Dagegen Bohórquez, den ich >>>> neulich schon hörte: Der Schönheit seiner Erscheinung entspricht die Schönheit seines Spieles völlig, hier ist nichts rauh. Phänomenal seine Exaktheit, die traumhafte Sicherheit des genauen Tones, selbst in seinen rasendsten Läufen wird wie bei Altstaedt nichts verschmiert: schnitzt dessen hochintellektuelles Spiel, selbst in der Versunkenheit hebt er Rhythmik und Struktur heraus, so malt Bohórquez: K l a n g – da ist so eine Süße, da ist El Sur im Spiel: sie kennt das Messer. Man kann gar nicht sagen, wofür man sich entscheiden möchte, zumal Bohórquez immer unsentimental bleibt. Und alle - Julian Arp, Nikolas Altstaedt, Claudio Bohórquez, ausgesprochen lyrisch Danjulo Ishizaka, Sebastian Klinger, Julian Steckel; jede Interpretation hatte vieles für sich; es ist eine Frage des Temperamentes, welcher man sich näher fühlt - - alle stammen aus demselben Stall: die gleichen Hände haben sie geprägt. Tiefer als mit solcher Differenz kann man sie nicht ehren. Die Suiten aber selbst mit gar nichts mehr als Jugend. Das, genußvoll, war einmal mehr zu lernen. [>>>> Programme der Hochschule für Musik Hans Eisler.]
albannikolaiherbst - Samstag, 2. Mai 2009, 09:11- Rubrik: Konzerte
Johann Sebstian Bachs Suiten für Cello solo aufzuführen, ist unterdessen ein heikles, weil belastetes Unterfangen; die Stücke haben eine Bedeutsamkeit bekommen, etwas Beethoviges, ja Mekka-artiges, wohin man pilgert wie, freilich dort anders, nach Bayreuth in den Parsifal. Alle kommen sie nämlich, die Cello-Jünger, um zu hören und, na ja, zu nörgeln selbstverständlich. Kein Großer, der nicht seine Interpretation vorgelegt hätte, seit Pablo Casals die Suiten zum Schlager der E-Musik machte, wozu sein (spät)romantischer Gestus so überaus geeignet war. Bald aber kamen die sachlich-nüchternen, die intellektuell analysierenden, die „historisch“ aufführenden Interpreten und diejenigen, die wieder Tänze daraus machten oder, Giganten ihrerseits, massiv hindurchstapften. Rostropowitsch, Yo Yo Ma, Janos Starker, Pierre Fournier, Mischa Mayski, Jacqueline du Pré: Jede(r) mochte ihre/seine Interpretation zum Schatz hinzutun. Bisweilen sind die Unterschiede nur noch graduell, selten gravierend; nur noch „musiziert“ jedenfalls können die Suiten kaum mehr werden. Das ist ein Problem. >>>> Gestern abend, als >>>> der ausgesprochen jugendlich wirkende Bohórquez zwei der Suiten zu Gehör brachte, ging das so weit, daß einiges (offenbar musikmasochistisches) Publikum überhaupt erst n a c h dem Britten kam, mit dessen erster Cellosuite der Abend begann. Man wollte „den Bach“ hören, und Piazzollas von Bohórquez fürs Cello transkribierte, sozusagen zwischengeschobene Tango-Etüden nahm man als eine Art virtuoser Fingerübung mit; dabei waren genau die, nach dem Britten, die eigentlichen Stücke, um Bohórquez Stärken zu zeigen: hohe musikalische Intelligenz, Eleganz und einen Witz, wie man ihn auch bei Sollima hören kann. Die Bach-Suiten nahm Bohórquez makellos, auch wenn - sehr selten - ein Ton nicht zwar nicht getroffen wurde, sondern einfach nicht anklang; darüber spielte der Cellist mit geradezu Grandezza hinweg, ja diese ganz filigranen Fehler gaben dem Spiel sogar Größe. Die Suiten klingen ausgesprochen klar bei Bohórquez, bisweilen gläsern durchsichtig, dabei aber nicht etwa nüchtern, sondern sanglich; gegen Nüchternheit steht schon sein Temperament, das eine Abschlußphrasierung durchaus mal wirft wie die Tolle auf dem Kopf: nicht ohne - freilich warmherzig jungenhafte - Eitelkeit in einem kurzen, genau auf den Punkt verklingenden, aufklingenden Glanz. Nie wird das sentimental, und man hört - Percussion fürwahr - die Finger klopfend auf die exakten Saitenstellen fallen. Hinzu kommt, daß Bohòrquez' Rogeri-Cello ganz besonders schön in den tiefen Lagen klingt: wie der Cellist das um den Zusammenhalt der Stücke einsetzt, ist fulminant unwiderstehlich.
Der eigentliche Höhepunkt aber war Brittens Erste Cellosuite. Bohórquez lud sie mit seinem Temperament geradezu auf, manchmal mit einer sehnsuchtsweiten, kurz aufschreienden Bewegung, dabei indes immer analytisch und in dieser klaren Diktion, so daß die Stücke niemals zerfallen; im Gegenteil, sie fangen auf typisch brittensche Weise an zu leuchten und stehen ganz gleichberechtigt neben Bach, was nun nicht einfach ist; ja ob sie nicht eigentlich, so fragt man sich, die „bessere“ Musik seien: angemessener, will das heißen, der Gegenwart, noch gänzlich unhistorisiert und von Weihe unbelastet, vor allem unideologisch - was die Neue Musik nach 1945 meint, aus der nur recht wenige Musiken für Cello solo gleichberechtigt neben Brittens Suiten Bestand haben dürften: etwa Dallapicollas Ciaconna, wohl auch Bernd Alois Zimmermanns Cellosonate. So daß man sich fragt, weshalb Brittens zudem klanglich wunderschöne Suiten nicht längst die Podien uneingeschränkt erobert haben, sondern nach wie vor ein wenig gelegentlich aufgeführt werden. Es braucht wohl diese neue Cellistengeneration, ganz ähnlich der neuen Sängergeneration um etwa Quasthoff und Prégardien, Juliane Banse und Christine Schäfer, um von den gängigen Perspektiven auf das, was und wie gute Musik sei, den Staub wegzublasen. Wenn die Leute in den Britten strömen, statt daß wie gestern zu Bach gepilgert wird, wird es erreicht sein. Ironisch gab Bohórquez dem im Kleinen Saal des Konzerthauses Berlin jubelnden Publikum Prokovjevs miniaturen Kindermarsch hinzu: auch d a s ein Fingerzeig.
albannikolaiherbst - Dienstag, 21. April 2009, 07:41- Rubrik: Konzerte
Vier Tage prall gefüllt mit Musik - und trotz wunderbaren Sommerwetters strömten die Besucher in die ehrwürdige Laeisz-Halle in Hamburg. Schon das Auftaktkonzert bot Besonderes. Wolfgang Mitterer stellte sein "Stilles Bild" für Orgel und live electronics erstmals vor, Auftragswerk der Hamburger Ostertöne. Das rund halbstündige Werk riss betörend stilsicher und ausdrucksvoll in das übergeordnete Motto der diesjährigen Musiktage hinein. Mitterer liess in seine Synthesizerklänge verfremdete Ausschnitte aus dem Brahms-Requiem einfließen, kreierte eine tief bewegende Atmosphäre, die auf die jenseitige Welt zeigt, in der eigene Erinnerungen an Brahms erscheinen könnten. Der Komponist ließt sich nicht von den unendlichen technischen Möglichkeiten der Technik verführen, sondern ging sparsam mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln um.
Hamburgs Opernchefin, Musikalische Leiterin und Schirmherrin des Festivals um Brahms und die neue Musik Simone Young dirigierte anschließend mit dem ihr eigenen Schwung das Brahms-Requiem, Ausführende: die Philharmoniker Hamburg, der NDR-Chor, Wolfgang Koch (Bariton) und Vida Mikneviciute (Sopran).
Kleine Formen - "Miniaturen", wie der Beitrag von Alban Nikolai Herbst zum sehr umfassenden und informativen Programmheft übertitelt war - standen im Mittelpunkt dieser Ostertage. Das Arditti-Quartett, Spezialist für Neue Musik, präsentierte am Karfreitag Nonos "Fragmente - Stille. An Diotima" und Olga Neuwirths "Settori" und "Akroate Hadal", im zweiten Teil des Konzerts Wolfgangs Rihms "Grave 'in memoriam Thomas Kakuska' für Streichquartett, Brahms' Streichsextett Nr. 1 B-Dur op. 18 und Schönbergs "Verklärte Nacht". Dabei geriet den Ardittis der Brahms unerwartet nachlässig. Ebenso kämpfte der Pianist Lars Vogt mit dessen Sonate für Viola und Klavier Es-Dur op. 120,2, Ostermontag nach Alban Bergs Klaviersonate op. 1 und Weberns Vier Stücke für Violine und Klavier op. 7 angesetzt. Musikalisch aufregend das "Ensemble Recherche.
Es gab auch in diesem Jahr wieder den traditionellen Liederabend des Opernstudios im Brahms-Foyer, der durch seine hochklassigen Solistenh gefangen nahm.
Am Sonntag konnten die interessierten Festival-Besucher das Klanforum Wienh erleben. "Free radicals" war das Thema und brachte viele kleinformatige Kompositionen und experimentelle Kurzfilme.
Das Abschlusskonzert bot dann nochmals Allerbestes: Das engagiert aufgestellte Bundesjugendorchester, Leitung Peter Hirsch, spielte Alban Bergs "Drei Stücke für Orchester" op. 6. Als Höhepunkt des Abends kam Olga Neuwirths "... miramondo multiplo ..." für Trompete und Orchester zu Gehör, das Reinhold Friedrich als Solist an der Trompete interpretierte. Dieses großartige Werk, das aus der Leidenschaft der Komponistin zu diesem Instrument geboren wurde, sollte zukünftig häufiger in die Programmgestaltung der Konzertsäle Einzug halten. Es wurde übrigens vom NDR aufgezeichnet und wird am 31. 5.09 um 22.05 Uhr auf NDR Kultur gesendet.
Simone Young dankte Kultursenatorin Karin von Welck und Michael Göring, ZEIT-Stiftung, aus- und nachdrücklich für deren großzügige Unterstützung der OSTERTÖNE, die so gelungen Türen für moderne Musik auch diesmal öffneten und gekonnt Verbindungen zur Tradition herstellen. So bleibt zu hoffen, dass es im nächsten Jahr so weiter geht. Die Pläne liegen schon in der Schublade.
Helbig - Dienstag, 14. April 2009, 11:58- Rubrik: Konzerte
willst du glücklich werden im leben, liebe nur jemanden, der auch dich liebt. so weit, so logisch. slumdog millionäre lösen das auf ihre weise. harnoncourt, im tagespiegel für orlando paladino verrissen, löst es auf die denkbar sinnigste weise: willst du glücklich werden mit der oper, dann verdopple ihre buffonen effekte nicht. ja, genau. nicht auszudenken, wenn sich das in historischem bühnenbild zugetragen hätte, oder, schlimmer noch, in der halbwelt zwischen krupp, eine dynastie und st. pauli, ein milieu. nein, das ist schon ok. aber, was fängt man jetzt damit an? wir haben so gelitten, nein, was haben wir gelitten, ihr verguckt euch in die falschen und habt die dann richtig am bein, oder deren rivalen, oder einfach den schlamassel, was ja auch nicht richtig sein kann. ich bin amüsiert. operndarsteller spielen operndarsteller, man fragt sich, ob der mann an der pauke wohl das gleiche verdient, wie der mann am fagott, oder ob sie manchmal die instrumente tauschen. lastenausgleich. oder der ausgleich abwesender lasten. ich nenn es nicht schicksal. ich nenn es pausenbrezen. die aus waren. und dem herrn scharoun, ja eben jenem, dem möchte ich sagen, in einem konzerthaus sich verlaufen, heisst nicht viel, aber ein konzerthaus erklimmen bis an die sonderplätze, schafft die nötige distanz. vielleicht schreibt mir noch jemand eine fussnote. ich war zu faul, es selbst zu googlen.
diadorim - Montag, 23. März 2009, 01:35- Rubrik: Konzerte
Dieser Abend hätte ein Zeugnis unbeugbarer Menschlichkeit gegenüber der Barbarei werden können. Doch wurde er zu einer furchtbar bejubelten Niederlage für die Kunst, denn vor den Opfern, an denen prinzipiell nichts gutgetan werden kann, müssen wir doch schweigen. Oder wir beweinen sie, beweinen u n s: daß so etwas möglich wurde und wir so möglich s i n d.
Tränen sind das zentrale Wort in Karl Amadeus Hartmanns erster Sinfonie, dem „Versuch eines Requiems“, das noch in dieser Bezeichnung die Hilflosigkeit markiert angesichts der Disposition des Menschen-als-Masse zur schenkelschlagenden, widerlichsten Bestialität, an die kein Tier, die bestia nicht, niemals heranreicht: selbst die Begriffe versagen, wo wir den Character, der das Andere, auch und gerade wo es wehrlos ist, aus seinen Wohnungen zerrt, auf Viehwagen verlädt, erniedrigt, verstümmelt und dabei noch lacht, viehisch nennen müssen. Von solcher Viehischkeit ist Carl Orffs Carmina Burana rundweg. Sie feiert, unter den mittelalterlichen Trink- und Fickliedern nur schwerlich im Latein verborgen, alle Brutalität und allen Hohn, derer wir nur fähig sind, und gibt ihnen den stampfenden Rhythmus mordender Paraden. Das reicht bis tief in die kompositorische Struktur, deren primitiv-manipulativen Energien ein Volkstum zusammenschweißen, das mit dem Zusammenbruch Deutschlands 1945 keineswegs zu existieren aufgehört hat. Wie man gestern abend merken konnte, als eben t r o t z des zuvor aufgeführten Hartmann-Stückes der Jubel über die Carmina Burana so sehr losgebrochen ist, daß ich nur noch gehen mochte – gehen, um, wie es nach Walt Whitman bei Hartmann heißt, hinzufliehen „in Nacht, wenn keiner dich sieht, o schmelzender Ozean von Tränen“. Die Carmina Burana ist Musik für den >>>> Mob, und der Mob, gestern abend, applaudierte wie e i n Volk: einmal mehr dem simpelsten Verführer auf die Schippe gesprungen.
Das ist nicht zu verzeihen. Es ist nicht zu verzeihen, eben weil es zuvor die Hartmann-Sinfonie gegeben hat. Aber es war, und das ist erschütternd, zu erwarten gewesen und muß insofern schon der Dramaturgie der Veranstaltung, also den Veranstaltern, angelastet werden. Weshalb hat keiner von denen gesagt: um der Menschlichkeit willen, das geht so nicht?:: Die Leute werden den Hartmann keine halbe Stunde später völlig vergessen haben und werden innerlich mitstampfen und mitjohlen, ihnen wird alle Differenz, die es derart überdeutlich sowohl kompositorisch wie in der nicht einmal politischen, sondern menschlichen Haltung beider Werke gibt, innerhalb weniger Takte restlos verloren gehen, und daran möcht' ich nicht mitschuldig werden? Nicht, daß Orff nicht Einfälle gehabt hätte, nicht, daß es nicht hie und da den Ansatz eines Melos gäbe, der es wert ist – auch wenn er dann immer an etwas anderes erinnert als einen neuen hören läßt: mittelalterlichen Gesang, Volksgesang, selten auch frühen Verdi -; nicht, daß die Carmina Burana nicht auch voll einer wenngleich vulgären Rhythmik wäre, die mitreißt - doch ist das eben von solch primitiver Machart, daß man gar nicht drüber schreiben möchte. Letztlich ist die Carmina Burana faschistischer Pop.
Dennoch, die Idee, die beiden Stücke zu koppeln, ist fulminant. Ach, es hätte ein solch großer Abend werden können! Wem fiel nur diese Pause ein? Und wem, den Hartmann sozusagen als „Vor-Group“ zu positionieren, damit hinterher das „Eigentliche“ zur begeisterten Erscheinung fände, ja sich zur inneren Erfüllung einer vergessensdurstigen Massendynamik durchstampfen könne? Es ist etwas anderes, die Camina Burana für sich, sagen wir: auf einer demokratisierten >>>> Dietrich-Eckart-Bühne, als Element des modernen kapitalistischen Showbusiness zu geben und in den Beliebigkeiten eines veranstalteten Entertainments letztlich aufzulösen, als wenn man den tatsächlich grundlegenden politischen, das ist hier alleine: moralischen Boden zugleich ins Bewußtsein bringen und dann umgehend wieder vergessen läßt. Gewiß steckte keine politische Absicht dahinter, eher ein auf die Begehrnisse von Abonnentenpublikum taktierendes Kalkül. Aber es nährt genau diejenige unbewußte Abwehr, die noch lange nach dem Unheil nicht wenige Mitläufer dieses Unheils mit Bundesverdienstkreuzen nobilitiert hat. Carl Orff, von den Nationalsozialisten schließlich gefeiert, blieb das auch nach dem Zusammenbruch der zwölf furchtbaren eintausend Jahre; Karl Amadeus Hartmann, der feine, der trauernde, der widerständige, ist bis heute, letztlich, vergessen, zumindest dem „Volk“: das hat den Orff der Urständ' lieber.
Es hätte ein solcher Abend der Menschlichkeit werden können – und also der Kunst. Ja, es war ein g u t e r Einfall, die beiden Stücke zu koppeln, a b e r: wieso diese Mutlosigkeit? Wieso nicht e r s t den Orff herumlärmen lassen, und die Leute jubeln dann, und d a n n: ja dann den Hartmann spielen, als einen Einspruch derer, die in den Taschen die Hände ballten wie Kästner und erschüttert heimgingen, weil sie unter den Aufmärschen hindurch die klagende Stimme gehört hatten, mit der den Elenden, den „verzehrten Leiber“n (Whitman) Trost zugerufen würde? Und weshalb nicht auf eine Pause überhaupt verzichten – und auf eine Zäsur zwischen Orffs Carmina Burana und Hartmanns Versuch eines Requiems? D a s wäre es gewesen! Mit riesigem Bombast brüllt der Orff sich aus: mecum omnes plangite! - das r u f t ja schon nach Hartmann, und der dann, attacca, dissonant geballt und aggressiv im Rhythmus des Schlagwerks, zerfetzt, wie der Krieg, der dann kam, den Jubel der Massen, um einer Trauer Raum zu schaffen, die für das Mitleid aus der Menschlichkeit steht... - Wir alle hätten begriffen und, vor allem, es gefühlt. S o aber hat gestern abend die Rohheit wiedergesiegt.
[Wiederholung des Konzertes heute abend.
>>>> Karten.]
albannikolaiherbst - Samstag, 14. Februar 2009, 06:57- Rubrik: Konzerte
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albannikolaiherbst - 2018/01/17 07:43
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