“Keine Tabus für Auslandseinsätze”

Weil es offensichtlich die politische Diskussion (erneut) beflügelt, obwohl Verteidigungsminister Thomas de Maizière das schon öfter gesagt hat, hier mal die Originalquelle:

Interview auf MDR Info: De Maizière sieht keine Tabus für Auslandseinsätze

(Ich bin ein großer Fan von Primärquellen.)

Leseempfehlung: Wochendbeilage der Süddeutschen Zeitung

Eine (verspätete) Leseempfehlung: Die Süddeutsche Zeitung hat an diesem Wochenende ihre ganze Wochenendbeilage den eigenen Volontären für das Thema Deutschland und seine Waffen freigeräumt. Absolut lesenswert – nicht zuletzt das Gespräch mit einem Entwickler von Diehl Defence, der sich (wie es im Text heißt) als einziger aus der Rüstungsindustrie dazu bereit erklärt hat.

Leider gilt hier: Print würgt – online scheint davon nichts/nicht mehr/noch nicht verfügbar (ein gestern von der SZ noch selber via Twitter verbreiteter Link führt heute ins Leere). Deshalb empfiehlt es sich, noch nach einem Papierxemplar der Süddeutschen zu suchen.

(Ich fände es recht unsinnig, wenn das Beharren auf Print bei einem schon am morgigen Montag nicht mehr verfügbaren Produkt dazu führen würde, dass diese ganze Arbeit im Wortsinne für den Papierkorb war. Aber das ist nur die Meinung eines online-affinen Einzeljournalisten.)

Erstmals weniger als 200 Generale

In den gut 20 Jahren seit deutscher Einheit und Ende des Kalten Krieges ist die Bundeswehr zwar von rund einer halben Million Soldaten (und zeitweise mit NVA-Eingliederung noch mehr) auf mittlerweile rund 200.000 und künftig 175.000+ Männer und Frauen geschrumpft. Die Zahl der Generale und Admirale blieb allerdings trotz aller Reduzierungen über der 200er-Marke – bis jetzt: Das neue Personalstrukturmodell 185 (benannt nach der künftigen Maximalgröße von 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten und mindestens 5.000, bis zu theoretisch möglichen 15.000 freiwilligen Kurzdienern) sieht noch 180 Dienstposten der Besoldungsgruppe B6 und höher vor. Bislang waren es 202.

Künftig stellt das Heer 89 Generale, die Luftwaffe 49. 24 Admirale soll es bei der Marine geben, 17 Generals- oder Admiralsposten im Sanitätsdienst und einen für MilGeo. Mit den Heeresgeneralen bekommen übrigens die Feldjäger ihren ersten goldenen Stern. Das PSM 185 sieht allerdings über die 180 Stellen hinaus bei Bedarf zusätzliche Generalsposten für internationale Stäbe vor – wenn z.B. in einem multinationalen Einsatz kurzfristig ein General gebraucht wird, um auf Augenhöhe mit den Verbündeten agieren zu können.

Die Generals-Reduzierung ist natürlich nur die auffälligste, aber nicht die wichtigste Neuerung in dem fast 200 Seiten starken Tabellenwerk. Die Details sind was für Kästchenkundekenner, eines aber springt ins Auge: Die massivste Reduzierung findet bei den Unteroffizieren statt – in diesem Bereich wird es künftig rund 27.000 Stellen weniger geben. Das hat ein paar gewichtige Gründe: Die Verschiebung des Berufsförderungsdienstes in die Zeit nach dem Dienst, aber vor allem der massive Abbau von Ausbilderstellen, weil zum einen keine Grundwehrdienstleistenden mehr eingezogen werden und zum anderen die Verpflichtungsdauer nicht zuletzt bei den Mannschaften steigt und damit pro Jahr weniger Ausbildungsbedarf besteht.

Fast 4.000 zusätzliche Dienstposten wird es dagegen für Mannschaften geben – vor allem beim Heer: Der Aufbau einer kampfstärkeren Infanterie soll auf diese Weise personell unterlegt werden. Und: dort sollen die Kompaniechefs künftig ihre Erfahrung länger nutzen können und später aus der Cheffunktion wegrotieren. Dafür sind dann auch 300 Majorsstellen (A13) vorgesehen, auf die diese Kompaniechefs aufgewertet werden.

(Da schon die ersten Anfragen kommen: Meines Wissens ist das PSM185 bislang nicht allgemein veröffentlicht.)

 

Mehr Abzug durch die Luft

Wenn Laien oder Politiker von einem Abzug aus Afghanistan reden, zucken Militärs zusammen. Muss es doch aus militärischer Sicht korrekt Rückverlegung heißen. Doch die Terminologie ist derzeit das geringste Problem für die Planer der Bundeswehr, die einen – noch nicht genauer definierten – politischen Auftrag werden umsetzen müssen, bis Ende 2014 möglichst viel Personal und Material vom Hindukusch zurückzuholen.

Bislang nämlich ist der Versuch dieser Planung für die Bundeswehr eine Aufgabe mit zu vielen Unbekannten, wie Vizeadmiral Manfred Nielson, Inspekteur der Streitkräftebasis und damit auch Chef der Logistiker, bei einem Gespräch mit Journalisten einräumte. Das fängt schon mit der Frage an, wie viel Gerät und Ausrüstung die Truppe über die vergangenen zehn Jahre in den Einsatz geschafft hat: Wir sind in der Phase, erst mal eine Bestandsaufnahme zu machenb, was in Afghanistan ist, sagt der Admiral. Bislang gebe es nur eine grobe Abschätzung – aber das gehe anderen Nationen genau so. Immerhin ist die Größenordnung bekannt: Rund 1.700 Fahrzeuge, etwa 6.000 Container. Für eine Rückführung in einem solchen Umfang haben wir keine Blaupause, gibt Nielson zu.

Archivfoto vom August 2009: Ein noch relativ leeres Camp Marmal – inzwischen stehen dort viel mehr Container …

Viel gravierender ist allerdings, dass die (politischen) Rahmenbedingungen noch nicht feststehen. Wie wird der Auftrag einer ISAF-Nachfolgetruppe am Hindukusch aussehen, mit wie vielen Soldaten in welcher Zusammensetzung ist die Bundeswehr beteiligt?

Und: wie viel und welches Material wird möglicherweise an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben? Die haben in den vergangenen Jahren schon mehrfach begehrlich den Finger gehoben – gerade bei Gefechtsfahrzeugen wie dem Schützenpanzer Marder, den sie allerdings kaum bekommen dürften.Bei manchem Gerät, manchem Container wird sich zudem die Frage stellen, ob der Rücktransport nach Deutschland noch lohnt oder ob die Transportkosten höher wären als der Restwert.

Absehbar ist nach Nielsons Worten allerdings jetzt schon eines: Viel mehr Material als zunächst geplant wird auf dem Luftweg Afghanistan verlassen – die Bundeswehr rechnet inzwischen, ähnlich wie die anderen ISAF-Nationen, mit einem Anteil von 50 bis 60 Prozent. Bei den US-Truppen war der ursprüngliche Ansatz von fünf Prozent Lufttransport auf ebenfalls mehr als 50 Prozent erhöht worden, nachdem die Landroute über Pakistan aus politischen Gründen praktisch nicht mehr infrage kommt. weiterlesen

Melden macht frei?

Die ärgerlichen bis wütenden Reaktionen, die das neue Meldegesetz mit seiner nun doch nicht vorgesehenen Neuregelung für Soldaten hervorgerufen hat, haben vermutlich die Innenpolitiker nicht erwartet und die Verteidigungspolitiker verpennt… (nur als Anhaltspunkt: der Eintrag hier im Blog hat inzwischen mehr als 60 Kommentare, bei tagesschau.de sieht es ähnlich aus.)

Kurz eine Zusammenfassung der Lage: Schon bislang galt die Regelung, dass – unverheiratete – Soldaten ihren Lebensmittelpunkt und damit ihren Hauptwohnsitz am Dienstort haben. Das sollte mit der Neufassung des Meldegesetzes, die am (heutigen) Donnerstagabend vom Bundestag beschlossen werden soll, geändert werden. Denn auch unter Soldaten gibt es, wie in der ganzen Bevölkerung, zunehmend nichteheliche Lebensgemeinschaften, ob mit oder ohne Kinder. Und Reduzierung und Umbau der Bundeswehr mit der Schließung zahlreicher Standorte, dazu die regelmäßigen Versetzungen, schicken immer mehr Uniformierte als Pendler auf die Auto- oder Eisenbahn.

Nun ist offensichtlich erst zu Beginn dieser Woche aufgefallen, dass die geplante Änderung im Gesetzentwurf der Bundesregierung wieder einkassiert wird und alles beim Alten bleiben soll. Denn sowohl die Länder hatten im Bundesrat der soldatenspezifischen Ausnahmeregelung widersprochen, als auch die Kommunen über ihre Kanäle zu Bundestagsabgeordneten. Belegen kann ich nicht, was ich aus dem parlamentarischen Bereich gehört habe, deshalb gebe ich das mit aller Vorsicht weiter: Die geplante Neuregelung soll nicht zuletzt in der Kommunalverwaltung des Groß-Standortes Munster mit auch künftig mehr als 5.200 Dienstposten für helle Aufregung gesorgt haben – als man sich den zu erwartenden verwaltungsrechtlichen Schwund an Mitbürgern mal vor Augen führte und die Konsequenzen durchrechnete.

Der CDU-Abgeordnete Reinhard Grindel, Mitglied im Innenausschuss, hat sich angesichts der wütenden Soldaten-Reaktionen am heutigen Donnerstag per Brief an den Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, gewandt (über diesen Brief hat auch tagesschau.de berichtet). Darin bittet der Parlamentarier um eine wahrheitsgetreue Kommunikation dessen, was wir heute im Deutschen Bundestag beschließen. (…) Um es klar zu sagen: für die Soldaten ändert sich gar nichts und ich habe die herzliche Bitte, dass der Bundeswehrverband keinen anderen Eindruck erweckt.

Nun ja, melderechtlich ändert sich für die Soldaten gar nichts. Aber es passt nicht mehr zur Lebensrealität …

Interessant ist vor allem die Argumentation des Abgeordneten:

Würde man bei unverheirateten Soldaten z.B. den Wohnort einer Lebensgefährtin zulassen, muss doch jedermann einleuchten, dass sich daraus sehr schnell Ungenauigkeiten in den Melderegistern ergeben können. Anders als bei Scheidungen erfahren die Melbebehörden nicht, wenn sich etwas in der persönlichen Situation eines unverheirateten Soldaten ändert. Damit ist eine Vielzahl von Ungenauigkeiten in den Melderegistern, die für die Behörden und nicht zuletzt für die Bundeswehr negative Auswirkungen haben, geradezu absehbar. Es gibt keine öffentliche Einrichtung, die so korrekt geführt werden muss wie das Melderegister.

Hm. Die Horden von Soldaten, die ihre Freundin verlassen und in die Illegalität ohne festen Wohnsitz abtauchen. Ein Horror für jede Verwaltung. Fast noch schlimmer als bei unverheirateten Abgeordneten.

Immerhin, auch wenn das Gesetz heute beschlossen wird, eine spätere Änderung ist ja nicht ausgeschlossen. Grindel bietet dem Bundeswehrverband an, nach der Sommerpause über eine Regelung zu reden, die die melderechtlichen Bedingungen entbürokratisierung, auf der anderen Seite aber gleichzeitig dafür sorgt, dass die Melderegister nicht ihre Richtigkeit verlieren. Für letzteres würde vielleicht die Verpflichtung reichen, sich bei Wohnsitzwechsel umzumelden? Steht vermutlich jetzt schon im Gesetz.

Nachtrag: Der Gesetzentwurf wurde am 28. Juni vom Bundestag angenommen, wie aus dem Plenarprotokoll hervorgeht.

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