Alles deutet auf Einsteigen. Aber: Abschied nehmen von einem sozialen Netzwerk? Diese Option ist nicht vorgesehen. Einmal drin, immer drin. Oder aber Selbstmord begehen – mit der Suicide Machine. Berliner Gazette-Autorin Sarah Curth denkt mal drüber nach.
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Während auf der CeBIT neue und alte Jünger des Internet zusammenkommen, um sich selbst und den Siegeszug der Vernetzung in einer orgiastischen Dauerparty zu feiern, bin ich es leid, das euphorisch gespielte, aber eintönige Webciety-Lied weiterhin mitzusingen. Ja, ich gestehe. Ich war süchtig nach Konnektivität.
Ich war mein halbes Leben hypervernetzt und ich wusste: das ist nicht gut. Vermutlich lag die Ursache in meiner Kindheit. In der Schule war ich nämlich Außenseiter, bis ich mich entschloss: Nie mehr uncool sein! Online gehen!
Bereits mit zwölf wurde ich ein Internetjunkie. Nächtelang saß ich starrend, hockend im Dunkeln, vor diesem flimmernden Ding und befriedigte meine Gelüste. Nein, keine Pornos oder illegal gedownloadete Serien. Ich brauchte mikrosekündliche Status-Updates meiner Freunde, wurde nervös, wenn kein neuer RSS-Feed reinkam und postete Fotos von Dingen, die mir nichts mehr bedeuteten.
Ich gab meinen 5376 Followern minütlich Futter. Immer live. In einer Hand das iPhone, in der anderen die Tiefkühlpizza: Gerade mal Essen machen. War ich nun Erbauer oder Sklave des Internet? Macher oder Gemachter? Sobald mein DSL down war, bekam ich einen Nervenzusammenbruch. Drogen halfen nie.
Alle waren drin, ich wollte raus
Irgendwann konnte ich nicht mehr. Ich wollte nicht mehr. Alle waren drin und ich wollte raus. Deshalb habe ich mich umgebracht, die Gegenrevolution gestartet, ein Zeichen gesetzt gegen alle Netizens und Trunkenbolde, die in der Eckkneipe Internet herumlungern. Dank der Suicide Machine verlor ich alles und gewann mein Real Life wieder. Für euch bin ich tot, aber ich fühle mich lebendiger als zuvor.
Auf der Straße bellt ein Hund. Ich muss aufs Klo.
14 Kommentare zu
https://berlinergazette.de/halfpipe-des-wissens/
Ich finde es interessant, dass dieses Thema im Netz inzwischen so ein großes DING geworden ist : )
gab WIRED vor vier Jahren zu Protokoll:
http://www.wired.com/science/discoveries/news/2006/04/70557
So wie ich das verstanden habe, hilft die Suicide Machine dabei, spurenlos aus social networks auszusteigen. Bei Facebook kann man ja sonst nur sein Profil deaktivieren, nicht aber löschen. (Da kann ich mich aber auch total irren, man möge es mir verzeihen.)
Die Gruppe hinter der Suicide Machine, WORM, wurde übrigens von Facebook rausgeworfen, und hat die Konsequenz gezogen: Öffentlicher Selbstmord als Protest - Seppuku, Mishima-Style. Video hier: http://vimeo.com/9532862
http://webevangelisten.de/top-100-twitterati-mit-aktiven-followern/
abgleichen.
@soul surfer: Das Klischee ist bewusst gewählt.
@mel: Das wäre auch eine Option, aber ich wollte das Rätsel so gern auflösen:)
@ccm: Das Ich im Text ist (bzw. war?) halt einfach cool!