“Ich hoffe du hast kein Aids oder Malaria mitgebracht!” Diesen Satz hat der Student und Berliner Gazette-Autor Anton Scholz nach seiner Rückkehr aus Afrika oft gehört. Krankheiten hat er nicht mitgebracht. Dafür aber viel Respekt für Eigeninitiativen der lokalen Bevölkerung. Er stellt das Projekt „Green Life“ vor und nimmt die sambische Ökonomin Dambisa Moyo ernst, die meint, der Westen sollte die Entwicklungshilfe (temporär) einstellen.
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Vor kurzem hatte ich das Vergnügen, eine fünfmonatige Reise von Kapstadt nach Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens zu machen. So entstand eine große Zuneigung für diesen Kontinent. Aber fast mehr noch bleibt der Schock darüber, was unsere aufgeklärte Welt sich für ein Bild von dem „Schwarzen Kontinent“ gebastelt hat.
Meine Ahnung hat sich bestätigt: Der Westen schafft sich mit seiner Konstruktion der dritten Welt eine Gegenfolie, um sich selbst zu legitimieren. Reaktionen wie „war das nicht gefährlich?“, „wie kamst du mit der Armut klar?“ oder „ich hoffe du hast kein Aids oder Malaria mitgebracht!“, erinnern mich an Fehlkonzeptionen wie „das dunkle Mittelalter“ und lassen mich darüber erschrecken, wie selbstgefällig wir sind.
An klimatisch schönen und gesellschaftlich sicheren Orten tummeln sich weiße Volunteers. Gerade aus der Schule gekommen, verbringen sie Luxusurlaub am Lake Malawi oder am Kilimanjaro. Während des Aufenthalts ist man vielleicht tatsächlich zum Mittagessen in irgendeinem Sozialprojekt, aber ansonsten geht man mit den anderen Entwicklungshelfern Kaffee trinken, sitzt im Internetcafé oder macht Safari. Leider bringt das alles nichts, außer dass in der Region allgemein die Preise steigen. Natürlich sieht so was gut auf dem Lebenslauf aus und vielleicht verbessert sich das Englisch im Umgang mit Norwegern, Holländern oder US-Amerikanern. Allerdings könnte man auch zu Hause einen Sprachkurs machen oder sich Elefanten im Zoo angucken – wäre das nicht billiger?
Stressfreiheit und Positivität lassen sich nicht kaufen
Ich merke wie ich zynisch werde: typisch deutsch! Wir sind nun mal arrogant und besserwisserisch. Schade, dass es uns in unserem Umgang mit Afrika nicht anders geht, denn würden wir den Menschen dort mal als Gleichgestellte gegenübertreten, könnten wir einiges von ihnen lernen. Zum Beispiel wie man glücklich lebt. Stressfreiheit und Positivität lassen sich nämlich nicht kaufen, man muss sie lernen und leben.
Abseits der Touristenautobahn kann man studieren wie Menschen miteinander leben und ohne Berührungsängste aufeinander zugehen. Als ich auf meinem Heimweg in Frankfurt zwischenlandete und nur sterile, wohlstandsverwahrloste Gesichter sah, fragte ich mich, warum wir es uns bloß so schwer machen.
Wir ruhen uns gerne auf unseren Weltbildern aus, die uns als Überlegene inthronisieren. Eine ähnliche Äußerung hörte ich auch von einer deutschen Journalistin der “taz”, die ich an der Grenze zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo traf. Sie sagte Deutschland sei vollkommen unterinformiert, was auch daran liegt, dass sie fast keine deutschen Kollegen in Schwarzafrika hätte.
Uns interessiert, an wie vielen Stellen Guttenberg abgeschrieben hat oder um wie viel Prozent Deutschlands Wirtschaft wächst. Die zeitgleiche Realität an einem von uns ignoriertem Ort ist uns egal, etwa die andauernden Massaker im Ostkongo. Das zeugt für mich einfach von Desinteresse und Ignoranz gegenüber anderen Menschen.
Geld zu spenden ist der falsche Weg
Natürlich stimmt es, dass Afrika krisengeschüttelt ist und die materiellen Lebensbedingungen in einigen Regionen menschenunwürdig sind. Nur sollten wir, denen es dahingehend besser geht, mal etwas genauer hinsehen wie wir damit umgehen. Geld zu spenden und somit sein Gewissen zu erleichtern ist meist der falsche Weg. Denn Gelder versickern und falls sie doch mal ankommen ist es sehr fragwürdig ob sie tatsächlich helfen. Denn das monetäre System funktioniert dort vielerorts einfach anders als bei uns – Geld ist zum Ausgeben gut, nicht zum Sparen oder Anlegen. Dort wo das Geld tatsächlich im Sinne des Spenders angelegt wird, sind die Ergebnisse oft ernüchternd.
Das haben mir von außen finanzierte Projekte gezeigt, die zwar einige Privilegierte unterstützen, die Sozialstruktur aber verändern .Sie zerstören auch ein soziales Auffangnetzwerk, das es trotz Armut allen ermöglichte durch Gemeinschaft irgendwie über die Runden zu kommen.
Eigeninitiativen der lokalen Bevölkerung scheinen noch am nachhaltigsten zu sein. In Gitega, einer Stadt in Zentralburundi, wird das eindrucksvoll demonstriert. Ein Projekt namens Green Life hat sich zum Ziel gesetzt, für die Horden von Straßenkindern als Bezugspunkt zu dienen. Das immer noch von Bürgerkrieg gebeutelte Land ist dann doch noch zu gefährlich für viele NGOs und daher fruchtbarer Boden für Selbsthilfeinitiativen.
Keine Hilfe für Selbsthilfe
Viele Menschen starben in den letzten Jahrzehnten durch Aids und Krieg und dieser demographische Wandel hat dazu geführt, dass viele Kinder ohne Familie auf der Straße leben. „Green Life“ veranstaltet Trommelworkshops, Sportevents und bietet den Kindern warme Mahlzeiten an. Jeder ist willkommen, es gibt keinerlei Auflagen und sie brauchen kaum Geld. Außerdem hat das Projekt sich der Nachhaltigkeit verschrieben. Beispielsweise erfanden einige Mitglieder eine getöpferte Vorrichtung, die das Kochen mit Holzkohle effizienter macht und somit die Abholzung im Land eindämmt.
Die sambische Ökonomin Dambisa Moyo sagt, dass die reiche Welt ihre Hilfe für einige Zeit einfach weglassen solle, damit Raum für eigene Entwicklungsmodelle entstehen könne. Abgesehen von temporären Notlagen, bei denen dann die Staatengemeinschaft eingreifen muss, halte ich das für eine gute Idee. Denn vor der Kolonialzeit konnten sich die Menschen dort auch selbst ernähren.
Neokoloniale Abhängigkeiten Afrikas gegenüber dem Westen zerstören viele eigentlich gut funktionierende Eigendynamiken lokaler Kulturen. Vielleicht führt ein Raushalten unsererseits zu einem erstarkendem Selbstbewusstsein der afrikanischen Identität.
Momentan lässt Afrika sich einfach noch zu sehr ausbeuten. Es wird von uns als Ressource, Müllhalde und Selbstlegitimation missbraucht. Dabei könnte es Vorbild und Partner sein. Das von uns hypokratisch hochgetragene Ideal der Selbstkritik könnte bei echtem Gebrauch zu einem besseren Verständnis für diesen wunderbaren Kontinent dienen. Und Leiden auf beiden Seiten verringern.
Anm. d. Red.: Alle Fotos stammen von Lisa Wiese (by-nc-sa).
8 Kommentare zu
meinen Respekt für ihren Artikel und die Klarheit ihrer Ansagen.
Was ich an ihrem Artikel besonders interessant fand, war das, was die sambische Ökonomin Dambisa Moyo fordert.
Es entspricht exakt den Erkenntnissen, die in den 70ger Jahren gemacht, allerdings nur selten umgesetzt wurden. Die Entwicklungshilfe war zu dieser Zeit überwiegend das Produkt europäischer Arroganz und kultureller Dummheit. Wellblech gedeckte Siedlungen und still verrrottende Landwirtschaftsmaschinen, für die es keine Ersatzteile gab, geschweige denn Treibstoff, der zu teuer für diejenigen wurde aus deren Ländern das Rohöl kommt, sprechen für sich.
Wir haben diesen Menschen ihre Identität und ihre Kulturtechniken genommen und durch Bedürfnisse ersetzt, die sich nicht erfüllen lassen, es sei denn für die Aasgeier von Politiker und ihre Schranzen, die ihr eigenes Volk jeweils um des persönlichen Luxus Willen betrügen.
Ich bin der Überzeugung, dass Afrika und seine Bewohner eine Chance hätten, wenn wir diesen Kontinent nicht mehr für unsere Zwecke missbrauchen würden.
Vielleicht aber auch einfach Selbstschutz.
Und vielleicht ist das auch fast eher Problem der Medien, die der Dreh- und Angelpunkt zum Aufzeigen von solchen Massakern sind.
Arthur Zaasa (C.S. Jinja - Uganda)
Das Konzept der "Unterbindung finanzieller Unterstützung zur Förderung der Eigeninitiative" ist wahrscheinlich auch in höheren politischen Kreisen schon länger bekannt.
Das Problem ist wahrscheinlich die Befürchtung, dass bei einem Scheitern des Projekts auch nur in Teilen, z.B. weil sich das Leben in einigen Regionen schon seit Jahrzehnten auf die feste finanzielle Unterstützung ausgerichtet hat oder aus anderen beliebigen erdenklichen Gründen, niemand die Verantwortung übernehmen, sein Gesicht verlieren wollen und dies vor seinem eigenen Volk und den anderen Spender-Ländern zugeben würde.
Es mangelt also unter Umständen an Risikobereitschaft den selbst erzeugten Teufelskreis zu durchbrechen, da es einfacher ist sein Gewissen mit Spenden zu erleichtern und sich zu Ignoranz zu zwingen.
Die Lösung wäre eine Absprache aller politischen Köpfe und Völker untereinander, um sich das besagte Vorgehen gegenseitig zu legitimieren.
Das würde wahrscheinlich leider nie passieren...
Geleistete Entwicklungshilfe basierte bisher ist nicht nur auf naturellen Katastrophen sondern ist auch die zwangsläufig notwendig gewordene Folge Jahre langer systematischer Einmischung in den sonst wohl "normalen" Entwicklungsprozess Länder Afrikas, sie stellt zu einem hohem Prozentsatz leider "Gutmachungs-Versuche" für so begangene Fehler dar. Ein Kreislauf, aus dem auch unser Land schon aus Pietätsgründen eigentlich nicht herauskommt und welcher vielleicht erst unterbrochen bzw. in seinem Lauf geändert wie beeinflusst werden könnte, durch eine Einstellung von politischen Einmischungen und auch Ausbeutung.
Bei einem jetzigen Stopp ist klar, dass viele Systeme afrikanischer Länder ohne humanitäre Hilfen schlagartig zusammen brechen und dadurch eventuell ganze Völker "eliminiert" würden, die betroffenen Länder würden im Gegenzug wohl auch gewaltsam antwortend weitere Ausbeutungen z.B. ihrer Bodenschätze stoppen, was wohl auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft wie ja landestypische industrielle wie pharmazeutische Produktionsstätten hätte und auch so mancher mit von Entwicklungsgeldern abgezweigten Mitteln gefütterte Wasserkopf sogenannter Hilfsorganisationen dürfte gewaltig schrumpfen und als ein Nebeneffekt die hiesige Arbeitslosenquote erheblich anwachsen lassen. Auf der anderen Seite würden sich uns in Folge wohl sehr viel mehr Bilder und Berichte von sich gegen Regime erhebenden afrikanischen Völkern - wie in der Vergangenheit aus Ländern Nordafrikas - erschüttern. Auch die Fauna wäre noch stärker betroffen und von manchen Tierarten würde es wahrscheinlich dann in naher Zukunft lediglich noch mediale Dokumentationen ihrer Existenz geben. Gestoppte Bewässerungs- und Landbewirtschaftungsprojekte hätten ein regelrechtes "Verjungeln" bzw. "Verwüsten" großer Landstriche zur Folge, was auch wiederum Einfluss auf klimatische Entwicklungen nähme... Egal von welchen Aspekten her betrachtet - sowohl die "Für" wie auch "Wider" ließen Entwicklungshilfen überhaupt nicht stoppen.