Das größte soziale Netzwerk der Welt, Facebook, steht unter Beschuss. Künstler starten kritische Projekte; Statistiker errechnen, wie viele Menschen eine Alternative herbeisehnen. Zuletzt haben Aktivisten eine Kampagne gestartet: Am 31. Mai soll auf Facebook der Exodus abgeschlossen sein. Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki ist am überlegen: Sollte er diese Deadline ernst nehmen? Oder diesen Termin als eine Art Feiertag betrachten, der dieses Jahr in die Geschichte eingeht?
Mehr als zwei Drittel der 400 Millionen Facebook-Nutzer wollen eine Alternative. Ganze 16.000 Menschen sagen auf der facebook-day-Webseite: Ya Basta! Doch wie wichtig ist es, wie viele Menschen sich ein Leben ohne Facebook vorstellen können? Reicht es nicht, dass es überhaupt Menschen gibt, die auf die Missstände in diesem sozialen Netzwerk aufmerksam machen?
Ich selbst habe mich noch nicht entschieden. Wahrscheinlich werde ich nicht gehen. Vielleicht kann ich ja etwas dazu beigetragen, dass sich in diesem Netzwerk etwas ändert. Dass mehr Menschen beginnen, kritisch mit der Kommunikationsarchitektur umzugehen, statt weiterhin einfach nur digital vernetzt Tee zu trinken. Dass weniger Menschen die Augen schließen, wenn die persönlichen Profile aller Nutzer verscherbelt werden.
Medienaktivist auf Facebook
Nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung, bin ich seit einigen Monaten die meiste Zeit damit beschäftigt, Statusmeldungen der folgenden Art zu posten: The Man Who Looked Into Facebook’s Soul; Facebook Wants to Be Your One True Login; Facebook’s Gone Rogue: It’s Time for an Open Alternative; Facebook’s Eroding Privacy Policy: A Timeline; The Facebook Privacy War: What is Personal Data?; The Evolution of Privacy on Facebook.
Kürzlich schrieb sich mein Facebook-Freund Ulf Schleth, Gründer von The Thing Berlin und Betreiber von einsnull, in die Kommentarebene meiner Postings. Sein Anliegen: subscribe if you want ulf schleth to create an alternative to facebook. Abgesehen davon gibt es bereits zahlreiche Alternativen: Pip.io, Diaspora (kürzlich von Spreeblick empfohlen), Ning (auf der letzten re:publica von Geert Lovink empfohlen), One Social Web, A Small World, Bebo, FolkDirect, Virb, Story of My Life, Netlog, u.a.
Warum also nicht Facebook verlassen und umziehen am 31. Mai? Oder sollten wir stattdessen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg Glauben schenken, der gesteht, er habe Fehler gemacht und wolle künftig mehr auf die Nutzer hören? Gutgläubig oder nicht, könnte man sich künftig einen guten Scanner besorgen, zusätzlich ein paar Sicherheitstipps beherzigen und… Medienaktivist auf Facebook werden. Der 31. Mai wäre aus dieser Perspektive eine Mischung aus Feiertag und Kampftag, ein Termin für Party und Protest.
25 Kommentare zu
Erhöht man die Privatsphäre Einstellungen oder verteilen sich die User auf dutzende Communities, haben wir genau das was wir schon seit 15 oder mehr Jahren durch Email, Chat, Homepage, Adressbuch haben.
Kann echt nur gähnen, wenn ich sehe das Aktivisten oder Künstler mal wieder dem letzten technischem (es ist nicht mehr) Trend hinterherhecheln und dies gar nicht merken. Es ist nicht neu ud ändert auch nichts. Das was es leistet gibt es seit langem, bloss dass dies nie transparent war, weil es sich in verschiedenen Chatplatformen, Emailanbietern, Webseiten versteckt hat. Jetzt ist es transparent und genau das wird als Mangel dargestellt, von "aufgeklärten", "kritischen" Usern. Wer aufgeklärt und kritisch ist, benutzt so einen Schrott nicht.
Alternatives Facebook halte ich für Schwachsinn, alternative soziale Netzewerke zu benutzen ist ein Statement, wenn man das so will.
meine auslassungen sind nicht so wichtig, dass ich mich ernsthaft beobachtet fühlte.
In Open 19, the concept of privacy is examined and reconsidered from the legal, sociological, media theoretical and activist perspectives. The focus is not so much on deploring the loss of privacy, but taking the present situation of ‘post-privacy’ for what it is and trying to gain insight into what is on the horizon in terms of new subjectivities and power constructions.