Bei aller genetisch bedingten Wucht meines Auftritts und gern zelebriertem, politisch unkorrektem Machismo, muss ich zugeben: Auch ich besitze sie, diese kleinen Aengste, die mit feingliedrigen, kalten Echsenhaenden, dann und wann nach mir greifen.
Eigentlich sind es derer nur sehr wenige, denn im Gegensatz zu meinen Freundinnen fahre ich ausgesprochen gerne Aufzug, durchstoebere munter auch dunkelste Parkhaeuser, pfeife in Autowaschanlagen ein froehliches Lied, kein Seegang ist mir zu hoch und meine Leidenschaft fuers Fliegen lebt mit jeder Luftturbulenz nur noch mehr auf.
In meiner Kindheit pflegte ich eine huebsche Arachnophobie, die es mir in Kombination mit meiner ueberbordenden Phantasie unmoeglich machte, in einem Raum in Anwesenheit einer Spinne zu schlafen. Ich war mir aeusserst sicher, Tarantula am naechsten Morgen direkt auf meinen Augen sitzend, in schauriger Grossaufnahme zu erblicken. Oder beim Oeffnen meines Mundes einige tausend Exemplare aus meinem ausgehoehlten Koerper entweichen lassen zu muessen. Geheilt, oder zumindest deutlich gelassener, machte mich die groesste Therapeutin aller Zeiten, die da Leben heisst.
Die ersten vier Semester meines Studiums verbrachte ich in einer Gartenwohnung, als Mitbewohner von sicher einigen hundert Spinnentieren aller Groessen, die mir oft und gerne aus Abfluessen und Schraenken heiter entgegen sprangen. Auf tropischen Reisen stellte das allabendliche, blitzschnelle Verschwinden riesiger Kakerlaken unter meinem Bett, direkt nach Einschalten des Lichtes, eine praegende Erfahrung dar. Irgendwann zuckt auch die groesste Phobie nur noch mit den Achseln. Bliebe da einzig ein weiterer Klassiker: Die Akrophobie!
Eine bei mir klassisch asymmetrisch ausgepraegte Angst. Irrational durch und durch. Berufsbedingt durfte ich schon mit manch abenteuerlichem Teufelsmoebel durch die Luefte sausen und filmen. Pure Euphorie! Doch das Besteigen einer Haushaltsleiter, zum Anbringen von Vorhaengen zum Beispiel, kann fuer mich schnell zur unvorstellbaren Mutprobe auswachsen. Ein Blick ueber die Bruestung eines Kirchturms oder von einer hohen Klippe loesen bei mir zusaetzlich noch einen unguten Impuls aus, den Edgar Allan Poe so vortrefflich mit >Geist des Boesen< beschrieb. Dieser unheimliche Magnetismus des Abgrundes.
Doch auch fuer dieses Problem wusste meine Lieblingstherapeutin einen guten Rat: Konfrontationstherapie lautete das bewaehrte Rezept! Unvorsichtigerweise nahm ich vor einigen Wochen den Auftrag an, sogenannte Wingsuit Jumper in hochalpinem Terrain zu filmen. Das sind Menschen, die mit einer Art Fledermausanzug von Bergen springen und wie ein Vogel im Sturzflug zu Tal rasen. In letzter Sekunde ziehen sie einen Fallschirm und landen so zumeist sicher am Boden. Schoene Sache. Erst vor Ort in der Schweiz realisierte ich, was das alles fuer mich persoenlich bedeuten wuerde. Sicher, das Bergsteigen bliebe mir erspart, einer der von mir so geliebten Helikopter wuerde uns alle spektakulaer hinauf auf den Gipfel schaffen.
Als mir der offizielle Bergfuehrer unserer Expedition an der Hubschrauberstation im Tal dann jedoch einen Klettergurt anschnallte, erklaerte er mir dabei erstmals winzige, fiese Details. Unser Ziel befand sich knapp unterhalb 3000 Meter Hoehe auf einem winzigen, abschuessigen, tief verschneiten Plateau. Der Hubschrauber wuerde nicht landen koennen, sondern nur mit einer Kufenspitze schwankend aufsetzen, dann muesse man herausspringen und sich sofort flach auf den Boden werfen, um nicht von den Rotorblaettern gekoepft zu werden. Sorgsam angeseilt, solle man sich langsam an die Hoehe gewoehnen. Anschliessend sei noch ein Fussmarsch ueber einen Berggrat zu absolvieren, den man als Seilschaft gemeinsam bewaeltigen werde, langsamen und vorsichtigen Schrittes, denn die Luft sei duenn in der Hoehe und der Schnee sehr tief.
Am Plateau angelangt, so hiess es, wuerde man an in den Fels geschlagenen Haken mittels Karabiner befestigt und duerfe sich nur nach Abstimmung mit dem Bergfuehrer bewegen. Schliesslich ginge es ja an der Absprungkante der Wingsuit-Springer 800 Meter im freien Fall nach unten und man selbst habe ja schliesslich keinen Fallschirm, nur eine Kamera. Durchaus einleuchtender Gedanke. Nebenher erwaehnte er die zwei Dutzend immer noch vermissten Leichen, die dort ueber die Jahre im Gelaende verschwunden seien. Was soll ich sagen, der gute Mann hat leider nicht gelogen. Mit keinem Detail. Nachdem ich einige Tage auf dem Bergplateau augenscheinlich ueberleben durfte, bin ich nun guten Mutes, bald auch das groesste aller Abenteuer im Leben eines Mannes anzugehen: Das Anbringen meiner neuen Deckenlampe!
9 Kommentare zu
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Natürlich setze ich mich nun sofort zur Ruhe und lese nur noch deine Bücher, da ich aber schnell lesen kann, wirst du noch um so schneller schreiben müssen! Nur zu!