• Im Club der toten Dichter

    Einige Leute aus meinem Umfeld sind aufrichtig begeistert darueber, dass ich ein Buch geschrieben habe. Andere wiederum unverhohlen desinteressiert. Wie bei Herr Lehmann, als Karl alias Detlev Buck seinen Freunden voellig aus dem Haeuschen erzaehlt, dass er demnaechst eine Ausstellung in Charlottenburg hat, und einer nur brummt: Och nee, muessen wir dann dahin fahren?, woraufhin das Thema gewechselt wird. Das war jetzt natuerlich uebertrieben. Aber bei manchen habe ich tatsaechlich das Gefuehl, dass sie damit gar nicht umzugehen wissen. Gilt natuerlich nicht fuer die richtig wichtigen Freunde. Und in meinem Leben haben sich eher die kleinen Dinge veraendert. Ich bekomme jetzt Zugtickets erster Klasse und so. weiterlesen »

  • Ausgrabungsstaette Kino

    Mit fuenf oder sechs Jahren bin ich zum ersten Mal in meinem Leben ins Kino gegangen. Es lief ein Film aus der Winnetou- Reihe, ich kann mich nicht erinnern, welcher. Mein Bruder nahm mich an die Hand und wir stellten uns in die lange Schlange vor dem Capitol-Kino in Pritzwalk an. Alles war ungeheuer aufregend und neu fuer mich. Wir setzten uns in die Mitte des Saals und als der Film dann losging war ich ueberwaeltigt von den wunderschoenen Landschaften, den fremd aussehenden Menschen und der fesselnden Musik. Das war ein Erlebnis! weiterlesen »

  • In auswaertigen Aemtern

    In Berlin ist es sehr schwer, die Geschichte der Stadt zu ignorieren. Ich habe mich oft so gefuehlt (und fuehle mich auch heute noch oft so), als haette ich nicht genug Kenntnisse und auch keine emotionale Bindung zu den Geschehnissen der Vergangenheit hier in Berlin. Dann fing ich an, mir ueber die Teilnahme meiner Grossmutter bei den olympischen Spielen 1936 in Berlin Gedanken zu machen. Ich wusste, dass sie im finnischen Frauengymnastik-Team gewesen war, welches bei den Spielen eine Performance aufgefuehrt hatte – aber mehr wusste ich nicht. Ich wurde neugierig, denn immerhin hatte sie so oft von ihrer Vergangenheit erzaehlt – warum wusste ich dann nicht mehr ueber ihren Aufenthalt in Berlin? weiterlesen »

  • 1979

    Im Rahmen des ErsatzStadt-Projekts zu staedtischem Alltag im globalen Massstab zeigt Kabul/Teheran 1979ff ueber 60 Dokumentar- und Spielfilme aus dem Iran und Afghanistan und hat hierzu ueber zwanzig RegisseurInnen und SchauspielerInnen, Exilierte und Zurueckgekehrte eingeladen. Uns interessiert hierbei die staedtische Gesellschaft in Kabul und Teheran, die Lage der afghanischen Fluechtlinge, die Funktionalisierung der prekaeren Situation von Frauen und die Rolle des Kinos in beiden Laendern. Wir markieren den Uebergang auf das Jahr 1979 und folgende: Mit dem sowjetischen Einmarsch eskaliert der Buergerkrieg in Afghanistan, waehrend im Iran der Schah gestuerzt wird und die islamische Republik entsteht. weiterlesen »

  • Wolfsburg liegt am Gardasee

    Wer den Geist der Autostadt sucht, kann einen kleinen Huegel unweit der Stadt Salo besteigen. Dort findet der Gestaltungs-Archaeologe einen Themenpark der Fahrzeug-Technik, der unschwer als die Maquette der Selbststilisierung fuer den Volkswagen-Konzern zu erkennen ist. Von Gabriele d´Annunzio, poeta aviatore, erdacht und zusammen mit dem Architekten Giancarlo Maroni ausgefuehrt, ist das nach dem italienischen Koenig Il Vittoriale genannte Gelaende eine Keimzelle politischer Landschaftsarchitektur. Man moechte glauben, dass so etwas nur in einer Zeit entstehen kann, wenn die Luft schwirrt von den Rufen nach Neuen Menschen. weiterlesen »

  • Mathe als Prosa

    Das Buch ist eigentlich als Umweg um ein anderes Buch herum entstanden, als grotesk ausgewachsene Abschweifung: die Absicht bestand schon laenger, einen romanhaften, biographischen Versuch ueber den Physiker Paul Dirac zu schreiben, um an diesem Beispiel aufzuzeigen, inwieweit Modernisierung, Neuzeit und Gegenwart mit der Mathematisierung nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der uebrigen Erfahrungsweisen zusammengehen, und inwieweit gerade nicht. weiterlesen »

  • Mars-Show

    Anzug, Krawatte, leicht angegraute, kurze Haare. Dem Aeusseren nach koennte Giorgio Gaviraghi als braver Beamter durchgehen. Aber eine feinsinnige Mimik, eine irgendwie vornehme Nervositaet und eine ruhige, souveraene, aber manchmal gezielt anhebende Stimme lassen den Zuhoerer aufmerken. Auf den Folien Balkendiagramme, Marketingschlagwoerter, average contacts per pipapo. Eine Neuauflage der New Economy? weiterlesen »

  • Minusvisionen

    1968 erscheinen die Bottroper Protokolle in der Edition Suhrkamp. Arbeiter, Angestellte, aber auch ein Pfarrer und ein Beat-Saenger schildern ihren von einer Zeche und deren Stillegung gepraegten Alltag. weiterlesen »

  • Das Auto in schwuler Hand

    Ein am Strassenrand stehendes Auto, ein aufgeregtes Warnblinklicht und eine ratlose, um Hilfe suchende Person lassen fuer gewoehnlich auf eine Frau schliessen. Doch die Zeiten haben sich geaendert. Wenn schon von weitem rosa Pluesch oder ein Regenbogenaufkleber das Auto ziert, muss man mit einem Schwulen rechnen. Dieser Typus des Schwulen, kann mit einem Auto soviel anfangen, wie ein Hetero mit Prossecco: weiterlesen »

  • Ikone der New Economy

    Eric Packer, der Protagonist von Don De Lillos, Cosmopolis ist ein erfolgreicher und steinreicher Vermoegensverwalter. Beispielhaft verkoerpert er den sloganhaften Titel des US-amerikanischen Managermagazins Forbes vom 27. Dezember 1999: Everyone Ought to be Rich. Als der Vorzeige-Entrepreneur an einem Tag im April 2000 seinen Arbeitstag beginnt, hat dieses eindringlichste aller Versprechen der New Economy noch nichts von seiner Strahlkraft verloren: Alle tuefteln in ihren Garagen an visionaeren Produkten, um am naechsten Tag an die Boerse zu gehen. Alle koennen in der IT-Branche ueber Nacht zum Internetmillionaer werden. weiterlesen »

  • Das ausgebliebene Ende

    Marshall McLuhan verkuendete 1964 das Ende des Autos. Der sonst treffsichere Amerikaner hatte sich beim magischen Kanal Auto verschaetzt. Das mit dem Untertitel Die mechanische Braut versehene Kapitel endet mit der Prophezeiung, dass im naechsten Jahrhundert das alte Auto vom Elektroauto abgeloest werde. Wie falsch diese Vorhersage war, verdeutlicht die Tatsache, dass zehn Jahre nach der Niederschrift seines Buches die Oelkrise Gruende genug geliefert haette zu einer umfassenden Infragestellung des PKW mit Verbrennungsmotor. Doch exakt jene Krise erschien in der Kommentierung durch die Massenmedien wie eine gesellschaftlich ubiquitaere Beziehungskrise. Sie machte deutlich, wie sehr sich Mensch und Auto mittlerweile liebten. Eine Trennung stand nicht zur Diskussion. weiterlesen »

  • Supplement.03 Editorial

    Guten Tag,
    wie jedes Jahr, gibt es auch 2003 in der Berliner Gazette den Zyklus Supplement. Das heisst: wir simmulieren Beilagen unterschiedlicher Medien. Bislang hatten wir uns Fernsehzeitschriften, Lifestyle- und Frauen-Magazine vorgenommen, stets mit der Frage im Hinterkopf, wie in diesen Zusaemmenhaengen ein elektronisches Supplement aus dem Herzen der deutschen Hauptstadt aussehen koennte. Dieses Mal haben wir uns drei Maennermagazine ausgesucht, wenn man so will. Ein Auto-, ein Wirtschafts- und ein Kulturmagazin. weiterlesen »