McDEUTSCH
In Deutschland diskutiert man im Parlament, in der Popmusik und in den Schulen über den richtigen Gebrauch der deutschen Sprache sowie über ihre Bedeutung als nationale Identitätsprothese. Doch ist aus dem vermeintlich deutschen Kulturbesitz nicht längst ein globales Gemeingut geworden? Der Berliner Gazette e.V. befragte dazu im Jahr 2006 Kulturschaffende aus über 20 Ländern im Rahmen des durch die Kulturstiftung des Bundes geförderten Dialogprojekts „McDeutsch“.

Die gleichnamige Buchpublikation, erschienen im Kulturverlag Kadmos, bündelt sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache 24 der insgesamt 50 Protokolle, die im digitalen Mini-Feuilleton berlinergazette.de erschienen. Auf dieser Grundlage werden in Kooperation mit diversen Institutionen Konzepte entwickelt, um die Fragestellungen des Projekts einer internationalen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
  • In Vergessenheit geraten

    Ich will mich mal so ein bisschen an meiner Biographie entlang hangeln: In Karlsbad geboren, als 3jaehriger nach Bayern gekommen – da hat man schon gleich mit drei Sprachen zu tun. Hochdeutsch, Tschechisch, Bairisch. Tschechisch konnte ich nur ein paar Brocken ueber meine Eltern (und auch nicht die vornehmsten Woerter), Bairisch lernte ich wohl oder uebel, und dann gerne fuer mein Umfeld, und Hochdeutsch mit bairischem Akzent war die Ueberlebenssprache. Dann kamen im Humanistischen Gymnasium die toten Sprachen hinzu, und schliesslich zum obligatorischen Englisch ein reichhaltiges Angebot an Wahlfach-Sprachen (Italienisch, Franzoesisch, Russisch), die ich anlernte (und nie auslernte). Mit den Sprachen nimmt man ja auch mehr oder weniger von der Kultur eines Sprachraums mit. weiterlesen »

  • Eine Frage des Bodens

    Gemeinsam mit meiner Frau Alice Atieno und unseren vier Kindern lebe ich am Rand von Nairobi in einem Ort namens Kahawa Sukari. Es ist ein grosses Stueck Land, das sich die Menschen von der Savanne zurueckerobert haben. Mittlerweile leben hier ueber 20.000 Menschen, darunter viele Beamte aber auch viele Arme. Letztere hausen in Slumsiedlungen, die in den letzten Jahren entstanden sind. weiterlesen »

  • Im Verschwinden begriffen

    Ich bin Russlanddeutscher. So eine Art Halbblueter. Deutsch koennte eigentlich meine zweite, oder auch erste, Muttersprache sein. Aber meiner Generation wurde die Muttersprache meiner Eltern leider nicht mehr beigebracht. Immer wenn ich in meiner Kindheit mit meinem Vater im Haus meiner deutschen Oma zu Gast war – meistens in der Urlaubszeit – kam ich mit der deutschen Sprache in Beruehrung. Alle sprachen untereinander Deutsch. Es war die Sprache, die sie am besten beherrschten und der sie am naechsten standen. weiterlesen »

  • Linguistische Grenzverschiebungen

    Ich leite seit 2002 das Goethe-Institut in den Palaestinensischen Gebieten. Unser Institut ist in Ramallah, dem politischen und geistigen Zentrum Palaestinas. Ramallah ist bei weitem nicht die groesste palaestinensische Stadt sondern nur etwa so gross wie Giessen. Die groessten Staedte sind Nablus, Al-Khalil (Hebron) und Gaza. Zumindest in Gaza veranstalten wir auch Sprachkurse und Kulturprogramme. Das Goethe-Institut Ramallah bildet seit Sommer 2004 mit dem Centre culturel francais das Deutsch-Franzoesische Kulturzentrum. Was unsere Sprach- und Programmarbeit erschwert, sind die Bedingungen der Okkupation unseres Gastlandes durch ein anderes Land. Checkpoints, Mauern und Strassensperren bestimmen das Leben. Unseren StudentInnen und Partnern ist das Recht auf Freizuegigkeit weitgehend verwehrt, und der Besuch eines Sprachkurses kann da leicht zu einer Odysee werden. weiterlesen »

  • Chinesisch, Japanisch – alles das Gleiche

    Ich bin ein unabhaengiger Filmemacher, Autor und Produzent, der sich in Mexiko-Stadt, dem Distrito Federal, niedergelassen hat. Ich lebe in der Innenstadt, und zwar in einer Gegend, die Zona Rosa genannt wird. weiterlesen »

  • Sanfte Parallelvergesellschaftung

    In Alanya, etwa vier Kilometer vom Zentrum und hundert Meter vom Meer entfernt, lebe ich seit 2002. Jeder Tag laeuft anders ab als ich es plane. Unter normalen Umstaenden haelt das kein Mensch aus, sollte man denken. Aber es ist moeglich. Allein nur, wenn ich morgens auf mein Dolmus, mein Sammeltaxi, warte und das blau-tuerkise Meer sehe und es in vollen Zuegen auch einatmen kann, dann bin ich vollgetankt mit Energie, offen fuer den Tag und das, was er zu bieten hat. Auch die Europaeer, die hier leben, sind von dieser Stimmung infiziert. Im taeglichen Umgang merkt man: Wer stur Termine einhalten will, ist hier am falschen Platz. Wer beim Kunden kurz angebunden nur abkassieren und weiter ziehen will, bekommt den Vorwurf zu hoeren: Wo bleibt die menschliche Beziehung? Sie haben nicht mal Zeit, mit uns einen Tee oder Kaffee zu trinken und zu plaudern. Deshalb moechte ich an dieser Stelle behaupten, dass die Menschenrechte im tuerkischen Volk in dieser Hinsicht verwirklicht worden sind. weiterlesen »

  • Deutschland ist überall

    Ich lebe in Austin Texas, der Hauptstadt des Staats mit dem Lonely Star. Ich arbeite in Cedar Creek Texas auf dem Lande, ueber 35 Meilen von Austin entfernt, beim Hyatt Regency Lost Pines Resort and Spa, das am 1. Juni 2006 seine Pforten geoeffnet hat. weiterlesen »

  • Die unsichtbarste Minderheit

    Ich wohne in einer Vorstadt von Melbourne, etwa 15 km von der Stadtmitte entfernt in einem einstoeckigen Einfamilienhaus mit meiner Frau Irene. Unsere 25-jaehrige Tochter Joanna wohnt seit Beginn des Jahres nicht mehr zu Hause, verbringt aber noch viel Zeit bei uns. Wir haben sie zweisprachig erzogen. Ich spreche seit ihrer Geburt immer auf Deutsch mit ihr, meine Frau, die kein Deutsch spricht, aber durch die Immersionserfahrung zu Hause vieles verstehen kann, dagegen immer auf Englisch. weiterlesen »

  • Schwindende Beruehrungspunkte

    Ich pendle zwischen Mexiko Stadt und Los Angeles hin und her. Wenn ich in Mexiko Stadt bin, dann lebe ich in einer sehr zentralen und belebten Nachbarschaft, in der ich auch aufgewachsen bin. In diesem Viertel findet man alles, was man zum Leben braucht, weshalb ich meistens zu Fuss oder mit dem Rad unterwegs bin. Manchmal benutze ich auch oeffentliche Verkehrsmittel, wenn ich weiter weg muss. Mein Leben in dieser Stadt ist ziemlich gesellig. In Los Angeles hingegen, lebe ich recht isoliert in einem Haus da ich, um mich fortzubewegen, vollkommen abhaengig vom Auto bin. Zum Glueck habe ich ein Studio, das nicht weit von meinem Haus entfernt ist. Wenn ich in Los Angeles bin, dann verbringe ich die meiste Zeit damit, zusammen mit meiner Frau im Garten herumzuhaengen oder im Studio zu arbeiten. Ich gehe dort nicht sehr viel aus. weiterlesen »

  • Lost in Translation

    What can I say? Mir fehlt manchmal das richtige Wort. Ich habe mich vor kurzem mit Freunden in einem mexikanischen Restaurant getroffen. Unter uns gab es zwei Mexikanerinnen, eine Deutsche, einen Chilenen, und mich, die Deutsche und Amerikanerin. Mit Isabel redete ich hauptsaechlich auf English, manchmal kurz auf Deutsch, mit Ursi meistens auf Deutsch, aber auch kurz auf Englisch, mit Isabels Schwester nur Englisch, mit Rodrigo nur Deutsch, und zur gleichen Zeit nahm ich mir vor, so viel wie moeglich auch die vielen spanischen Ausdruecke mitzubekommen. Zum Glueck haben wir nicht auch noch franzoesisch geuebt. weiterlesen »

  • Transnationales Kulturarchiv

    Wenn in deutschen Medien von Sprache und Globalisierung die Rede ist, geht es zumeist um die wachsende Dominanz des Englischen. Doch auch im Bereich der Sprache gilt, was Globalisierung im Ganzen charakterisiert, naemlich ihre gleichzeitige Tendenz zu Homogenisierung und Heterogenisierung, zur Vereinheitlichung und zur Ausdifferenzierung und Neuvermischung. Diese Tendenzen existieren gleichzeitig, ohne sich deshalb jedoch gegenseitig aufzuheben oder sich auszugleichen. Was dabei herauskommt, ist ein Spannungsfeld asymmetrischer Entwicklungen, an der auch die deutsche Sprache teilhat. weiterlesen »

  • Keine Heimat

    Ich habe eine unbeschreibliche Sehnsucht danach, in diesem Land nicht mehr staendig nach meiner Heimat befragt zu werden. Warum koennen die Deutschen einfach nicht damit aufhoeren? Ja, ich weiss sehr wohl, dass in anderen europaeischen Laendern Migranten auch ihre taeglichen Herkunftsgeluebde abliefern muessen. Na, und? Was sagt uns das? Nichts. Ich lebe hier. Und wenn es die Neugier befriedigt, ich war dieses Jahr in folgenden Staedten/0rten. (Die Anzahl meiner Besuche habe ich in Klammern festgehalten): Frankfurt (8), Koeln (2), Ulm (1), Bremen (2), Istanbul (2), Dersim (1), London (4), Rom (0), Paris (7). Nun frage ich Sie: Wo ist meine Heimat? weiterlesen »