• Temponauten-Theater

    Wenn alles unter Kontrolle ist, fahren Sie noch nicht schnell genug. Das ist der Sound des Neoliberalismus. Klingt mitunter ganz witzig, wie Lenin auf Speed. Dennoch – seit Jahren beherrscht mich ein merkwuerdiges Gefuehl der Zeitlosigkeit. Als ob der Globalisierungs-Countdown nach 1989 ins Leere gelaufen sei. Vielleicht ist auch eine Schallmauer durchbrochen worden und wir befinden uns im freien Fall nach oben. Eigentlich herrscht nur in den Metropolen rasender Stillstand, waehrend die Walze der Weltwirtschaft durch die Peripherie mahlt. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #23

    Globalisierung ist ueberall. Vom Arbeitsmarkt ins Lebensmittelregal. Ich bin dagegen. Coca cola und die Oelindustrie. Endlich wieder ein Feind. Vereint dagegen. Protest vergemeinschaftet. Anti garantiert community. Wogegen? Den globalen, Natur und Menschen verachtenden Kapitalismus natuerlich. Anti ist einfach. Zu einfach. Schwierigkeiten beginnen bereits bei der Anatomie des Feindes. Weltbankkredite nur mit Emissionskontrollen? Sozialstandards im Rahmen der WTO? Schon aechzt es in einer heiligen Allianz aus Oekos, Gewerkschaftlern und Neomarxisten. Schmitt souffliert, Mouffe sekundiert, Zizek reuessiert. Entweder du bist fuer uns oder gegen uns. weiterlesen »

  • Jetzt schon oder noch nicht

    Zeit und Raum spielen zunaechst eine grosse Rolle in der Kosmologie. Im Gespraech mit den Naturwissenschaften hat die Theologie lernen muessen, dass die Welt viel groesser und viel aelter ist, als sie, jeweilig mit den Menschen ihrer Zeit, gedacht hatte. Aber die Thematik der Zeit kommt auch vor, wenn es darum geht, Neues zu denken. Christliche Theologie geht davon aus, dass mit Jesus Christus eine neue Zeit angefangen hat. Die Frage ist, wie sich das denken laesst. Es gab den Gedanken der realisierten Eschatologie, dass also die Endzeit mit Christus angebrochen ist. Es gab im Gegenteil den Vorschlag, die Endzeit als verzoegert zu denken. Schliesslich schlug man vor, dass es zwar in Christus eine wesentliche Veraenderung gegeben hat, aber die letzte Wende noch auf sich warten laesst. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #22

    Kein Zweifel: Die Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm waren eine erstaunliche Manifestation der Mobilisierungspotentiale sozialer Bewegungen in Deutschland. Nach Jahrzehnten der Baisse nicht bloss von Parteien, sondern auch des so genannten unkonventionellen politischen Engagements in Basisinitiativen, Buergerkomitees und Dritte-Welt-Gruppen hatten viele die Formen und das Ausmass des Heiligendammer Protestes hierzulande schon fuer unmoeglich gehalten. weiterlesen »

  • Wenn gestern heute wieder morgen ist

    Unser europaeisch-abendlaendisches Zeitverstaendnis beruht auf der Vorstellung der Linearitaet. Demnach spult sich eine einzige gerade Zeitlinie ohne Umwege gleichmaessig ab. Zeit hat demzufolge auch einen Anfang. Zunaechst aufgrund der Bibel und der darin geschilderten Generationenfolge noch in der fruehen Neuzeit auf 4000 Jahre vor Christi Geburt berechnet, uebernahm nach der Aufklaerung (einer Zeitepoche, die en passant auch unsere Zeitvorstellungen aenderte) die Wissenschaft die Rechnungspruefung und schickte die Astronomie und Archaeologie ins Feld, um den Beginn der Erde und den Beginn der Menschheit zu bestimmen. Wenn die Zeit einen Anfang hat, dann muss sie theoretisch auch ein Ende haben. Die Bibel erklaert das mit der Ewigkeit. In ihr ist die lineare Zeit aufgehoben und ein zeitloser Gluecks- oder Elendszustand im Himmel oder in der Hoelle steht am Ende unserer messbaren Zeit. Das juengste Gericht, von den Ur-Christen noch zu ihren Lebzeiten erwartet, leitet diese Nicht-Mehr-Zeit ein. Die Naturwissenschaften erklaeren das Ende der Zeit mit dem Vergluehen der Sonne und dem Verschwinden der Erde in der Bedeutungslosigkeit des Sternenstaubs. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #21

    2001 war die globalisierungskritische Bewegung in einer doppelten Krise. Einerseits wegen der Gewalteskalation beim G-8-Treffen in Genua. Andererseits wegen des 11. September. Damit wurden die Kapitalismuskritik nicht nur aus den Schlagzeiten verdraengt. Sie wurde auch delegitimiert, weil einzelne Argumentationsreihen, etwa Kommerzkritik und Kritik an der US-Hegemonie den Argumenten der bin-Laden-Leute aehnelten. weiterlesen »

  • Religiöse Zeitumstellung

    Ich habe mich schon im Studium Anfang der 90er Jahre mit den islamischen Bewegungen und dem Politischen Islam beschaeftigt. Und dann tauchte da ploetzlich eine neue Richtung auf: Junge, sehr modebewusste, sehr erfolgsorientierte Muslime, die zugleich tiefreligioes sind. Viele der Jugendlichen kommen aus der Mittelschicht, oder sogar die Kinder der Oberschicht in den arabischen Laendern sind dabei. Die Jugendlichen also, von denen wir, der Westen, immer dachten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie ganz so werden wie wir. Zunaechst erscheint diese Bewegung unpolitisch. Sie setzt darauf, dass jeder einzelne Muslim etwas aus seinem Leben macht, ein besserer Mensch und ein besserer Muslim wird und dadurch im Endergebnis die Gesellschaft besser, also islamischer wird. So soll dann auch die islamische Ummah aus ihrer derzeitigen Krise gezogen werden. Wichtig fuer die Bewegung sind Prediger wie Amr Khaled oder Musiker wie Sami Yusuf. Das Phaenomen ist sehr global: Junge Muslime in Kairo, Dschidda, Tokio und Berlin hoeren die gleiche Musik, sehen die gleichen religioesen Talk-Shows und tragen sogar das Kopftuch nach aehnlicher Mode gebunden. Der Terror im Namen des Islam und der Kampf dagegen bestaerkt sie eher in ihrer muslimischen Identitaet – nach dem Motto: Ihr seht mich als anders, ich bin auch anders und das ist cool. weiterlesen »

  • Autopilot Text

    Das Wort “Lesen” bedeutet eigentlich sorgfaeltiges Aufsammeln. Wein wird gelesen, gute und schlechte Linsen, oder Faehrten. Doch meist Sammeln wir Zeichen auf in Form von Texten. Die urspruengliche Sorgfalt unterliegt dabei einem immer staerker werdenden Beschleunigungsdruck und wird an ihrer Effizienz gemessen. So sind Schnelllesekurse auch Symptome eines multimedial forcierten Blicks vor dem immer naechsten “switch” und einer Flucht vor der Beharrlichkeit. (Keine Sorge, ich frage hier nicht wie oft der Buchstabe “e” im obigen Abschnitt vorkommt.) weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #20

    Ob Heiligendamm tatsaechlich einen gravierenden Einschnitt darstellt, erscheint fraglich – und ist vielleicht auch gar nicht so wichtig. Die Ereignisse um den G8-Gipfel stellen eher eine weitere, relativ konsequent verfolgte Etappe in der Modernisierung und Professionalisierung der Proteste dar. Mit Blick auf eine gewisse Konkurrenzsituation zwischen etablierten und Protest-Medien, die bisher stets um die Errichtung einer alternativen Oeffentlichkeit bemueht waren, scheint es an der Zeit, die bisherigen Strategien zur Aufmerksamkeitsgewinnung vor Ort bzw. in den Medien zu ueberdenken. weiterlesen »

  • Die Zukunft anschnorren

    Das alte kapitalistische Sprichwort Zeit ist Geld ist nie zutreffender gewesen als heute. Allerdings ist die Zeit, von der da die Rede ist, die zukuenftige und nicht die jetzige. In unserer postmodernen Zeit ist es die Zukunft, die zaehlt. Sie ist allerdings keine, die wir uns selbst durch Hoffnungen und Kaempfe geschaffen haben, sondern eine Zukunft des Konsums, in der wir erst konsumieren und spaeter den Preis dafuer bezahlen. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #19

    Grosse Teile der Medien und der offiziellen Politik wurden die letzten Jahre nicht muede zu betonen, die globalisierungs- kritische Bewegung laufe aus: die grossen Schlachten waeren laengst geschlagen (und verloren), die grossen Buecher waeren laengst geschrieben (und wieder vergessen), das Establishment habe (wieder einmal) den laengeren Atem gehabt. Der ehemals naive, weil zu radikale Protest, so wurde suggeriert, wurde institutionalisiert und pragmatisiert – und siehe an, diese jungen Menschen sind keine solchen Wirrkoepfe, zum Teil sagen die ganz schlaue Sachen und das mit den unterbezahlten Praktika ist wirklich eine Sauerei. weiterlesen »

  • Erweckung zur Produktivität

    Bis zu einem gewissen Grade laesst sich das erstaunliches Mass an Religiositaet in den USA auch auf die Angst zurueckfuehren, unter den gegebenen Umstaenden der Beschleunigung, den Anschluss zu verlieren. Allerdings darf man es sich hier mit vorschnellen Erklaerungsansaetzen nicht zu leicht machen. Die spezifische Form der Froemmigkeit in den USA, die calvinistisch gepraegte Erweckungsfroemmigkeit, kann teilweise auf vormoderne Traditionslinien zurueckgreifen und ist dadurch eng mit der Frage nach dem Proprium amerikanischer nationaler Identitaet verknuepft. weiterlesen »