• Lebendige Aussenseiter

    Einsamkeit hat meine Phantasie schon immer mehr erregt als jede Art von Gemeinsamkeit. Vielleicht, weil man das Gemeinsame so wenig spuert wie den Koerper, in dem man gefangen ist. Gemeinsamkeit ist langweilig, sie schmeckt nach Unifizierung. In der medialen OEffentlichkeit gibt es so viel Gemeinsamkeit, dass einem uebel wird. Wenn man nach zwei Wochen Rueckzug aufs polnische Land nach Berlin zurueckkommt, fuehlt man sich von den Statements in TV und Radio niedergebruellt. Zu jeder Stunde auf allen Radiosendern die gleichen gestanzten Meldungen. Auch wenn das gar nicht versuchter Manipulation, sondern oekonomischer Ratio geschuldet ist (welcher Sender kann sich noch eine vollwertige Nachrichtenredaktion leisten?), fuehlt man sich dennoch ein bisschen wie in Orwells Staat. weiterlesen »

  • Muss lesen: Unstillbarer Hunger auf Geschriebenes

    Was passiert, wenn der Hunger auf Geschriebenes sich von gedruckten Erzeugnissen wie Büchern, Zeitungen, Magazinen und Comics löst? Und im Zuge dessen unstillbar wird? Susanne Lederle weiß davon zu berichten. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #66

    Jede soziale Bewegung erarbeitet sich, sobald sie eine Identitaet entwickelt, eine organische Ideologie oder spontane Philosophie, die sie mit dem zur Selbstvergewisserung notwendigen konzeptuellen und kategorialen Instrumentarium versorgt. Diese organische Ideologie, so unheimlich und in sich widerspruechlich sie im jeweiligen Fall sein mag, ermoeglicht Antworten auf grundlegende Fragen, die sich jeder Protestformation stellen: Was ist der Erwartungshorizont, vor dem ich handle? Wie konzipiere ich ueberhaupt mein eigenes Handeln? Welcher Moeglichkeitsraum ist diesem Handeln gesteckt? Solche Fragen koennen legitimerweise als philosophisch bezeichnet werden. weiterlesen »

  • Fiktionen fabrizieren

    Die Phase der Selbstdefinition verlaeuft historisch und individuell sehr unterschiedlich. Ich war zum Beispiel Ende der 1970er auf einem erzreaktionaeren Gymnasium in Oberschwaben, mein Vater an den revolutionaeren Umtrieben im Iran beteiligt und meine Mutter musste arbeiten und ihr Leben neu ordnen. Im Jugendhaus in Ravensburg waren die Uebungsraeume verschiedener Bands und die dortigen Sozialarbeiter gaben uns die Mittel, um unsere ersten Zeitungen herzustellen. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #65

    Die Globalisierung lebt auf diskursiver Ebene in nicht geringem Masse von ihren Mythen: Sie ist ueberall und alle nehmen oder haben an ihr Teil, sonst waere sie nicht global, und sie ist eines der zentralen Merkmale der Gegenwart. Um in diesen wesentlichen Punkten ein wenig Entmystifizierungsarbeit zu leisten, ist vielleicht das kuenstlerische Feld gar kein schlechtes Beispiel. Denn in der bildenden Kunst haelt man sich ja fuer besonders globalisiert, oder imaginiert gar das ganze Feld als Vorreiterin der Globalisierung: Nicht erst seit Duerers Italienreise liessen sich KuenstlerInnen stilistisch aus anderen Weltgegenden beeinflussen. weiterlesen »

  • Wir-Welten anzetteln

    Interessen zu haben, die man mit anderen teilt, ist keine notwendige Bedingung fuer Freundschaften. Vielmehr ist es ein kaum definitionssprachlich fassbares Vorhandensein jener wunderhaften Anziehungskraft, die vertrauensbildende Konnexe etabliert. Und hilfreich dabei scheint mir gerade zu sein, dass man nicht die gleichen Interessen sondern Interesse am Je-Anderen hat. Zweck- oder Interessensgemeinschaften sind eher keine Formel, mittels derer ich das Signifikat von Freundschaften dechiffrieren wollen wuerde – deformiert sie das Phaenomen doch in jene heute so beliebte kalkulatorische Dimension hinein, der sich Freundschaften so herrlich entziehen koennen. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #64

    Der Berliner Brecht war gleichzeitig in New York und Moskau zu Hause, die Globalisierung, von der er traeumte nannte sich damals noch >Weltrevolution<:>Willkommen, Arbeiter!< las er aus dem Westen kommend auf einem Schild Fahrend Ueber Die Grenze Der Union, auf der Rueckreise las er die Rueckseite: Die Revolution/ Bricht alle Grenzen. Dass er, der weise schwieg zu den Moskauer Prozessen in den 30er Jahren, den trotzkistischen Traum von der permanenten Revolution nicht aufgegeben hatte, wissen wir heute nur durch Heiner Mueller: Das FATZER-Fragment folgte der Logik der kleinsten Zelle, die irgendwo den Aufstand probt bis zum notwendigen Untergang, dabei jedoch Zeichen setzend: Was zaehlt ist das Beispiel, der Tod bedeutet nichts. weiterlesen »

  • Sozialistische Cowboys

    Gemeinschaftsgefuehl ist eine schwierige Sache. Ich wollte eigentlich immer Fussballer werden. Nur muss man dazu guter Fussballer sein. Und das war ich nicht. Im Gegenteil. Ich war richtig schlecht. Ich hatte nicht verstanden, dass nicht der Ball zu mir kommt, sondern ich zum Ball gehen muss. Und wenn man kein guter Fussballer ist, wird man beim Tip-Top auch nicht als Erster ausgewaehlt. Trotzdem kenne ich kein so intensives Gefuehl von Gemeinschaft innerhalb einer Gruppe, wie das als Kind auf dem Fussballplatz. Spaeter, in der Pubertaet, sublimierte sich der Wunsch nach Gemeinschaft in kulturellem Interesse. Gemeinsam mit Freunden malte ich. Ich weiss nicht mehr, ob ich Architekt und Kuenstler oder Architekt oder Kuenstler werden wollte. Aber Kunst und Architektur, das war es. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #63

    Die Auswirkungen der neuen neoliberalen Weltwirtschaftsordnung auf die Selbstdarstellung von deren ersten Handelnden, den monopolkapitalistischen Grosskonzernen, hat Oliver Ressler in >The global 500< kritisch untersucht. weiterlesen »

  • Kunst des Gemeinsamen

    Gemeinsame Interessen, insbesondere abstraktere, sind eine gute Voraussetzung fuer ein aufregendes Gespraech oder einen schoenen Abend. Vielleicht kann man sagen, dass genau dies einen guten Bekannten ausmacht. Fuer eine gute Freundschaft bedarf es allerdings mehr, in gewissem Sinne verlangt es nach etwas Gegenteiligem. Die Freundschaft kennzeichnet sich durch die Anerkennung des Anderen, einer beiden Seiten bewussten Ungleichheit und der gegenseitigen Bereitschaft diese zu akzeptieren. Der Philosoph Marcus Steinweg beschreibt dies sehr schoen in seinem Buch Subjektsingularitaeten: >Die Gemeinschaft der Freunde ist die Gemeinschaft der Aufeinander-Hoerenden.< Es geht also, wie er weiter schreibt, um eine Bewegung hin auf das schlechthin Andere, eine Ueberforderung der eigenen Person. Das gemeinsame Interesse besteht demnach eher in einer geteilten Bereitschaft diese Differenz anzuerkennen, einer gemeinsamen Teilhaberschaft an der Grenze. weiterlesen »

  • Freundschaft und Arbeit und Sex

    Neulich in der Bar: “Kennen wir uns nicht?” Sie zuendet sich eine Zigarette an und mustert mich. “Wieso?” entgegne ich. “Du bist doch bei der Berliner Gazette?!” Verdammt, denke ich, sie hat bestimmt das Interview in der taz gesehen. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #62

    Globalisierung. Ein Schlagwort, vielschichtig und zugleich nichtssagend, solange es nicht in einen Kontext eingebettet wird, durch Sprachspiele und Sprechakte mit Bedeutung beladen wird. Doch Bedeutungen sind variabel, fliessen so schnell, wie der Fluss des Lebens, der sie speist. Veraenderung, andauernder Wandel, das noch im Werden Befindliche, das Ungeborene. Und doch zugleich Statik, sprachlich erzeugte Dauerhaftigkeit, das bereits Seiende, Geborene – zwei Wahrheiten, die gleichzeitig existieren. Das menschliche Gehirn wird haeufig als Ort des Denkens beschrieben, jene Struktur, die es dem Subjekt ermoeglicht, seinen Koerper durch die Welt zu navigieren, Welt zu konstruieren. weiterlesen »