WASSERWISSEN

Seit der Moderne ermöglicht uns das Aquarium, den nassen Planeten durch eine bequeme Brille zu betrachten. Stehen wir noch immer mit diesem Blick vor dem Aquarium als Welt und der Welt als Aquarium? Oder stehen wir mittendrin? Allerdings nicht in einer gezähmten Natur, sondern in einer entfesselten, zweiten Natur in Form zunehmender Informationsfluten?

Mit dieser Fragestellung im Handgepäck führt die Berliner Gazette im Jahre 2009 Interviews. TeilnehmerInnen aus den unterschiedlichsten geografischen und disziplinären Regionen werden an die Grenzen ihrer Zuständigkeits- bereiche geführt – an diesen Grenzen entsteht ein neues Wissen. Wissen, welches vom Wasser gespeichert wird: über unsere Kultur, Gesellschaft und Zivilisation. Und Wissen, das wasserförmig ist, insofern es über die gesicherten Landnahmen herkömmlicher Expertenkulturen hinaus weist und im Fluss bleibt.
  • Der lange Regen

    Ein Vagabund zieht uebers Land. Sein Koerper ist bedeckt mit Taetowierungen. Sie werden fuer den, der auf sie schaut, lebendig und erzaehlen eine Geschichte aus der Zukunft. So die Rahmenhandlung von Ray Bradburys Science-Fiction-Buch The Illustrated Man. Eine dieser 18 Geschichten, die sich auf der Haut des Vagabunden abspielt und sich in den Augapfel des Lesers brennt, heisst The Long Rain. weiterlesen »

  • Vertrauen ohne Rueckhalt

    Sie fragen mich, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Ozean und der Gemeinschaft gibt. Ich weiss es nicht. Ich persoenlich bin ein bisschen allergisch gegen fluessige Metaphern: fluessige Gesellschaften, fluessige Identitaeten, usw. Meiner Meinung nach steckt in den Rhetoriken des Fluiden eine Art schlechtes Gewissen. Dieses schlechte Gewissen zwingt uns dazu, ein soziales Modell durch Beschreibungen des Offensichtlichen zu theoritisieren. weiterlesen »

  • Brief an die Nixe

    Der Sommer brachte zunaechst Kuestenwetter in die Bucht. Erhellende Winde, die als Luftschlangen die Bruecken der Stadt umgarnten, sich drehten, verwehten und leise Zunge schnalzten. Unter einem Himmel, der wie eine halbwegs flache Meeresstelle das Sonnenlicht in ein helles Blau verwandelte, liessen sich bei der Reise von einer zur anderen Rheinseite schaeumende Gedanken entwickeln ueber alles was dazu gehoert zu einem Dasein als Fisch im Aquarium: die Liebe, das Lernen, die Politik, den Pop. weiterlesen »

  • XXL-Badewanne

    Das Seepferdchen, als orangefarbenes Abzeichen auf den Badeanzug genaeht, war als Kind mein ganzer Stolz. Auch konnte ich mir nichts Schoeneres vorstellen als einen Swimming-Pool: Allein das Wort war pure Verheissung – erst mit einigem Abstand gefolgt von Hollywood-Schaukel und Skateboard. Auf das Seepferdchen folgten der Freischwimmer, endlose Schulferien im staedtischen Freibad und ein Beinahe-Ertrinken. Dann bewegten sich die Interessen in andere Richtungen. Erst vor ein paar Jahren begann ich wieder, regelmaessig Schwimmen zu gehen. Es soll ja auch gut sein fuer den Ruecken. weiterlesen »

  • Im Pool mit Adorno

    Am Anfang schwebte der Geist ueber den Wassern als pralle Regenwolke – so viel zum kosmischen Kreislauf. Wir Landlebewesen sind Effekt einer Klimakatastrophe, als Mischwesen sind wir an Land, auf die Buehne gekrochen und als solche werden wir sie nach der Abschaffung der Arten (Dath) wieder verlassen: Regression zum Lurch (according to Adorno & Horkheimer) oder Degeneration der Klassen in zwei verschiedene Arten (H. G. Wells) – es zieht uns zurueck in den Tuempel: die Verwandlung vom Prinzen in die Kroete. weiterlesen »

  • Fliegende Fische

    Erstmal ein paar spontane Assoziationen zu Wasser: Aus dem Wasser kommt alles Leben (Koran). Alles ist Wasser. Man verdurstet, bevor man verhungert. Viele Krankheiten beruhen ganz allein auf der fehlenden Fluessigkeitsaufnahme. Meine spontane Reaktion darauf? Erstaunen – ich hatte lange nicht darueber nachgedacht – ist das nicht beaengstigend, dass wir so abhaengig von Wasser sind? Wir Menschen? Aus dem Wasser kommt alles Leben, aber wir sind nichts ohne Wasser. Eine schoene Abhaengigkeit – solange es genug Wasser gibt. weiterlesen »

  • Aussen bleibt draussen

    Dieses Gefuehl, nach drei Unterwasserpurzelbaeumen rueckwaerts die Orientierung zu verlieren und in einen Schwindelgrenzwertmodus zu geraten, in dem das Wasser die Doppelfunktion eines Traeger- und eines Haltentzugsmediums uebernimmt, ist mir bis heute vergegenwaertigbar. Kurz gesagt war es vor allem, dass der durch das Wasser erzeugte Tiefenraum, in dem das, was man seltsamerweise Unterwasser nennt, seine Ausdehnung findet, was mich faszinierte. Sobald das altersmaessig moeglich war, habe ich mit dem Tauchen begonnen – zunaechst in trueben Teichen, dann im Atlantik und in Bergseen. weiterlesen »

  • Kein Weg zurueck

    Fuer mich gab es schon immer zwei Wasser: das Wasser, das in mich dringt, und das Wasser, in das ich dringe. Zu Ersterem – Wasser als Getraenk – habe ich ein absolut positives Verhaeltnis. So es denn rein ist, betrachte ich es als den Heiligen Gral der Nahrungsmittel, den Quell des Lebens. Ein Grund, warum ich auf keinen Fall in Laender wie England oder Frankreich zoege, weil man das Wasser dort nicht aus der Leitung trinken kann. Ein Luxus, an dem ich mich hierzulande jeden Tag erfreue. weiterlesen »

  • Aus Land wird Meer wird Land

    Zugegeben, es bereitet mir durchaus grosses Vergnuegen, an einem schwuelen Tag oder nach einem heissen Sonnenbad am Strand in die kuehlenden Fluten eines Badesees oder des Meeres zu springen und mich danach ein paar Minuten von den Wellen des Wassers tragen zu lassen. Das war’s dann aber auch schon meist mit dem Erlebnismedium Wasser. Stundenlang im Wasser zu treiben oder darin herum zu planschen, ist meine Sache nicht. weiterlesen »

  • Aquarium ueberwunden?

    Dies vorweg: Ich mag kein Wasser. Oder vielleicht sollte ich spezifizieren: Ich mag kein kaltes Wasser. Und von dieser Regel gibt es nur eine einzige Ausnahme: Wenn ich aus der Sauna komme. Das ist der einzige Moment, in dem ich kaltes Wasser auf meiner Haut toleriere. Ansonsten scheue ich kaltes Wasser wie der Teufel das Weihwasser, und das ist schliesslich auch kalt. Warmes Wasser hingegen ist pure Therapie. weiterlesen »

  • Feuchte Theorien

    Als Thema trat Wasser das erste Mal Ende der 90er Jahre in mein Leben. Die Chaostheorie war als noch junge Disziplin in der Mode und zog durch die Mischung aus paradoxem Namen und hard science die Aufmerksamkeit eines wissenschaftlichen enfant terrible auf sich. Wasser begegnete mir hier an zwei Stellen: einer sichtbaren und einer theoretischen. weiterlesen »

  • Mach dich nass!

    Die Chinesen stellten sich frueher vor, die Erde sei ein Koerper, die Felsen dessen Knochen, die Erde sein Fleisch, und die Baeche, Fluesse und Meere sein Blut. Solche Analogien gibt es in sehr vielen Mythen: Riesen, die stuerzen und zu Landschaften werden. Im Zeitalter der Aehnlichkeiten (Foucault) finden muehelose Uebersetzungen statt: Sagt man Wasser, kann man genausogut Blut meinen. weiterlesen »