• Sitcom der Globalisierungsverlierer

    Trailer Park Boys ist das perfekte Gegenwarts- naemlich: Unterschichts-Fernsehen. Die fiktive Dokumentar-Serie ueber den Alltag in einer kanadischen Wohnwagensiedlung zeigt eine Parallelgesellschaft derart fortgeschrittenen Zustands, dass die individuellen Dramen und kollektiven Katastrophen, in denen das Totalversagen sozialer Fremd- wie Selbstkontrolle alle paar Minuten kulminiert (Gewaltausbrueche, Haushaltsunfaelle und zahllose Verstoesse gegen Bewaehrungsauflagen) zur neben Alkohol und Drogen einzigen Unterhaltungs- und wichtigsten Erkenntnisquelle geworden sind: Selbstreflexion als eine am eigenen Ruin gutgelaunt und scharfsinning teilnehmende Beobachtung.

    Trashigstmoegliche Aufklaerung gesellschaftlicher Zustaende betreibt die Serie aber nicht nur bei Themenwahl, Dramaturgie und Besetzung – in den Hauptrollen Julian (der in jeder – wirklich jeder – Einstellung einen Drink in der Hand haelt, sogar noch beim Aussteigen aus einem qualmenden Autowrack) und Ricky (der in einem solchen Autowrack wohnt und auch in der englischen Sprache nicht wirklich bei sich oder zu Hause ist) – sondern auch beim Einsatz formaler Mittel: im Verlauf der zahlreichen Schiessereien kann es schon mal passieren, dass versehentlich der Sound-Assistent angeschossen wird und die ohnehin bereits ueberforderten Protagonisten fuer den Rest der Szene den Ton selber angeln muessen. Trailer Park Boys ist sowas wie die Rache der Realitaet, getarnt als Fiktion, am Reality-TV.

    Uebrigens bin ich nicht ueber das Fernsehen auf dieses vermutlich zweit- bis drittbeste Fernsehformat der letzten fuenf Jahre aufmerksam geworden, sondern erst durch einen ausdruecklichen Hinweis dreier schwedischer Raubkopierer, deren BitTorrent-Tracker fuer einen nicht unerheblichen Teil des schwedischen Internet-Traffics verantwortlich ist.


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