Berliner Gazette-Autorin Susanne Lederle hat die neue soziale Schicht des Prekariats genauer unter die Lupe genommen und dabei ironisch festgestellt: Es handelt sich hierbei um viel mehr als Faulenzen, es ist ein ganz eigener Beitrag zur Klimakatastrophendiskussion.
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Jetzt ist die “neue Unterschicht” doppelt angeschmiert: abgehaengt vom Abgehaengtsein, denn Prekariat, das findet sich heute nicht mehr unter “geringqualifizierten Langzeitarbeitslosen”, die vor lauter Langeweile gar nicht anderes koennen als Kampfhunde an Kinderschaukeln scharf zu machen, nur um dieselben dann im Vollrausch aus dem 13. Stock zu werfen, weil die Gerichtsshow nicht nach Wunsch verlief. Immerhin arbeiten in “prekaeren” Arbeitsverhaeltnissen, also zeitlich befristet und ohne soziale Sicherungssysteme im Ruecken, auch die Typen, deren Sonnenbrille zum integralen Bestandteil ihrer Frisur wird, sobald die Laptop-Outdoor-Saison vor den Cafes eroeffnet ist.
Festanstellung bedeutet Arbeit in geschlossenen Raeumen, da machte man sich ja laecherlich, so wie man ist, mit Sonnenbrille auf dem Kopf. Rechtschaffenden Studenten machen diese Leute das bisher gottgegebene Vorrecht streitig, am helllichten Tag irgendwo ungeniert-oeffentlich in der Sonne herumzusitzen. Bald muss man morgens um 6h schon mal vorbeikommen und ein Handtuch auf Cafe-Bestuhlung oder Parkbank legen. Dieses Prekariat ist nicht abgehaengt, sondern auf der Ueberholspur: Prekariat als neue Avantgarde, die haben immer einen Platz an der Sonne.
Wirkliche Dekadenz-Prekarrieristen, also die, die es wirklich geschafft haben, sind allerdings solche, die sich vom Jura-Examen unterfordert fuehlen, es deshalb gleich mal sein lassen und wieder zu Hause bei Mami und Papi auf der Matte stehen, um ihren persoenlichen Beitrag zur Klimakatastrophendiskussion im elterlichen Garten leisten zu koennen: fortan voellig ohne Laptop- und Sonnenbrillenlegitimation einfach aus unverhohlener Faulheit von morgens bis abends in der Sonne liegen, bis sie der braunste Typ im Umkreis von 200 km sind. Die abgehaengten Abgehaengten aber muessen weiter vor den Gerichtsshows abhaengen, die hat sogar die Klimakatastrophe abgehaengt.
Anm.d.Red.: Das Foto oben stammt von abbilder und steht unter einer Creative Commons-Lizenz.
9 Kommentare zu
Aber dem Grass würde ich das nicht stecken. Das Buch soll vermutlich DSL2.0 heißen. Digitale Subskribenten Looser (kroatischer Schnapps).
Ich muss jetzt meinen Salat essen. Bis denne.
@ Dr. Hufner: Guten Appetit!
@ Krystian: Ich glaube Günter Wallraff-Grass betreibt gerade Webfeldforschung inkognito. Er treibt sich unter einem Pseudonym "Ganz unten" im WWW herum vermutlich "Im Krebsgang".