Neulich dachte ich einmal ueber die Woerter, die es nicht gibt, nach. Gewissermassen Loecher in unserer Sprache, die wir umfahren koennen, was aber immer mit kleinen sprachlichen Umwegen verbunden ist. Zum Beispiel existiert kein Aequivalent zu dem Wort satt
, um das Gegenteil von durstig
auszudruecken. Versuche, ein Kunstwort zu erfinden und es als Bestandteil der Sprache zu etablieren, schlugen fehl. Ebenso gibt es kein visuelles Pendant zu Stille
, fuer die Beschreibung eines Zustands in dem es, was die optischen Eindruecke angeht, ruhig
ist. Fuer Letzteres habe ich auch in anderen Sprachen noch nie von der Existenz eines entsprechenden Begriffs gehoert. Es gibt allerdings eine Vielzahl von Woertern, die in bestimmten, aber nicht allen Sprachen existieren. Beispielsweise beschreibt das spanische Adjektiv alegal
etwas, das durch das Gesetz nicht geregelt ist und wird haeufig auch fuer nicht legale, jedoch von fast allen praktizierte und tolerierte Sachverhalte verwendet (z.B. Mieteinnahmen nicht zu versteuern). Im Deutschen benutzt man in solchen Kontexten meist Begriffe wie Grauzone
oder Kavaliersdelikt
. Ein spezifisches und praegnantes Adjektiv gibt es jedoch nicht. Das mag auch damit zusammenhaengen, dass in vielen spanischsprachigen Laendern diese Grauzonen etwas groesser sind und staerker das alltaegliche Leben praegen. Doch wie sieht es dann im Italienischen aus? Gibt es dort analog zu den viel zitierten 100 verschiedenen Begriffen fuer Schnee, die die New York Times der Sprache der Inuit nachsagte (was uebrigens bei genauer Betrachtung nicht stimmt), 100 verschiedene Abstufungen der Grauzone zwischen Legalitaet und Illegalitaet? Ich habe noch nicht nachgeforscht, aber es koennte natuerlich auch sein, dass im Rahmen der Berlusconisierung
das klassische legale Vokabular ausreicht.
Im Schwedischen und einigen anderen skandinavischen Sprachen gibt es uebrigens ein Gegenstueck zu >satt<: Otoerstig
laesst sich mit undurstig
uebersetzen. Ein Zustand, den ich bei schwedischen Touristen in Deutschland allerdings noch nicht beobachten konnte, doch vielleicht ist es ja auch nur die Beschreibung eines Ziels. Der angestrebte Endzustand der irdischen Existenz, analog zum Erreichen des Nirvanas, auf den die durstigen Schweden mit grossem Einsatz hinarbeiten.