Wasserwerfer, Polizisten mit Schlagstöcken, Rudi Dutschke und die RAF- das war gestern. Heute organisieren Protestierende ihren Widerspruch anders: Stichwort ist hier das Internet. Berliner Gazette-Chefredakteurin Magdalena Taube hat sich mit dem Protest via Facebook und Twitter beschäftigt.
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Das Wort “Studentenprotest” triggert sofort Bilder von 1968: Man denkt an Straßenkampf und Rudi Dutschke, Wasserwerfer und Polizeigewalt. Heute geht Protestieren anders, das verstehen sogar Alt-Linke und Hippie-Nostalgiker. Doch nicht nur die Zeiten und die Forderungen haben sich geändert, auch die Formen und die Organisation von Protesten haben sich grundlegend gewandelt. Maßgebend dafür: das Internet.
Studentenproteste in Zeiten des Internet
Herbst 2009: Die Studierenden in Österreich haben die Nase voll von Gebühren und Zulassungsbeschränkungen, von der “Entwissenschaftlichung der Universität”, von überfüllten Seminaren und überforderten Professoren. Die Unzufriedenen zetteln einen Protest an. Sie besetzen Hörsäle, starten Aktionen, vernetzen sich. Sie fordern “Bildung statt Ausbildung”; schnell wird daraus eine Protestwelle, die auch andere Länder erfasst und die in dieser Wucht ohne das Internet nicht denkbar gewesen wäre.
Doch was genau macht den Protest in Zeiten des Internet anders? Zunächst ganz klar: Mehr Publicity und vereinfachte Vernetzung unter den Protestierenden. Nie war es so einfach, “dabei zu sein”, schreiben Studierende wie Jana Herwig und ihre Kollegen in ihrem jüngst erschienen Buch Uni brennt. Hinzu kommt, dass der Internetzugang heute selbst mobil geworden ist. Das heißt, dass permanente Informationsübermittlung möglich ist – auch direkt von der Straßendemo.
Verzettelt im Netz
Neben Facebook, Wiki und eigener Webseite ist Twitter ein wichtiges Protest-Werkzeug. Zwischen Oktober und Dezember 2009 wurden von 9000 Accounts fast 100.000 Tweets gesendet, welche die Begriffe unibrennt oder unsereuni (Slogans der Bewegung) enthielten. An Aktionstagen nahm die Anzahl der relevanten Tweets pro Stunde stark zu – daran lässt sich ablesen, wie wichtig Twitter als Informationsverbreiter für die Proteste war. Diese Euphorie hat jedoch auch schnell wieder nachgelassen.
Doch was brachte dieser hohe Grad an Vernetzung den Protesten tatsächlich? Sicherlich: Die Mobilisierung Gleichgesinnter ging einfacher vonstatten. Protestierende wie Herwig und Co. erkannten aber das Problem, das Twitter und andere soziale Medien mit sich bringen: “die Schwierigkeit, ein Anliegen im Sinne einer konkreten Aufforderung über ein von einer heterogenen Gruppe genutztes Medium gezielt zu verbreiten.” Die Info-Flut führte letztlich zu einer Verzettelung: zu viele Meldungen, zu viele Leute, zu wenig Fokus.
Anm.d.Red.: Das Foto oben stammt von August Brill; cc by 2.0.
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