Bienen gelten als fleißige Wesen. In Zeiten von Globalisierung und Finanzkrise verkörpern sie jedoch auch lokale Verbundenheit und Unabhängigkeit. Die Berliner Stadtimkerin Erika Mayr hat den summenden Wirtschaftsexperten zugehört und berichtet nun von ihren Erkenntnissen.
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2004 habe ich mit meinem Freund, einem Architekten, bei dem Wettbewerb Shrinking Cities einen Entwurf eingereicht: BEES – Urban Beekeeping in Detroit. Zu dieser Zeit dachten alle, das sei eine verrückte Idee. Heute sieht das ganz anders aus. Das große Bienensterben hat öffentliches Interesse an der Bedeutung der Honigbienen hervorgerufen. Ich lebe in der Stadt, und deswegen imkere ich in der Stadt.
In der Stadt blüht es durchgehend und aus der Artenvielfalt entsteht ein fantastischer Honig, den man ohne Bedenken genießen kann. Er ist gesundheitsfördernd und nicht mit Schadstoffen belastet. Bienen können das. Außerdem werden hier nicht flächendeckend Pflanzenschutzmittel verwendet, die Bienen töten und auch keine genmanipulierten Pflanzen angebaut, die keinen Nektar für die Bienen tragen, wie zum Beispiel Mais MON 180. Dafür nehme ich in Kauf, dass es eine hohe Dichte an Bienenvölkern gibt und wegen des starken Befalls der Bienen durch die Varroamilbe das Bienenjahr schon Mitte Juli zu Ende geht.
Honig – ein goldenes Tauschmittel
Bienen haben mich mit dem Ort, an dem ich lebe, verbunden. Honig hat etwas mit Heimat zu tun. Es ist hoch interessant, das Leben und Wirken der Honigbienen zu studieren. Ihre Anpassungsfähigkeit an die äußere Umwelt, die Effizienzrechnungen, nach denen sie arbeiten, die Kreisläufe, die sie unterhalten und vollenden – all das ist für uns Menschen heute immer noch aktuell. Das Zusammenleben dreier Wesen – der Bienenkönigin, ihrer Arbeiterinnen und Drohnen – mit ihren spezifischen Aufgaben, das Führen und Folgen, das fleißige Bestäuben und das Herstellen von Honig. Alles folgt einem System, das sich über 50 Millionen Jahre lang entwickelt hat.
Nichts ist unüberlegt, alles ergibt Sinn – ein guter Lehrmeister in einer Zeit, in der es schwer fällt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich bin froh darüber, dass ich Landwirtschaft betreiben kann, ohne eigenen Grund und Boden besitzen zu müssen. Außerdem kann ich meine Freunde und Bekannte mit meinem eigenen Honig versorgen. Das ist ein großes Geschenk, denn so habe ich ein goldenes Tauschmittel in der Hand.
Do It Yourself – ein Trend seit Beginn der Menschheit
In den letzten Jahren hat sich ein Trend hin zum Selbermachen entwickelt. Ich denke, das Prinzip des Do It Yourself aber hat es schon immer gegeben und wird es immer geben. Es zeigt den Wunsch des Menschen, unabhängig von der Wirtschaftswelt zu produzieren – und zwar nach eigenen Vorstellungen in der Art und Weise des Arbeitens, des Produktes, der Höhe des Preises und Verdienstes.
Für mich persönlich ist Selbstgemachtes oftmals reizvoller. Ich mag es, wenn ich die Person kenne, die meine Schuhe macht, meine Blusen näht und meine Strickjacken entwirft. Diese Stücke sind wertvoller, weil ich einen Bezug zum Produzenten aufbaue. Ich behandle diese Produkte sorgfältig und kann sie über mehrere Jahre nutzen. Ich kann meine direkte Umgebung damit unterstützen und die Vielfalt darin erhalten.
Der Überfluss an unbrauchbaren Produkten, die oftmals mindere Qualität haben, die Ressourcen- und Energieverschwendung, die damit verbunden ist, führt bei vielen Menschen mittlerweile nicht zur Bedürfnisbefriedigung. Der Überfluss bewirkt das Gegenteil davon: den Verzicht darauf und gleichzeitig das Besinnen auf Lokales.
Was können wir lernen von der Biene?
Der Mehrwert, den die (Honig-)Bienen durch die Bestäubung unserer Pflanzen erarbeiten, ist unendlich hoch. Sie befliegen den Stock in einem Umfeld von drei Kilometern in jede Richtung. So funktionieren sie wie ein Hub mit einem bestimmten Wirkungskreis. Das große Ganze entwickelt sich aus der flächendeckenden Bestäubung, der Aneinanderordnung dieser Kreise.
Eigentlich funktioniert es bei uns auch so: Je mehr Kreise aneinandergereiht werden, je flächendeckender man sich um das Lokale in der jeweiligen Region, Stadt oder Freundeskreis bemüht, je mehr unterschiedliche Arten des Wirtschaftens, des Engagements, auch des kulturellen Lebens dort stattfinden, desto stärker wirkt dieser Kreis und kann sich im Globalen genau so behaupten.
Das Unschlagbare daran ist, dass diese lokalen Kreise im Sinne der Nachhaltigkeit wirtschaften können, weil sie überschaubarer sind, als die globalen Netze. Aus der lokalen Entwicklung können viele Menschen schöpfen, man sollte sie unterstützen und stärken, wo immer es möglich ist. Wenn wir immerzu dem billigsten Preis hinterher rennen, bezahlen wir mit unserer lokalen Vielfalt und Unabhängigkeit dafür.
Ausschau halten nach dem Imker
Meinen Honig kann man nicht im Internet kaufen. Er erzählt im Geschmack von der Stimmung des Frühsommers und Hochsommers am Moritzplatz. Dort soll man ihn entdecken und von da soll man ihn mitnehmen. Dann verweben sich Geschichten darin: die eigene Stimmung an diesem Ort und die Geschichten, die Bienen dem Honig zusetzen.
Ich wünsche mir, dass Menschen, die gerne Honig essen, Ausschau halten nach dem Imker in der nahen Umgebung oder in der Umgebung, in der sie sich wohl fühlen. Guten Honig bzw. den Honig aus der Nachbarschaft zu finden, bedarf einer kleinen Anstrengung. Das ist gut so, denn dann kann man den Honig schätzen und dann geht man auch sorgfältig mit ihm um.
Aussäen und Blühen lassen
Bienenvölker schaffen es, ihre Umgebung zum Blühen und Fruchten zu bringen. Wir Menschen können das auch, wenn wir unsere Energie konzentriert in etwas stecken, das nicht nur uns selbst nutzt, sondern auch und vor allem den Anderen miteinbezieht und unterstützt. Es geht darum, stetig ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Unser reich gedeckter Tisch an verschiedensten Früchten und Gemüsearten zeigt uns, was die Bestäubung vor allem durch Insekten und nicht durch den Wind, hervorbringen kann.
Diese Vielfalt können wir auch erzeugen. Ökologische Landwirtschaftsbetriebe, Obst-und Gartenbauvereine, Imkereien, Initiativen, die sich um die Früchte in der Stadt kümmern (z.B. Das Geld hängt an den Bäumen aus Hamburg), Naturschutzverbände, Interkulturelle Gärten und Gartenprojekte. All die Menschen, die Arbeit mit sozialem Engagement verbinden, “bestäuben” schon ihre Umgebung und ihr Umfeld. Diese Menschen, die sich engagieren, ihre Umgebung pflegen, und sorgsam mit ihren Ressourcen umgehen, bringen sie zum Leuchten. Säen Sie aus, dann kann es wieder blühen!
Anm.d.Red.: Erika Mayr lebt als Gärtnerin und Imkerin in Berlin und veröffentlichte 2012 ihr erstes Buch Die Stadtbienen: Eine Großstadt-Imkerin erzählt im Droemer Knaur Verlag. Das Bild oben hat Urban Zintel fotografiert. Das Foto unten stammt aus den OSU.
13 Kommentare zu
Ich sehe es genau so: Lieber viel Energie in eine Sache, die einem selbst und auch vielen anderen etwas bringt, stecken, als ständig überall neue Fässer anzubrechen und dabei das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Vor allem sollte man es aus Überzeugung tun. Und wenn dann sogar noch ein Funken Liebe dazu kommt, dann ist man nicht nur selbst glücklich, sondern die anderen in seinem Umfeld spüren es auch!
Neue Königin kaufen und wieder beginnen?
Thomas Deecke
habe das Buch auch gelesen und fand es unterhaltsam. Eine längere Buchkritik dazu gibt's unter : http://www.holk.tv/tag/bienen/
@Thomas Deecke: Warum im Juli Ende ist, daran kann ich mich jetzt nicht erinnern. Auf jeden Fall werden von Erika Mayr ihre Bienen gegen die Varroa-Milbe behandelt. Es wird nicht in Kauf genommen, ein ganzes Volk zu verlieren und neu zu starten.
@Jagoda: Wenn Du DIY Daheim als negativ erlebt hast, muss das deswegen jeder ablehnen? Außerdem ist der Vergleich mehr als unpassend, da die angesprochenen Themen der Autorin ja wohl nicht auf den Rückzug ins Private und heimattümelnde Gepflogenheiten ausgerichtet ist, sondern auf eine Neu- und Rückorientierung hin zu sinnvollen Kommunikations- und Lebensformen, die die eigene Umwelt besser und verstärkter wahrnehmen.
@Thomas: Na weil natürlich die Bienenvölker durch die Milbe dezimiert werden und sich dann eine "Ernte" des Honigs durch Ausschleudern vermutlich nicht mehr lohnt.
Ich paste hier mal den Text aus dem Magazin Kirchenfenster der Sophiengemeinde:
"Auf Zion summt‘s und brummt‘s
Auf Höhe der Zwerggalerie der Zionskirche haben zwei Bienenvölker ihr neues Zuhause gefunden.Was im ersten Moment verwundert – Bienen mitten in der Stadt –, macht durchaus Sinn. Während die Bienen auf dem Land aufgrund der Monokulturen, die nur für kurze Zeit blühen, Hunger leiden, leben die Stadtbienen im Schlaraffenland. Hier ist der Tisch fast das ganze Jahr über gedeckt: Kastanien- und Lindenblüten rund um die Zionskirche, der Weinbergspark, Arkonaplatz und Mauerstreifen bieten den Zions-Bienen reichlich Nahrung. Wenn das Wetter mitspielt und die Bienen fleißig sind, rechnet Imker Andreas Pflitsch mit 80 kg Honig. Der Honig wird auf dem Gemeindefest Anfang September käuflich zu erwerben sein. Ein Teil des Erlöses ist für die Sanierung der Zionskirche bestimmt."
Ein bisschen möchte ich damit freilich auch Werbung für unsere Morgenvogel-Kirche machen, die noch bis nächsten Freitag tobt, u. a. mit einer Zions-Bienen-Sound-Installation von Christopher Fröhlich und Imker Pflitsch und heute z. B. mit einem Konzert von Manami M., Matthew Ramolo, John Kameel Farah und Frank Schubert. Weiteres unter http://morgenvogel.net