Erinnern Sie noch an Gilles Deleuze? Nicht wirklich? Vielleicht ist es besser so. Haessliche Geschichte, damals das, in den Neunzigern, als aus diesem Philosophen ein Zombie des Kulturbetriebs wurde. Damals als sich Kuenste, Wissenschaft, Denkkultur und Massenmedien auf diesen Namen einigen konnten, Plattenlabels nach Buechern von ihm benannt wurden, etc. Personenkult, Reduzierung des Werks auf ein Buch (Mille Plateaux), Auskopplung von Zitaten fuer die Jingle-Auswertung in eigenen Texten. Vor sieben Jahren meinte ich in einem Rueckblick auf die Neunziger: Man koenne Deleuze auch querlesen. Das war allerdings nur auf seine Rolle bei der Rezeption von Musik bezogen.
Schon Ende der Neunziger hatte ich Texte von Deleuze, darunter seine beiden Baende ueber das Kino sowie ueber Kapitalismus und Schizophrenie aus meinem Buecherzimmer ausrangiert. Gab’s Wichtigeres? Vielleicht. Vor allem wollte ich nicht partizipieren an diesem Kult, der um ihn betrieben wurde. Hatte kein Bock mehr auf den Gadget-Fetisch, zu dem seine Schriften geworden waren. Inzwischen scheint dieser Totentanz des Bertriebs/Markts ausgetanzt. Ausgelutscht haben sie ihn und vergessen. Gut so. Denn inzwischen spuere ich in dieser Stille, wie ich zur besagten Episode in den Neuzigern Abstand gewonnen und wieder Lust bekommen habe. Ich bin nicht allein.
Die deutlich behutsamere Deleuze-Rezeption der Nuller Jahre zeigt, dass es nach der Pluenderung immer noch weiter gehen kann. Deleuze und die Kuenste
etwa, herausgegeben von Merve-Gruender Peter Gente, legt einen Augenmerk auf einen besonderen Aspekt dieses vielschichtigen Werks, ohne es darauf zu reduzieren. (Hier ein Text daraus). Wenn sich wiederum Jens Badura, Philosoph und Berliner Gazette-Autor, Deleuze zueigen macht, um eine Stiftung ins Leben zu rufen, die Stiftung fuer das Andere
, dann wird deutlich: Aneignung ist nicht gleich Vereinnahmung ist nicht gleich Ausverkauf. So wird aus dem Gadget wieder ein Text – ein wahres Spielzeug, dem ich mich zeitverloren widme.
11 Kommentare zu
https://www.berlinergazette.de/?p=31
Den gelinkten Text muss ich mir auch erst einmal in Ruhe zu Gemüte führen.
War es also einmal anders und wenn wie und wodurch, und weshalb und wann ist dieses Potential verloren gegangen. Wo ist es hin?