Wer auf die Leipziger Buchmesse geht, liest gerne Bücher, zwängt sich als Teenager in hautenge Sailormoon-Kostüme oder ist leidenschaftlicher Sammler von Papiertüten, die mit den Namen öffentlich-rechtlicher Fernsehsender bedruckt sind. Dann gibt es noch einen vierten Typus: Leute wie mich. Ich geh gerne auf die Buchmesse, weil ich ein leidenschaftlicher Promi-Gucker bin. Dies erfuhr ich über mich selbst allerdings erst, als ich dort war.
Eigentlich, so dachte ich vorher, geht es um Bücher – und um intelligente Gespräche mit den intelligenten Leuten, die sie geschrieben haben. Und darauf hatte ich mich eingestellt. Erst ein bisschen Martin Walser, dann Günter Grass und vielleicht noch einen mir vorher gänzlichen unbekannten Autor, der ein Buch über die Finanzkrise geschrieben hat.
Worum es eigentlich geht
Doch dann saß ich wie gebannt vor nebeneinander aufgehängten Flachbildschirmen und blickte auf meinen post-pubertären Erweckungsautor Benjamin von Stuckrad-Barre. In Berlin fuhr er vor zwei Jahren mit einem Fahrrad an mir vorbei. Jetzt sitzt er keine drei Meter von mir entfernt, lässig auf einem Sessel, im schwarz-weißen Outfit mit Krawatte und unterhält sich ungezwungen mit dem fast zu entspannt dasitzenden Moderator. Nur mit einem langen Hals kann ich einen live-Blick auf ihn erhaschen.
Meine Promi-voyeuristischen Gelüste sind geweckt. Und was macht jemand wie Stuckrad-Barre auf der Messe? Erst allgemeines Geplänkel zu seinem neuen Buch, dann geht es um die Wahl des Autors zum „bestangezogensten Deutschen“. Doch Stuckrad-Barre korrigiert: Es heiße „bestangezogener Deutscher“. Man spricht über seine pinkfarbene Uhr und die nagelneuen roten Schuhe. Ist es das worum es hier eigentlich geht?
Langweiliger Schweizer, cooler “Modelmacher”
So oder so, ich war in Stimmung und blieb einfach im ARD TV-Forum, Halle 3, Stand C501, sitzen. Dann kam Martin Suter, Autor eines unterhaltsamen Buchs, das ich vor kurzem laß. Ich hoffte auf noch so ein erheiterndes Gespräch und sah doch nur einen Schweizer Saubermann um die 50, der sich auch mal politisch engagiert und der nur langsam aus seinem Schneckenhaus heraus gekrochen kam. Langweilig.
Weiter zu einem heimlichen Idol, der Aufregenderes versprach. Modelmacher Peyman Amin hat ein Buch mit dem Namen Der Modelmacher geschrieben. Dort plaudert er Geheimnisse über die Modewelt aus. Plötzlich überkam mich jugendlicher Eifer und ich wollte mit ihm fotografiert werden. Doch die Mädchen zwischen 10 und 17 Jahren waren schneller und wuselten um den adrett in schwarz und Lederjacke gekleideten Modelbooker und Ex-Germany’s NextTopmodel-Juror herum. Er beachtete mich nicht. Dafür sprach ich später mit ihm. Naja, ich fragte etwas in der abschließenden Fragerunde und er antwortete. Dabei schaute er mich an.
Schlechtes Gewissen
Dann war schon alles vorbei und Zweifel kamen auf. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, weil ich auf der Buchmesse nicht nach tollen neuen Entdeckungen der deutschen Literaturlandschaft Ausschau hielt? Oder bin ich gar nicht daran schuld, dass mir die Buchmesse an diesem Tag niemanden Interessanteren auf dem Präsentierteller darreichte? Bin ich eine schlechte Literaturstudentin wenn ich nicht provokante Fragen stelle oder nach der intellektuellen Erleuchtung suche? Egal, ich hatte Spaß.
11 Kommentare zu
Ist wirklich sehr interessant. Letztlich funktioniert das System Literaturbetrieb auch nicht anders als das System Hollywood.