>Ich stand auf der Zugspitze und wartete auf ein Erlebnis wie auf ein Wunder. Aber der Schneesturm blieb aus. Warum war ich gefluechtet? Warum war ich hier, statt mit den anderen? Warum hatte ich den Alten bedroht, statt mir mehr von ihm erzaehlen zu lassen? Es kam mir vor, als haette ich etwas versaeumt. Und als versaeumte ich noch immer etwas. Mit jeder falschen Bewegung.<
Was heisst: Jede Bewegung ist eine falsche Bewegung, auch Stillstand, die Nicht-Bewegung. Es gibt kein richtiges Unterwegs zu sich selbst. Kein Finden. Kein Ankommen. Man bleibt immer in der falschen Bewegung. Man hat sich schon immer falsch entschieden. Man hat schon immer etwas verpasst.
Die letzten Saetze des Protagonisten in Wim Wenders >Falsche Bewegung< geben zu denken. Sie geben den Titel zu denken, der sich schliesslich ins Bild schiebt wie ein Stempel aus Blut. Ein Todesurteil? Vielleicht. Zuspitzung einer Suchbewegung? Ohne Zweifel. Zuspitzung auf der Zugspitze. Ein Klimax ohne Klimax: Am Ende steht nicht die Erloesung, sondern eine Absenz: Eine schneebedeckte Landschaft – weiss wie ein leeres Blatt Papier, weiss wie ein Gedaechtnis ohne Datenbank. Dieses System scheint nur ein Schneesturm aus den Fugen bringen zu koennen oder ist es die Erwartung eines Ereignisses dieser Kategorie, die dieses System ueberhaupt erst konstituiert?
Letzte Woche erwaehnte ich Heinosuke Goshos >Utage – Rebellion of Japan<, der waehrend einer Theatervorstellung Schneesturmmassen aufziehen laesst und die Menschen von ihren Sitzen reisst: je frueher man aufbricht, desto groesser die Wahrscheinlichkeit, dass man unbeschadet vom Sturm nach Hause kommt. Diese Unterbrechung oeffnet den verkapselten Helden weiss ist der Schluessel zu seiner Seele. Bei Wim Wenders ist der Schneesturm Theatervorstellung und Unterbrechung des Systems zugleich. Und in dieser Eigenschaft ein doppeltes Ausbleiben, eine doppelte Negation: Eine Inszenierung, die nicht Gestalt annimmt und eine Unterbrechung, die ausbleibt.
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ps: waiting for god-ot; alles: der prozess...