Eines der ersten Bücher, das ich selbstständig und nicht für die Schule (damals noch Grundschule) gelesen habe und das mir in Erinnerung geblieben ist, war Krabat von Otfried Preußler. Es ist mir jetzt wieder eingefallen, weil ich bei diesem Buch zum ersten Mal gemerkt habe, dass man der Erzählerfigur beziehungsweise der Erzählerperspektive nicht unbedingt trauen kann. Entgegen der Leser-Erwartung ist der unfähige Zauberschüler am Ende derjenige, der am besten zaubern kann.
Für die literarische Bildung war es also nützlich. Zaubern habe ich, entgegen meiner Hoffnung, dann doch nicht gelernt. Heute spielen Bücher eine zentrale Rolle in meinem Leben. Bei der Arbeit an jedem Buch, ob Sachbuch oder Prosa, lerne ich als Lektorin immer wieder viele Fakten – im Manuskript, aber auch in ergänzender Literatur, die ich heranziehe, um das Manuskript zu überprüfen und im richtigen Zusammenhang zu begreifen.
Ein Gedicht ist kein Blindenhund
Zur Bildung tragen Bücher für mich dann bei, wenn sie welthaltig sind, wenn sie Fragen aufwerfen und nicht nur beantworten, wenn sie neue Verbindungen ziehen. Wenn sie etwas bieten, was man (so) noch nicht gelesen hat, dann bilden Bücher. Eigentlich sind auch nur solche Bücher wirklich interessant; nur für solche Bücher kann ich mich dann auch immer wieder begeistern und einsetzen – in dem Vertrauen, dass es nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen etwas anklingen lässt.
Ich habe also auch nicht den konkreten Anspruch an die von mir betreuten Bücher, einen bestimmten, irgendwie nennbaren Bildungsinhalt zu vermitteln – ich betreue ja keine Lehrbücher. Es gibt keine Mittel und Techniken, die Art Bildung zu vermitteln, die ich meine; man kann nur Anstöße geben. Ich setze auf den mündigen, intelligenten, interessierten Leser. “Was will uns der Autor damit sagen? Ein Gedicht ist kein Blindenhund” schrieb Frank Witzel schon 1978 in einem Gedichtband; und das gilt auch heute noch.
Literatur ist keine Rockmusik
In der Bildungsdebatte in Deutschland steht der Geist im Vordergrund und der Körper fällt unter den Tisch, höre ich? Nun, ich hoffe nicht, dass beim Lesen der Körper unter den Tisch fällt, in dem Fall sollte man vielleicht lieber im Bett lesen! Zweifelsohne gibt es bei guter Literatur, ob Lyrik oder Prosa, einen wichtigen sinnlichen Aspekt, eine Freude am Klang, an der Sprache, und diese Freude geht nicht unbedingt über das Bewusstsein.
Aber davon abgesehen, müssen Bücher und Lektüre keine physische Dimension haben, ich finde, sie sollten es auch nicht. Literatur, die wie Rockmusik direkt in den Bauch gehen soll, wurde zwar schon von prominenter Stelle gefordert, aber für mich ist diese Vorstellung ziemlich abschreckend. So etwas mag ich nicht lesen. Lesen ist eine geistige Tätigkeit, mit sinnlichem Vergnügen, gut, aber doch eine geistige Tätigkeit, zur geistigen Bildung. Zur körperlichen Ertüchtigung, die auch wichtig ist, meinetwegen, kann man dann ja doch lieber in den Sportverein gehen.
Um mich weiterzubilden, kaufe ich mir – Bücher. Das ist meine Haupt-Bildungsinvestition, wenn man es finanziell festmachen will. Bei der Recherche nach Fakten, nach Zusammenhängen, auch beim Bibliografieren nutze ich das Internet – aber mit Misstrauen. Beim Gegenprüfen der deutschen, englischen und französischen Wikipedia etwa findet man beim selben Eintrag oft erstaunliche Differenzen. Trotzdem ist es eine wertvolle Hilfe, um schnell an Informationen zu kommen, die man dann viel leichter in so genannten zitierfähigen Quellen nachprüfen kann.
10 Kommentare zu
Körper und Geist sind untrennbar... auch wenn wir uns immer wieder viel Mühe dabeigeben diese Trennung zu erreichen...
Psychomotorik!..