Erst kuendigt der Verfasser gross an, sich “Inglorious Basterds” nicht ansehen zu wollen, und dann zieht es ihn doch am Premierentag ins Kino. Seis drum, denn so kann er wenigstens ein paar der aufgestellten Prognosen beleuchten. Aus eigener Erfahrung kann der Verfasser bestaetigen, dass JYAs auf den Film in der Tat ekstatisch reagieren – Samm Levine mit einer Maschinenpistole Nazis erschiessen zu sehen, das ist ein Moment seltener Exklusivitaet.
Die im Vorfeld geaeusserten Vorwuerfe und Sorgen, der Film verwandele Nazis in Juden, sind verstaendlich und ernst zu nehmen, finden aber keine Entsprechung im Film. Ausnahmsweise mag hier die alte, eigentlich toerichte Entschuldigung Es ist doch nur ein Film
gelten – es geht um moeglichste uebertriebene, moeglichst glorreiche Kinobilder, die nicht die realhistorische, aber wenigstens eine filmhistorische Ungerechtigkeit ausgleichen moegen. Juden mit grossen Kanonen – wer kann was dagegen haben?
Wie immer ist Tarantino in seine Schauspieler verliebt. Quentin-Freund und Muellfilmer Eli Roth (>Hostel<) hat das passende Grinsen fuer den Baerenjuden Donowitz, und hat ausserdem den Propagandafilm-im-Film Stolz der Nation
gedreht, mit dem er unwissentlich auch sein eigenes filmisches Werk demontiert. Til Schweiger ist weniger furchtbar als erwartet, den grimmigen Blick beherrscht er sogar richtig gut. (Keinohrhasen ist deswegen aber nicht verziehen.) Die wirkliche Besetzungskatastrophe ist Diane Kruger, die inzwischen Probleme hat, selbst simple Worte wie dumm
ohne englischen Akzent auszusprechen. Eine duemme Entscheidung.
Daniel Bruehl spielt wie immer sich selbst, fast, und Sylvester Groth erinnert daran, dass die Goebbels-Imitation eine wirklich unterschaetzte Kunstform ist. Jeder Putz mit Plastikfolie kann Hitler imitieren, aber fuer Goebbels, da brauchts Talent. Christoph Waltz spielt den Judenjaeger
Hans Landa erfreulicherweise ohne Eleganz oder Spass an der Soziopathie; zur joker-esken Kultfigur eignet er sich nicht, auch wenn man sich trotzdem vorstellen kann, in den naechsten Monaten irgendwo arme Nazis mit Meerschaumpfeife zu sehen, die verzweifelt versuchen, das ist ein bingo
als gelaeufige Wendung zu etablieren.
Auch wenn Jackie Brown
erahnen liess, wie grossartig Tarantinos Filme sein koennten, wenn er endlich erwachsen werden wuerde – nach Inglorious Basterds
ist man nicht sicher, ob man sich das wirklich wuenschen soll. Seine Filme sind immer noch gerne Meta-Kino – so laesst er einen Nazi und einen Basterd ueber die Definition eines Mexican Standoffs
diskutieren – aber die Erzaehlstruktur ist weniger verschachtelt als noch bei Kill Bill
, eher organisch wie Pulp Fiction
. Weniger l’art pour l’art, vielleicht, und alles angemessen, denn der Film ist ja auch ein ganz reales Statement ueber die explosive Kraft des Kinos.
Und vielleicht braucht es diese innere Lust an der Uebertreibung, manche moegen es Unreife nennen. Denn nur so kann Tarantino in den letzten Momenten des Films mit der noetigen Ernsthaftigkeit und Drastik eine bittere Stauffenberg-Parodie auffuehren, um dann ein Bild zu erschaffen, das die perfekte, kuehne Umsetzung eines Gedankens darstellt, der inzwischen leider ein wenig unpopulaer geworden ist: Deutschland denken, heisst Nazi denken.
6 Kommentare zu
Und ich muss gar nicht judäophil sein. Ich fühl mich nur wohl.
Ich finde es halt äußerst befriedigend, einen modernen Gegenentwurf zum furchtbaren 'Wir dürfen wieder'-Patriotismus zu sehen, der mir etwas wie 'Valkyrie' als Meilenstein im 'deutschen Bewusstsein' verkaufen will, oder wirklichen Schund wie 'Spielzeugland', einem unerträglich widerlichen Film, als stolze deutsche Oscar-Ware präsentiert. Damit kann ich nichts anfangen.