• Worte shamponieren

    Unlaengst hat ein Biologe im Kampf der zwei Kulturen im akademischen Ring eine neue Runde eingelaeutet. Die Geisteswissenschaft, so liess er hoeren, sei eine Verbalwis- senschaft, die Naturwissenschaft dagegen eine Realwis- senschaft und sie allein mache Sinn. Sein Vorwurf erinnerte an Hamlets Seufzer ueber words, words, words, was bei Shakespeare folgerichtig zum Tod fast aller Beteiligten fuehrt. Und besteht nicht auch im grossen deutschen Wort-Spiel Faust jemand darauf, er wolle endlich Taten sehen?

    Ueberhaupt scheint das Reale heute Konjunktur zu haben. Kein einziger Buchladen, kein Hoerspielverlag und kein Theater nennt sich verbal – waehrend eine Supermarktkette, welche auch Buecher, Hoerspiele und Haarshampoos verkauft, real heisst. Der Streit zwischen den res, den vermeintlich echten Dingen, und den verba, ihren sprachlichen Erscheinungen, ist natuerlich so alt wie die Philosophie. Einen nicht geringen Fuersprecher hatten die Anhaenger der verba in der Theologie durch die lateinische Bibeluebersetzung.

    Dort wird der beruehmte Anfang des Johannesevangeliums mit In initio verbum erat uebersetzt, was Luther in Am Anfang war das Wort eindeutschte und Faust schliesslich in Am Anfang war die Tat. Doch wie kuenstlich solche Spaltungen sind, beweist die Sprache und die Geschichte. Ausgerechnet das Tuwort heisst im Deutschen Verb – waehrend heute jene Staaten nicht mehr existieren, die sich – als haetten sie ihrer Existenz selbst nicht getraut – real existierender Sozialismus nannten.


Noch keine Kommentare zu Worte shamponieren

Bisher wurden noch keine Kommentare abgegeben.

Kommentar hinterlassen