Ganz ehrlich? Ich hätte es nicht gewagt, so ein dünnes Geschichtchen einem Verlag anzubieten. Hundertprozentig hätte ich ein Absageschreiben mit folgendem Inhalt bekommen. „In Ansätzen ist das schon ganz ok. Aber bauen Sie die Geschichte noch ein wenig aus, geben Sie den Charakteren mehr Tiefe und bringen Sie irgendeine Idee in die Geschichte ein, die man noch nicht hundertfach in ähnlicher Form gelesen hat.“
Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass dieser kleine Roman genau so bleiben muss, weil er perfekt in den Markt passt. Nicht zu dick, leicht zu lesen, einfache Charaktere, ein bisschen wilde Jugend, ein wehmütiger Blick zurück. Fertig ist ein solides Stück Popliteratur. Ein perfekter Roman für Männer und Frauen Mitte 30 oder 40, die noch mal gedanklich zurückreisen möchten. In die wilde Jugendzeit, als einem noch alle Wege offen standen. Als es die eigene Welt gab und die Welt der Erwachsenen – deutlich voneinander abgegrenzt. Als es nur öffentlich-rechtliches Radio gab und auf allen Sendern Chris de Burgh oder Madness lief.
Der perfekte Roman auch für den Blumenbar-Verlag, der genau diese im Geiste junggebliebene Zielgruppe bedient. Mit immer wieder wunderbar gestalteten Einbänden und liebevoll editierten Innenseiten. Nein, Auerhaus passt prima in die Zeit, ist ein Buch, das man auch mal Jugendlichen in die Hand geben kann. „Hier lies mal, so waren wir damals drauf. Wir haben nicht den ganzen Tag vor der Playstation gesessen“.
Für mich war Auerhaus jedoch nicht der perfekte Roman. Mit einem Schulterzucken habe ich das Buch aus der Hand gelegt und mich gefragt, ob ich da überhaupt etwas zu schreiben soll. Obwohl Bov Bjerg genau mein Jahrgang ist und Auerhaus in einer Zeit spielt, in der auch ich darüber nachdachte, einfach vor der Wehrpflicht nach Berlin abzuhauen, wie viele meiner Kumpels. Trotzdem hat Auerhaus nichts bei mir zum Klingen gebracht. Zu seicht das Ganze, die Geschichte plätscherte so dahin und ich hatte andauernd das Gefühl, das alles schon mal irgendwo gelesen zu haben – bei Herrndorf, bei Regener, bei Hischmann, bei Schamoni oder irgendwelchen anderen Popliteraten.
Der unauffällige Ich-Erzähler und sein problematischer, unangepasster Freund. Diese Protagonisten-Paarung findet man in jeder zweiten, literarischen Jugenderinnerung. Am Ende stehen immer Scheitern, Resignation und die Einsicht, dass man gegen die Welt da draußen, die Welt der Erwachsenen nicht gewinnen kann. Dass es aber gut ist, es zumindest mal probiert zu haben.
Nach dieser Blaupause für erfolgreiche Popliteratur funktioniert auch dieser Roman. Und deswegen wird Auerhaus auch mit Sicherheit jede Menge junggebliebene Leser und begeisterte Fans finden. Mir ist es nicht gelungen, das gut zu finden, aber ich habe es zumindest mal probiert.
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Sophie vom Blog Literaturen und Gérard von Sounds & Books haben Auerhaus auch gelesen und sind etwas anderer Meinung.
Titelfoto: Gabriele Luger
Blumenbar Verlag.
240 Seiten, 18,00 €
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Dass Blumenbar die genannte Zielgruppe bedient, habe ich bisher noch nicht so gesehen. Eher dass sich der Verlag doch einige Experimente leisten darf. Und das finde ich außergewöhnlich und wie schon beschrieben, fürs Auge immer gut umgesetzt. Empfehle aus dem Blumenbar Programm Kings of nowhere oderCalifornia beide sind eindeutig nicht auf die genannte Zielgruppe ausgerichtet und doch ebenso liebevoll gestaltet. Ansonsten: herzlichen Dank für die eindeutige Aussage zum Auerhaus.
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