Frankfurter Tanz

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Die Buchmesse steckt mir immer noch in den Knochen. Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen und all das, was alten Männer blüht, die ihre Grenzen nicht kennen. Die in drei Tagen mehr reden, mehr laufen und mehr saufen, als sonst in einem ganzen Monat. Die darüber aber nicht weiter nachdenken und erst recht nicht reden wollen und es im nächsten Jahr wieder genauso machen werden.

Von den skandalösen politischen Auseinandersetzungen habe ich, wie so viele andere auch, Null mitbekommen und finde es total frustrierend, dass die wenigen unschönen Ereignisse scheinbar das sind, was von dieser Buchmesse in Erinnerung bleiben wird. Die sendungsbewussten Linken in meiner Filterblase posten und teilen schlaue Kommentare zur Lage der Nation, alle anderen befinden sich in einer Art Schockstarre und fragen sich, ob ein launiger Messerückblick jetzt angemessen ist oder nicht.

Ich habe auch noch so einen Bericht, und er wird nicht besser, wenn er noch länger in der Schublade ruht. Also bitte lest hier das, was mir auf der #fbm17 aufgefallen ist, was mir gefallen und weniger gefallen hat, wie es um die Literatur in Deutschland steht und welche Rolle wir Blogger*innen dabei spielen. Meine Meinung zum politischen Beef habe ich im Bild gestickert.

Messenächte

„Komm, lass uns abhauen, ich will tanzen“ sagt Vera und schaut mich unternehmungslustig an. Seit zwei Stunden schon stehen wir inmitten einer Schar illustrer Gäste auf einer Verlagsparty im Frankfurter Villenviertel und fühlen uns einerseits geehrt dabei zu sein, andererseits auch ein wenig fehl am Platze. Die Highlights bisher: eine halbe Stunde Lesung auf Französisch, Bier nur auf Nachfrage und ein Buchpreisgewinner, der sich in der Schlange am Buffet dreist vordrängelt. Ich höre auf, Michel Friedman und Matthias Matussek anzustarren und blicke auf die Uhr. „Halb elf. Ja, lass uns zu Hanser fahren“.

In Mantis Roofgarden treffen wir dann mehr von unsereins und fühlen uns gleich deutlich wohler. Unsere Gastgeberin Frauke hat ein tolles Kleid an und riecht sehr gut nach irgendwas Teurem von Chanel. Um 24.00 Uhr wird gesungen und Sekt getrunken, denn Vera hat Geburtstag. Danach geht es auf die Tanzfläche mit dem besten Mix der 90er. Die Musik geht eigentlich gar nicht, aber egal, es ist Buchmesse. Um drei Uhr ziehe ich die Notbremse und fahre im Taxi zu meiner Rödelheimer Absteige.

Messetage

Am nächsten Morgen ist die Freude groß, dass ich es nicht übertrieben habe. Mit kaum Kopfschmerzen, festem Schritt und einer freundlichen Grundstimmung betrete ich um 10.00 Uhr Halle 3. Die Termine bei den Verlagen hat Mareike gemacht, und ich darf mitkommen. Einige freuen sich, mich auch mal kennenzulernen, andere weniger. Mein Blogger-Relations-Verlagsranking ist scheinbar nicht überall gut angekommen, besonders bei denen, die nicht so gut abgeschnitten haben. Ich argumentiere, das locker zu sehen und als Ansporn zu begreifen, aber das macht es nicht unbedingt besser. Wesentlich entspannter sind die Termine dann bei den besser platzierten Verlagen.

Arroganzanfall 

Sinn und Zweck so einer Buchmesse ist es natürlich auch, neue Kontakte zu knüpfen. So hatte ich mir vorgenommen, mal bei den Österreichern von Jung & Jung vorbeizuschauen, weil mich der Verlag generell interessiert und ich im Vorfeld einige interessante Neuerscheinung dort gesehen hatte. Ich gehe also an den Stand und frage eine Frau vom Standpersonal, ob sie denn auch mit Bloggern zusammenarbeiten würden. „Kommt drauf an“, lautet die schnippische Antwort. „Ach ja, und worauf?“ frage ich und ahne schon Fürchterliches. Und dann bricht es aus ihr heraus: „Wir legen Wert auf ein gewisses Niveau bei Buchbesprechungen, und da sind wir von Bloggern bisher immer enttäuscht worden“. Ich habe dann weiter nachgefragt und festgestellt, dass es ganz konkret um eine Rezension einer Buchpreisbloggerin zu einem Shortlist-Titel vom letzten Jahr ging, die dem Verlag wohl nicht behagt hat. Ich habe die besagte Rezension vor ein paar Tagen noch mal nachgelesen. Ein Verriss, ja, aber sehr gut begründet und ohne eine einzige Niveaulosigkeit. Niveaulos finde ich dagegen die Reaktion von Jung & Jung, die damit als Neueinsteiger in meinem persönlichen Blogger-Relations-Ranking auf Anhieb den letzten Platz einnehmen. Herzlichen Glückwunsch.

Spontane Sympathie

Ganz anders erging es mir am Stand von Weissbooks.w. Durch die Longlist-Nominierung von Christoph Hötherks Roman „Das Jahr der Frauen“ bin ich auf diesen mir bis dato komplett unbekannten Frankfurter-Indie-Verlag aufmerksam geworden. Ich blätterte am Stand in ein paar Bücher rein und wurde von der Verlegerin sofort angesprochen. Es ergab sich ein sehr inspirierendes Gespräch und nach zwanzig Minuten habe ich den Stand als leidenschaftlicher weissbooks-Fan verlassen. So geht das, liebe Österreicher.

Sonstiges

Und dann waren da noch der Buchblog-Award, diverse Blogger-Stuhlkreise und natürlich der Kickoff für die zweite Blogbuster-Staffel. Nicht anwesend und schmerzlich vermisst wurden Tilman, Ilja und Sophie und noch einige andere der üblichen Verdächtigen. Unübersehbar dagegen ein Typ Namens ‚literarischer Nerd‘, von dem ich zum ersten Mal gehört habe, der aber schon als Newcomer des Jahres die Messe rockte.

Ach ja, und wie steht es nun um die Literatur in Deutschland? Keine Ahnung, davon habe ich in Frankfurt nicht so viel mitbekommen.

5 Antworten auf „Frankfurter Tanz

  1. Sehr schön. Das Vergnügen der durchtanzten Nacht wird noch Monate anhalten. Merci an dich und Thomas für die gläzenden Einlagen.
    By the way, du schummelst bei spontane Sympathie 😉 aber lassen wir das.
    Herzlichst

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  2. Da muß ich „Jung und Jung“ ein bißchen verteidigen, denn ich frage dort auch gelegentlich an und bekomme dann immer und meistens sehr schnell die Bücher und habe die „Zusammenarbeit“ vor allem mit Anna Jung auch immer sehr konstruktiv und freundlich gefunden.
    https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/09/20/sexismus-im-literaturbetrieb/
    https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/09/22/jochen-jungs-wunderkind-und-quotenmann/
    „Klartraum“ https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/10/16/klartraum/ habe ich übrigens auch nicht so gut besprochen, mal sehen, ob ich noch ein Buch bekomme?

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