“Sie glauben also, daß es da ist, dieses Kuba?” Er war nicht sehr groß, schmal, ein überaus dunkelhäutiger Weißer, von dem man vor zweihundert Jahren angenommen hätte, daß er zur See gefahren sei; heutzutage lag sicher ein Sonnenstudio näher. Seine Augen wasserblau in einem zerknitterten Gesicht. Jeans-Anzug aus den 60ern, Espandrille an den Füßen. „Das glauben Sie wirklich?“ „Ähem“, machte ich. „Wie meinen?“ „Der wievielte ist das jetzt?“ Er nickte auf mein perlendes Glas. „Der dritte. Ich warte auf jemanden.“ Er rückte mir ein bißchen zu nahe. „Na“, sagte er, „dann werden Sie sicher bald auch glauben, daß es Fidel Castro noch gibt.“ „Ich hatte bisher keinen Anlaß zu zweifeln.“ „Wissen Sie, ich weiß genau, was Sie einwenden wollen: Daß es immer wieder Reisegruppen und sogar Einzelne gibt, die hinreisen und Zeugnis ablegen können.“ „Genau.“ „Ich war lange Pilot“, erzählte er. „Ich weiß, wovon ich spreche. Wenn Sie mir auch einen solchen Cocktail spendieren, dann erzähle ich Ihnen die Wahrheit.“ „Teure Wahrheit“, sagte ich. Aber weshalb nicht? Müde winkte ich dem Barkeeper, der sah mich an. Ich sah den Mann neben mir an. „Ja“, sagte der, „Cuban Island“, und er fügte nach dem ersten Schluck, indem er sich mit der Unterlippe die hängengebliebene Feuchtigkeit von der Oberlippe leckte, fast nahtlos an: „Es gibt Kuba nicht. Nicht mehr.“ „Bitte?“ „Seit genau neununddreißig Jahren.“ Er nickte. „Bumm“, sagte er und kippte sein Glas. „Bumm?“ „Krieg ich noch einen?“ Ich winkte dem Barkeeper. „Bumm?“ „Atomschlag, ja. Alles weggeputzt. Hat nicht länger als fünf Minuten gedauert. Kennedy, Sie wissen schon. Schweinebucht und so.“ „Hören Sie, was ein Unsinn! Die Russen hätten aber was protestiert!“ „Nein. Es war ein Deal. Im Gegenzug durften die den ersten bemannten Raumflug starten.“ Er nickte vor sich hin. „Und die vielen Urlauber, die Journalisten?“ „Die Urlauber… das ist es ja gerade. Ich bin immer wieder nach Kuba geflogen mit Reisegruppen. Zum letzten Mal vor 34 Jahren. Ich war nämlich Pilot. Lufthansa. Die Leute haben immer gedacht, es sei Kuba.“ „Das war es nicht?“ Er schüttelte den Kopf. „Südsee“, sagte er. „Eine Hollywood-Insel. Man hat da ganz Havanna neu aufgebaut, künstlich. Und einen Schauspieler für Fidel Castro eingesetzt. Und Tausende Statisten, die hinmüssen, wenn sie in Hollywood grad nichts zu tun haben.“ „Bitte?“ „Zur Bewährung, sozusagen. Alle auf der payroll des CIA. Wahrscheinlich wollten die USA ausprobieren, ob der Kommunismus nicht doch funktioniert. Jetzt können sie natürlich nicht mehr zurück, wenn sie sich nicht blamieren wollen. Außerdem, wenn das mit der Bombe herauskäme… Deshalb haben die Journalisten ja auch alle mitgemacht. Ich sag Ihnen, es gibt keine korruptere Bande. Glauben Sie keinem Reporter jemals ein Wort!“ „Es hat wirklich niemand gemerkt, daß das gar nicht Kuba ist?“ „Keiner. Natürlich wurden wir zur völligen Verschwiegenheit verpflichtet. Doppeltes Gehalt, verstehen Sie?“ „Wir?“ „Die Piloten. Alle Piloten für Kuba. Wären Sie auch drauf eingegangen, glauben Sie mir. Es ist nicht das erste Mal, daß die Weltgeschichte sich zu schweigenden Geheimgesellschaften verdichtet.“ Er sah mir meinen amüsierten Zweifel an. „Aber das müssen Sie doch wissen!“ rief er aus. Ich: „Was muß ich wissen?“ „So naiv können Sie nicht sein!“ „Naivetät gehört wirklich nicht zu meinen hervorstechendsten Charaktereigenschaften…“ Er schüttelte halb resigniert, halb seinerseits belustigt den Kopf. „Schon unfaßbar“, sagte er leise, „wie gut das funktioniert.“ „Was funktioniert?“ „Man kann es hinausbrüllen, man kann es veröffentlichen. Man kann täglich darüber sprechen. Und niemand glaubt einem. Es gehört ja geradezu zum Prinzip einer bestimmten Form von Geheimhaltung, daß sie unterlaufen werden muß, damit sie richtig dicht wird.“ Er stürzte auch sein zweites Glas, dann schob er sich vom Barhocker. „Na gut“, sagte er, „trinken Sie weiter, mein Freund. Ich für meinen Teil muß jetzt los. Darf ich Ihnen noch eine angenehme Nacht wünschen?“ „Sie können doch jetzt nicht einfach weg?“ „Weshalb nicht? Ich hab gesagt, was zu sagen ist. Machen Sie was draus. Das ist mir, seien Sie sicher, völlig wurscht.“ Damit ging er, und ich sah ihm, ich geb es zu, lange noch irritiert hinterher.
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Sehr schön. Mit wenigen Strichen so eine Thekenszene in mir ausgelöst. Und dann noch dieser Weg durch den Dialog bis hin zu der Pointe, ganz großes Kino.
Diese kurze Lobhudelei musste ich eben los werden. Ich werde mich mal dran halten und MEERE, die Letzte Fassung lesen. Liegt immer noch auf dem Stapel: Lesen! Viel Erfolg für Ihre Arbeit.