Das Burka-Verbot im zweiten Serengeti-PP, nämlich der Nummer 180: am Donnerstag, dem 3. Juli 2014.

(Meru Mbega, 9.19 Uhr.
Bruno Mantovani, Cellokonzert.)


Das Problem mit >>>> Geparden besteht darin, daß auch sie Katzenflöhe haben, die sich zwischendurch auch mal an Menschen wohltun; lange halten sie’s nicht aus, unser Hautmilieu ist ihnen zu sauer, aber probieren tun sie’s halt doch. Außerdem sind Geparden durchaus tolerant, was sexuelle Präferenzen anbelangt, und wenn man eine Löwin zur Seite hat, die auf der Anwesenheit der Geparden im Bett, ehrlich: im Bett!, besteht, dann sind tansanische Nächte nicht unbedingt ausschlaffördernd. Dazu kommt einiger Wodka gestern abend, den Ngaro von einem russischen Chartergast als Dankesgabe bekommen und aber aufgehoben hat; kaum daß der Leopard wieder grollte – die tiefe Stimme ist ihm dienlich, Wild zu täuschen, weil Bässe sich nicht orten lassen –, holte er die etikettlose (!) Flasche hervor: Selbstgebrannter offenbar. Immerhin hab ich einen vollständig klaren Kopf heute morgen, was eine wodkatypische Tugend ist, aber zu Afrika irgendwie nicht paßt. Doch wir hatten uns, nachdem der Europäische Gerichtshof das französische Burkaverbot bestätigt hat, das dadurch nunmehr für sämtliche europäischen Länder gilt, ziemlich heißgeredet nach dem, Teresa, in der Tat vorzüglichen >>>> Gazellenmahl: Ngaro wie die Löwin für das Verbot, ich, wie immer bei Verboten, dagegen. Nein, ich begrüße es nicht, daß man Frauen wegsperrt oder sonstwie ausschließt, ganz im Gegenteil, aber es werden mir unterdessen zu viele der Einschränkungen; die Erscheinungsformen von Leben werden ausgedünnt, die im kapitalistischen Interesse Gleichmacherei – ich werde darauf >>>> in meinem Vortrag morgen zu sprechen kommen – ist mir ungeheuer; es scheint gar kein Vertrauen auf unsere Kulturkraft mehr zu geben, auf ihre Selbstorganisation und Fähigkeit, Dogmen aufzuweichen; in Hessen, las ich nach, gibt es sogar ein Kopftuchverbot. Demnach dürfte man so berühmte Filme nicht mehr zeigen wie „Über den Dächern von Nizza“, worin Grace Kelly, nachmals Grazia von Monaco, ebenfalls ein Kopftuch trägt. Anstelle den fundamentalen Islam zu verstoffwechseln, wird er zementiert. Ich empfinde das als gefährlich. Dabei könnten wir ihm, was ihm fehlt, kulturell geben: eine Metaphysik. Die aber liegt nicht im Interesse der funktionalen Ökonomie. Usw. Auf diese Weise dreht sich die Schraube. Abgesehen davon ist ein solches Urteil eine Beschädigung des Toleranzbegriffes, der für die moderne abendländische Kultur grundlegend ist, bzw. war.
Aber das Urteil ist nun Fakt, und wer hier leben möchte, muß es akzeptieren. Mein Unbehagen, dennoch, bleibt. Wobei ich fast sämtliche Argumente gegen die Burka, das heißt: gegen die Totalverschleierung, nicht nur verstehe, sondern auch teile. Ausgeschlossen wird aber ein Raffinement, ein durchaus erotisches, im Umgang mit ihr. Ich erinnere mich sehr gut an den Campus von Bershe’wa, als ich dort, der Vortragswiederholungen leidig, rauchend saß und drei sehr hochgewachsene, pappelschlanke Frauen in vollkommenem Schwarz vorbeiflanierten, deren einer, den Blick auf mich gerichtet, „versehentlich“ der Gesichtsschleier fiel; schwarzflammende Augen, als hätten sie auf mich geschossen, ließen mich erstarren, ich konnte keinen Finger mehr rühren, saß wie eine Statue da, ins Eisherz getroffen. Schon war der Schleier wieder oben, alles ging vor sich ohne irgend einen Laut, und die drei Königinnen gingen nicht, nein schwebten davon. Sprachlos sah ich ihnen hinterher.
Es sind diese Möglichkeiten, um die ich uns zunehmend beraubt sehe.
Aber die Löwin hat selbstverständlich recht: Wer in unsere Kultur kommt und hier leben möchte, muß sie ganz ebenso akzeptieren, wie wir, wenn wir ins Ausland reisen, die dortigen Gepflogenheiten zu beachten haben. Mir gefällt alleine d a s nicht, dies mit Verboten durchzusetzen, anstelle mit eleganter Hand und dem Vertrauen in das, was uns eigen. Übrigens hat die Löwin auch damit recht, daß die Verschleierung >>>> keine Vorschrift ist, die im Koran steht. Genau hier wäre abendländisch anzusetzen: das erst einmal zu kennen, wogegen vorgegangen wird, und Auslegungsgespräche zu führen. Statt die Fronten aufzuweichen, befestigen wir sie.
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Mein Rückflug startet bereits heute abend, der Sechssitzer diesmal bis Dodoma, dann mit der Boeing nach Frankfurtmain und in den Zug. So werde ich morgen bereits gegen Mittag in Stuttgart sein und im Hotel oder, bei gutem Wetter, draußen vor einem Café gut Zeit haben, mich für den Abend vorzubereiten. Um 18 Uhr treff ich dann >>>> José F.A. Oliver, nach einer langen Zeit, auf den ich mich ausgesprochen freue; er hat diese Reihe im Stuttgarter Literaturhaus initiiert und trägt sie auch mit.
Hab ganz gut am Kreuzfahrthörstück gearbeitet gestern und werd damit gleich weitermachen, derweil die Löwin und Ngaro bereits auf die nächste Pirsch aufgebrochen sind; diesmal nicht zur Jagd, sondern „nur“ Sightseeing, auch ohne Jeep, einfach zu Fuß. Dann sei das Gewehr aber besonders nötig:


Unser „maior domus“ Ngaro (in
seiner Wildhüteruniform kurz vorm Aufbruch).

Er ist immer noch wegen des Leoparden beunruhigt, dabei pennt der tagsüber. Die beiden Geparden nicht, die mich jetzt immerhin in Ruhe lassen; auch ihre Flöhe haben sie wieder mitgenommen.Trotzdem jucken meine Waden. Das war früher schon bei meinen Hauskatzen so, daß deren Ungeziefer einen echten Narren an meinen Waden gefressen hatte, und an meinen Fersen.
So, Herbst, Schluß des Causierens. Ich bin nicht zum Plaudern hier, sondern zum Vögeln und zum, eben, Arbeiten.

[Philippe Schoeller. The Eyes of the Wind
für Violoncello und Orchester.)
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Alban Nikolai Herbst

Über Alban Nikolai Herbst

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