„Der Bauch ist fruchtbar noch“, kommentierte ich eben, Brecht zitierend, >>>> den Kommentarbaum unter dem gestrigen Arbeitsjournal. Es hat einen Vorteil, ein Haßträger zu sein, weil sich an einem solchen Energien reiben, von denen allzu oft gedacht wird, so etwas gebe es nicht mehr. Doch, so etwas gibt es, und es kann auch – geeignete gesellschaftliche Zustände vorausgesetzt – jederzeit wieder zu ihrem Ausbruch kommen; es muß sich nur jemand oder etwas finden, sie zu lenken.
An sich wollte ich mich heute in Der Dschungel überhaupt erst sehr spät äußern, weil wirklich der Nibelungentext fertigwerden muß, auch wenn mir gestern >>>> Nora Gomringer, eine der Herausgeber/innen der diesmaliegen >>>> Horen-Ausgabe, schrieb, ich dürfe mir, wenn es nötig sei, auch noch etwas Zeit lassen: aber bitte nur dann, wenn der Text es verlange. Meine übrigen Abläufe verlangen aber seine möglichst heutige Fertigstellung; andernfalls komme ich mit der Überarbeitung des Neapel-Hörstücks in die Bedrouille. Hinzu kommt, daß ich – wann gab es das zuletzt? – überhaupt erst um zehn Uhr aufgestanden bin. Als ich gestern nacht mit dem Rad vom Wannsee heimkeim, zwar erschöpft, aber noch ziemlich aufgekratzt noch vor allem hungrig, futterte ich noch einiges in mich hinein, kam dann erst gegen zwei ins Bett und dachte und setzte es um: keinen Wecker stellen, sondern mal schauen, wann du von selbst wachwirst. So ist es geschehen.
Aber welch ein schönes Fest das war!


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Ob ich heute zum Sport kommen werde, ist, nachdem ich nun doch einige Zeit für Die Dschungel aufgewendet habe, anstatt mich auf den Nibelungentext zu konzentrieren, ungewiß. Vielleicht gegen abend; Krafttraining wär heute wieder dran. Andererseits würde ich gerne „durchschreiben“, „durcharbeiten“, ohne weitere Unterbrechung. Ich bin durch Vorgänge wie >>>> die von gestern ablenkbar, manchmal denke ich: leider; dann wieder denke ich: genau das, diese vielleicht nur scheinbare Ablenkbarkeit entspricht meiner digressiven Erzählweise, die wiederum viel mehr der Welt entspricht als ein „realistisches“, auf sein jeweiliges bestimmtes Erzählvorhaben begrenztes und sich von allem anderen isolierendes Vorgehen: Regelkreise, wie der für mein Denken wichtige >>>> Bateson das nannte, werden zum Motor der Ästhetik, Nexūs also, und von der einen Synapse eines Werkes führen zahllose Axone in die andere, und zurück, und auch die Synapsen sind zahllos. Das künstlerische Werk als Zusammenhang. Daß zahllose Axone, bzw. Dendriten, auch in die Werke ganz anderer Autoren – überhaupt anderer Menschen und in viele weitere Erscheinungen – führen, kommt selbstverständlich noch hinzu.
Erster Herbst: Wir merken es an den Abenden, die frisch geworden sind, und an den kühlen Morgen: Der Sommer ist vorbei. Aber schon seit Tagen liegt wadenhoch, ich sah es, wenn ich lief, gefallenes Laub auf den Wiesen. Ein Gefühl des Abschieds ist damit verbunden, das allerdings, so sehr ich den nahenden Herbst bedaure, zum Sterbebuch gut paßt: zu seiner Melancholie, wie sie mir vorschwebt: zu seinem Klang. Und doch, wie wollte ich, daß mir der Sommer noch bliebe! Der Winter war zu lang dieses Jahr. Süden! Bitte! Ich möchte noch mal in den Süden –
[P.S.:
Jeder auch noch so billige, noch so persönliche, noch so unlautere Angriff kann mir zum Anlaß einer ausgedehnten Reflektion werden; auch deshalb, möglicherweise, habe ich die – vielen Leser:inne:n nicht ganz begreifliche – Tendenz, alles, wirklich alles ernstzunehmen, auch wenn’s mich weit unter der Gürtellinie trifft und genau das eben auch soll. Ich drehe es herum in einen literarischen Anlaß.]
20.11 Uhr:
Durchgeschrieben: Der Entwurf – aber er ist quasi schon die Erste Fassung – des Nibelungentextes steht; für einen „Rohling“ ist das Ding bereits zu ausgefeilt. Jetzt was essen, dann noch ein paar Feinheiten bearbeiten. Vielleicht nutze ich auch noch morgen die Früharbeit.
Einigermaßen erleichtert, daß es mir jetzt doch so gut von der Hand ging. Es war klug, den Sport heute ausfallen zu lassen. Morgen dann wieder.