Im Mythos gefangen.09.12. 2008. Paul Reichenbach hat keine Zeit für ’s Alphabet.

Trahit sua quemque voluptas.
Vergil, Bucolica II 65 :
« Jeden treibt seine eigene Begierde »
Übers. Aikmaier: Jeden zieht seine eigene Begierde.

… Ihr glücklichen Menschen, die Ihr schon Eure Trophäen erbaut! Wenn ich das so ansehe, und hinter mich sehe – nichts als den Staub meiner Courierchaise gewahr werde, und mit aller Krafft – meine verdammten Postklepper noch nicht im Zaum halten kann – ia! Dann schäme ich mich und sage nicht ein Wort. – Boehlendorff, Jena, 14. Aug. 1799, an Johann Smidt

Jede Sprachkrise ist eine Existenzkrise, die letztlich nur durch Bilder, die sich der Sprache asymptotisch nähern überwunden werden kann. Es ist zum Verzweifeln, seit Tagen sitze ich an der Überarbeitung des 2. Kapitels der 3. Fassung meiner „Litauischen Krankheit“ und werde dauernd gestört. Seit Tagen meint hier immer nur die Abende, wo ich meist zu abgeschlafft bin, um genügend assoziative Freiheit zu gewinnen, die Worte in allen Sätteln reiten lässt. Und wenn dann noch Telefon und Klingel nörgeln, ist es ganz aus. Mir fehlt auch die Raumvorstellung. Ich muss hin zur „Kurischen Nehrung“. Gestern, die Urlaubsplanung für nächstes Jahr steht an, sprach ich von meinem Wunsch ab Usedom die Ostseeküste bis nahe Riga mit dem Fahrrad zu erobern. Die Reaktionen verrieten gelinde gesagt keine große Begeisterung. Das Land der Griechen nicht nur mit der Seele suchen, das wäre möglich. Der Süden wird in meinem Haus immer favorisiert. Nicht von mir, damit hier keine Missverständnisse entstehen. Nicht mehr lange bis Weihnachten. Ich habe, bis auf den Rilke-Zwetajewa- Band und der kennt nicht einmal seine Adresse, noch kein einziges Geschenk. Kommt Zeit , kommt Rat.

Bildquelle: >>>>Bernardí Roig

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13 Antworten zu Im Mythos gefangen.09.12. 2008. Paul Reichenbach hat keine Zeit für ’s Alphabet.

  1. Avatar walhalladada sagt:

    „Das Phantasma wird gewöhnlich als ein Ort verstanden, welches das Begehren des Subjekts realisiert – diese grundliegende Definition erscheint recht zutreffend, vorausgesetzt, wir nehmen sie wörtlich: was das Phantasma inszeniert, ist nicht ein Schauplatz, an dem unser Begehren erfüllt, vollkommen befriedigt werden könnte, sondern im Gegenteil ein Schauplatz, der als solcher das Begehren r e a l i s i e r t und inszeniert.
    Der Kernpunkt der Psychoanalyse ist nämlich, dass das Begehren nicht etwas ist, das vorab existiert, sondern etwas, das konstruiert werden muss – und genau dies ist die Rolle des Phantasmas: dem Begehren des Subjekts Koordinaten zu setzen, dessen Objekt zu spezifizieren, die Position zu bestimmen, die das Subjekt in seiner Szenerie einnimmt etc.
    Nur durch das Phantasma konstituiert sich das Subjekt als begehrendes: Durch das Phantasma lernen wir zu begehren.

    (Slavoj Zizek,’Mehr-Genießen‘, Wien 1992, S.9)

    • Avatar Paul Reichenbach sagt:

      Sprache, Begehren….

      „Um das Sprechen des Subjekts zu befreien, führen wir es in die Sprache seines Begehrens ein, das heißt in die erste Sprache , in der es schon jenseits dessen, was es von sich sagt, vor allem mit der Symbolik seiner Symptome ohne sein Wissen zu uns spricht.“ – schreibt Lacan. Ein Schauplatz des Phantasma, glaube ich, ist die Sprache.

  2. Avatar stabigabi5 sagt:

    was man so sein eigen nennt.
    „Ich hätte ja von der Begierde nichts gewusst, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: Du sollst nicht begehren.“ heisst es im römerbrief. hätte ich nicht. und jetzt soll gleich alles meins sein auf dem resteflohmarkt der liegengelassenen libidolaubfänger? meine begierde und meine sünde. sieht so objekt klein a aus? ist das der ganze mehrwert? ich dachte, man habe die produktion von schummelfiguren eingestellt, nein?
    ich wollte es gar nicht. es ist viel zu groß fürs regal. und ausserdem ist es schon was welk. man soll den geweihfarn nur einmal die woche tauchen. hab ich gemacht. und die blätter nicht abwischen. hab ich nicht gemacht. es kann sein, dass es daran liegt, dass man ihn zu viel oder zu wenig gewässert hat. hab ich beides nicht. ich hab den immermann abgesagt, jetzt quält mich mein gewissen. komm, so schlecht wäre er nicht gewesen. wohl wahr.

    • Avatar Paul Reichenbach sagt:

      objet petit.

      Nein – das ist nicht der ganze Mehrwert. Das mögen Schummelfiguren glauben machen. Objet petit ist Meer -wert.

    • Avatar walhalladada sagt:

      Wie kann man denn den Immermann absagen…? Wenigstens seinen Münchhausen sollte man gelesen haben 🙂

    • Avatar Paul Reichenbach sagt:

      Auch seine Novelle „Der neue Pygmalion“ ist lesenswert. 🙂

    • Avatar stabigabi5 sagt:

      abba de jedüchte. menno. der mann hat kein rhythmusgefühl, bei aller kritischen klasse und fantastischer gesellschaftskritik. aber 18 seiten bei DEM lektor. ich weiss, wie das ausgeht, das gibt wenigstens hundert anmerkungen und einen handapparat wie buch der akribik. wenn ich auch etwas zerknirscht bin über meine voreilige kapitulation. aber die vögel im wald machen es auch so, kapitulation, ohoho, und ein paar immitationen von bier trösten mich drüber hinweg, was hat mich bloß indoktriniert, seufz.
      hätte ich doch? einen ganzen märz mit immermann in edenkoben? ich dachte, ich komm davon schlecht druff? ich wollte nämlich eigentlich in die steppe und mich dem viszeralen realismus widmen, wollte ich doch. jetzt hockt der zweifel wieder beim fehlerteufel im büro und ich höre genau, was sie sich über mich erzählen.

  3. Avatar Aikmaier sagt:

    @ Paul Reichenbach; objet petit philologique: „trahit sua quemque voluptas.“

    „Jeden ZIEHT seine eigene Begierde.“

    Denn vom Zielpunkt her werden wir gezogen, auf es hin (so unerreichbar es auch sei…); nicht etwa von Rücken her getrieben wie von Eumeniden…

    Also: Nicht zurückschauen! Das ist ja wohl auch Boehlendorffs Problem gewesen.

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