Bildnis eines behinderten Mannes
September 6, 2010
Freude, Freude. Nach 6 Wochen Intensivstation hat mein Papa heute mit mir ein Happy Birthday gesungen, zu seinem 84er, geschwächt, ein fast unbeweglicher Körper im Intensivbett, aber vielleicht gehts jetzt gesundheitlich wieder bergauf.
Der unbewegliche Körper, der behinderte Körper, in all seiner Nacktheit, bloßgestellt den gesellschaftlichen Blicken. Im Kleinen erlebbar auf der Intensivstation, im künstlerischen erllebbar im Bildnis eines behinderten Mannes im Schloss Ambras. Dazu gibt es jetzt – nach einem auf eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Bild rekurrierenden Buch – einen 45minütigen Dokumentarfilm „Das Bildnis eines behinderten Mannes“ – auch als DVD erhältlich, als solche in meine Sammlung einverleibt und soeben betrachtet.
Volker Schönwiese von der Uni Innsbruck – der meiner Meinung nach derzeit innovativste Typ auf dem Bereich der Forschung über Behinderung – hat das Projekt geleitet. Eine Forschergruppe aus behinderten und nichtbehinderten Menschen, Kunstschaffende und Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler haben sich mit dem Bildnis aus dem 16. Jahrhundert auseinandergesetzt und mit dem, was es uns heute zu sagen hat. Ein Film, der zum Nachdenken anregt, zum Nachdenken darüber, wie unser Blick heute im 20. Jahrhundert auf Menschen mit Behinderung ist.
Interessant das Bildnis selbst, das einen nackten Mann – nur mit einer roten Kopfbedeckung und einer weißen HAlskrause bekleidet vor schwarzem Hintergrund auf dem Bauch liegend darstellt. Hinter seinem Kopf sehen wir ein Holzkästchen. Arme und Beine sind verkrüppelt. Zu seiner Entstehungszeit war der Körper mit einem Vorhang bedeckt, den der Betrachter oder die Betrachterin hochheben konnte, um so einen Blick auf den Krüppel werfen zu können. Der Mann selbst schaut die ihn Betrachtenden direkt an, der Blick ist so gezeichnet, dass er einem immer nachfolgt.
Ausgehend von diesem Bild gibt es Betrachtungen zu Blicken, die auf behinderte Menschen fallen, heutzutage, verunsichernd, voyeuristisch aber auch zu Darstellung von Menschen und Kindern mit Behinderung, fürsorgend, helfend – und wie weit diese Blicke Würde geben oder nehmen. Manches wird auch nur angerissen, so etwa die Frage der Auseinandersetzung mit Sexualität – gerade auch von Männern mit Behinderung, aber auch die Frage nach Erotik im weiblichen Körper.
Innsbruck scheint mir ein gutes Pflaster zu sein für die Selbstbestimmt Leben Bewegung, für die Disability Studies und für einen selbstbewussten Zugang zur Gesellschaft. Der Film ist allemal sehenswert.
September 9, 2010 at 10:03 am
Alles Gute für deinen Vater, habe dich übriges am Diestag angerufen, weil ich wissen wollte, wann der Caritas Pflegetag am Stephansplatz ist