Jutta Miller-Waldner: Sowat von süss (Humoreske)

Sowat von süss

Jutta Miller-Waldner

Kutte mümmelte seine Grobe-Leberwurst-Schrippe, trank einen Schluck Red Bull, noch einen Schluck Red Bull. Red Bull mochte er, das machte munter, war schön süss, fast so wie Kaugummi. Den mochte er nämlich nicht, weil er immer an seinem Gebiss kleben blieb, und der Zahnarzt damals war nicht der beste. Und Kukident konnte er sich auch nicht oft leisten.
Er guckte in die Dose: „Mist, schon wieder alle“, blinzelte in die Morgensonne: „Und nu, wat mach ick nu? Ne Lulle hätt ick jerne. Am liebsten ne Pall Mall. Die schmeckt so schön nach Menthol. Aba wer roocht schon sowat. Na ja, ne Lucky tät’s ooch. Mal sehn, ob ick eene schnorren kann.“ Er leckte die letzten Krümel von seiner Groben-Leberwurst-Schrippe aus der Alufolie ab, knüllte sie zusammen, wanderte zum Papierkorb und schmiss die Red-Bull-Dose und die Folie rein.
Marschierte los.
Sah die Frau schon von weitem, vergass die Lulle.
„Mensch, sieht die jut aus. Jenau det, von wat ick imma träume. Kleen, schnuckelich, allet dranne, kann man nich meckan. Schwarzer Bubikopp. Man, da steh ich druff. Jenau meen Typ. Ob ick die anquatsche? Nee, jeht nicht, wat icke schon wieda denke. Ick bin nischt, hab nischt, werd nischt.
Wat mach ick nur. Die sieht aba ooch zu süss aus. Ich muss die anquatschen. Nee, nachher schreit die um Hülfe. Oda, noch schlimma, kiekt ma vaächtlich an. Det vertrach ich nicht. Schon ja nich von sona Süssen. Oda sie drückt ma nen Heiamann in de Hand. Det wär det Ende. Det überleb ick nich.
O Mann, wie die so den Weg langstakst in ihren roten Lackledaschuhchens. Bestimmt is det ‘n Zehn-Zentimeter-Absatz. Mindestens. Könnt ick stundenlang zukieken.
Eijentlich seh ick doch janich so übel aus. Filleicht merkt die ja nich, det ick keen festen Wohnsitz hab. Wie det so scheen in Beamtendeutsch heesst. Beamten. Nee, mit denen will icke nischte zu tun ham. Det ick ‘n Penna bin. Bin keen Penna, bin ‘n Berba. Det is ‘n jewaltija Unterschied. Weess die aba nich.
Jotte nee, die is ja sowat von süss.
Bisken zaknittat meene Jeans. Na und. Na ja, peinlich is det schon, det der Knopp von det Hemde ab is. Det kann doch aba jedem passiern. Nee, ‘nem Bankdirekta natürlich nich. Der hat sowieso ’ne Haushälterin oda sowat. Uff jeden Fall ’ne Frau. Eben. Ick muss die anquatschen. Aba sonste bin ick doch janz schnieke. Muss bloss jerade jehen und den Bauch einziehen. So, jut, det jeht.
Mensch hat die tolle Beene. Sowat von schnuckelich. Det is meen Jlückstach heute.
Hat die Oojen, kann ick ja nich rinkieken. Da kriech ick jlatt weeche Knie.
Jleich jeht se vorbei. Wat saach ick nur zu ihr? ‚Kenn wa uns nich?‘ Quatsch. ‚Scheener Tach heute.‘ Nee. Jeht ooch nich.
Mensch, det is keen Leben nich, ick bin total aus de Übung. Na ja, bin sowieso janz schön schüchtan. Hab ma nie jetraut, ’ne Frau anzuquatschen. Da bin ick imma sowat von rot jewordn. Denn ha ick ooch noch imma jestottat.
Wat is’n det, hey, wat soll det. Wat will denn der Macka da von der Kleenen? Wo kommt der denn her? Ha ick ja janich jesehen. Mensch, wenn der der Süssen bloss nischt tut. Da muss ick sofort die Bullen holen. Wat denn, der umarmt sie? Wat, die küsst ihn? Meene Kleene?
Und nu, wat mich ich nun den janzen Tach? Ne Lulle hätt ick jerne. Mal sehen, ob ick eene schnorren kann.“ ♦


Jutta Miller-WaldnerJutta Miller-Waldner
Geb. 1942 in Berlin, zahlreiche Lyrik- und Kurzprosa-Publikationen in Zeitschriften und Anthologien, Lesungen in Deutschland, Spanien, Österreich und Ungarn, verschiedene literarische Würdigungen, Vorsitzende der IGdA, lebt als Autorin, Lektorin und Chefredakteurin von „IGdA-aktuell: Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik“ in Berlin

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