Rainer Wedler: Keiner hat Gottfried Wilhelm gefragt (Satire)

Keiner hat Gottfried Wilhelm gefragt

Rainer Wedler

Keiner hat Gottfried Wilhelm gefragt, wie auch, der war schliesslich tot, ziemlich lange schon. Hermann Bahlsen ficht das nicht an. Leibniz hat noch Glück gehabt, weil Bismarck schon für den Hering vergeben war. Nicht auszudenken, ein saurer Leibnizhering mit weichen Gräten! Immerhin kriegt der Leibniz postum als Cakes eine Goldmedaille auf der Weltausstellung in Chicago, wenn schon die Welfen ihren Philosophen nicht zu schätzen wussten. Leibniz – Hannover – Bahlsen – Keks. Natürlich hat der hinterlistige Herr Bahlsen die Konnotation gewollt: Bahlsenkeks – dem Leib nizt! Und was haben wir heute? Den couch cake. Der Gerechtigkeit halber sei allerdings hinzugefügt, dass viele dem Hannoveraner gefolgt sind, die Beukelaers und die Griessons, die Lambertzs und die Coppenraths usw. usf.

Ich kekse, wenn du kekstest.
Ich kaks bereits, sagst du, mein Keksweib, meine Kebse.
Wie schade, wo wir doch stets zusammen keksend auf dem Laken lagen.
Und Krümel piekten.
Nicht wenn ich die Kekse im Apfelkorb versteckte.
Und doch, sagt sie, die Kekse haben Zähne.
Ich weiss, ich weiss, bei Leibniz sind´s gar 48. Wenn ich genau sein will, sind an den vier Ecken noch furchteinflössend grosse Reisszähne, macht nach Adam Riese 52.
Und du, sagt sie, hast nicht mal 32 mehr.
Du gehst mir auf den Keks, sag ich, ich kekse jetzt allein, du Keifweib von einer Kekse.

Leibniz sei´s geklagt, der Keks ist alt und wabbelig, heraus kriecht die Monade. Die Keksverkäuferin hat mich betrogen, die graugraue Kellerassel, die nachts nackte Egelschnecke. Zu hoch gegriffen, Freund, es fehlt das on, genau schau hin, es ist nur eine Made, eine ganz gemeine Made nur, just made in Moder. Da hat sich´s ausgekekst.

Kegelkekse sollen rollen für den Sieg. Siech heil! Was sollen Prinzenrollen sollen? Nichts und abermals nichts. Kackkekse sind´s, dreh fleissig die beiden runden Deckel gegenläufig in deinen warmen Händen, bis sie sich lösen. Was siehst du dann? Kackbraunen Keksekleber, den Kinder mit viel zu grossen Schneidezähnen herunterkratzen, bis sie Keksbrei kotzen (pardon!) und das Verhältnis der Anzahl ihrer Zähne sich bald verschlechtert zur Leibnizzahl von 52.

Der Keksfortschritt in Gestalt des Fortschrittskekses ist unaufhaltsam. Panta rhei. Heraklit soll´s gesagt haben, sagt Simplikios aus Kilikien, sagt die Zunft der Philosophen. Aber auch das Volksgut weiss davon zu berichten: Und wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein (neues) Kekslein her. Und das heisst: Soft Cake Orange. Kein Agent Orange zwar, doch reicht´s, die Geschmacksknospen zum Verdorren zu bringen. For ever! Einen Big Mac in seinen Lauf hält weder Ochs noch Esel auf. Zur Not kommt er eben als Cake Orange. Basis = ein fluffy Keks, Zwischenlage = Pampe mit chemorange Geschmack, obendrauf ein Schokoladenhut, tut immer gut.

Wer nun glaubt, der Panzerkeks schützte ihn gegen alle Arten von aufdringlichen, aber auch heimtückisch getarnten Keksen, der irrt. Er ist ein grosser Irrer vor dem Herrn, aber er möge sich trösten, er ist nicht allein. Hier gilt die altüberlieferte Weisheit: errare humanum est (nach Hieronymus, Brief 57). Der Panzerkeks, auch Panzerplatte, ist zwie- und dri-, gar viegebacken, furztrocken ist er dann und diente einst als Proviant für Krieger und Seeleute. Letztere tunkten ihn ins Brackwasser ihrer Trinkgefässe, dann schoben sie die amorphe Masse zwischen ihre skorbutösen Zähne und würgten sie hinunter. Als Heldenspeise hat das panis militaris bis heute überlebt und soll so manchem zum Überleben verholfen haben. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Schnupftabaksdose des Alten Fritzen. Das schussfeste Stück, nicht Friedrich, die Dose natürlich, kann heute noch im Museum bewundert werden. Und was, bittschön, ist der Unterschied zwischen einem kleinen Holzkästchen und einer Panzerkeks 4x5x0,5 cm?

Alleine keksen ist wie einsam koksen, ergo mach ich kehrt und kriech auf krebsesweise zurück zu meiner Kebse. Genug des Stabens, wo laben wir denn? Im Labsaal, dem dämmerig erleuchteten, da find ich sie, ausgebreitet in ihrer ganzen Pracht, aufbereitet, ja zubereitet und wunderbar drapiert. Für mich? Für mich! Fürcht ich mich? Ich Johann Fürchtegott und sonst nichts auf der Welt.
Mein süsser kleiner Knabberkeks, so fang ich an.
Nichts, nur ihre Kügelchen gehen langsam auf und ab und auf und ab.
Rate mal, was ich dir mitgebracht?
Nichts, nur ihre Kügelchen…
Einen Glückskeks.
Nichts, nur…
Knusper, knusper Knäuschen, welch Sprüchlein ruht in meim Kabäuschen?
Sie stellt die Beine auf, sie lebt!
Ich singe: Wie freu ich mich, wie freu ich mich, wie treibt mich das Verlangen.
Die Quietschkautsch fällt ein in meinen Lustgesang.
Lass den Qietsch, sagt sie unwirsch. Und räkelt sich und röchelt was, ruckeldiezuckel, fällt hinter sich. Aufs Kanapee. Zurück
Bleib liegen, Wittchen weiss wie Schnee! Mein Zweiunddreissigzähnigs.
Wer knappert an meim Kekschen? fragt sie.
Ich bin´s der Wolf und fress dich auf mit Haut und Härchen.
Ich ruf den Jägersmann und dann! Und dann.
Dass ich nicht lach, der weide Mann hat sich verkekst im finstern Tann, wo ihm der Fuchs geklaut sein Navy-Navi. Warum auch hat er nicht sein Waldi-Navi mitgenommen.
Du kecke quecke Schnecke, steh auf und wandle, dich, und mich zum Zwecke, weisst schon was.
Warum schon wieder das!
Why not! Und dies und das, zum Spaks, mein Knabberkeks. Vastekst?

Notwendiger Ekskurs: Prof. Dr. Käk S. Deause will in seiner über erkleksliche Jahre sich erstreckenden Forschungsarbeit herausgefunden haben, dass ein direkter Zusammenhang bestehe zwischen dem Keks als solchem und der Libido als solcher, nicht hingegen zwischen der Libido an und für sich und dem Keks für sich an. Alles Keksolores, meint hingegen sein schärfster Widersacher in rebus panificiorum Prof. Dr. mult. Butt R. Cakes von der Oxford University, Department Cooking & Baking,  Deause habe als Franzose die Interessen der Biscuit- und Gâteaulobby der Grande Nation vertreten, man solle sich doch nur einmal seinen Namen genau ansehen. Damit stehe er, Deause, in der verkorksten Tradition des unseligen Marquis de la Galette, der im Fin de Siècle eine Professur an der Sorbet in Paris innehatte, dem man den Schlund beizeiten mit Brei von Keks hätte zustopfen müssen. Der Wissenschaftsgesellschaft wäre viel Ungemach erspart geblieben.

Ich, Schüler des kritischen Empirismus, neige nach zahlreichen Experimenten und deren exakter Auswertung den Ergebnissen der Deauseksen Forschung zu, ja, ich würde sie, wenn es denn sein müsste, jederzeit in einem Streitgespräch verteidigen. Und, dies würde allerdings die Grenzen der Sittlichkeit für manchen überschreiten, und ich würde sogar einen kleinen Kreis von Exzellenzforschern zu einem Feldexperiment einladen.

Zurück in der guten Stube.
Der Boden voller Brösel. Der Bröselhund ist tot, der Putzfrau hat gekündigt, was tun? Tschto delat? (Lenin 1912) Das haben wir´s: Schoko lad. Der dunkle Schokokeks, die Haare wirr, liegt immer noch auf weicher Lade, schade, und weiss nicht, tschto delat.
Der tiefe Brunnen weiss es wohl; In den gebückt, begriffs ein Mann, Begriff es und verlor es dann.
Hartkeks, der ich bin, partiell, doch immerhin, lass ich mich von dir erweichen, deiner weichen Weisheit.
Dann komm, mein Prinz, zum Doppelkeks.

Pan di stelle meldet sich zum Dienst, tiefbraungebrannt, hochdekoriert mit elf Zuckersternen, leuchtend weiss wie Kristall, fürs Nahkampfkeksen ohne Kettenhemd und Helm. Reiss mir die Sterne ab, Kiksilitzchen sind´s sonst nichts, und degradier mich zum Gemeinen! Ganz unten will ich wieder anfangen und mich hochkeksen in der Kekserkarriere, mir Stern für Stern aufs neu im ketzerischen Kebsendienst erwerben.

Nun aber, in Zeiten fortschreitender Profanierung des Heiligen, so auch des allerheiligsten Kekses, duplo und dreieinig, soll´s Kekse geben in Form und Grösse von Visa Card und Visitenkarten. Darf ich Ihnen meinen Visitenkeks überreichen? Oder:tut mir leid, aber wir akzeptieren keine Visakekse. Nicht bewährt hat sich der Postkartenkeks. Nicht einer soll den Empfänger nach der Stempelung unverkrümelt erreicht haben, die Deutsche Post weigert sich daher, weiterhin Kartenkekse zu befördern. Natürlich ist es jedem unbenommen, seinen Nachrichtenkeks höchstpersönlich zu überbringen, es sind allerdings nur wenige derartige Fälle bekannt geworden und diese sollen sich auf innerörtliche Bereiche erstreckt haben. Kinder, so geht die Fama, haben sich als nicht zuverlässig erwiesen, weil sie – man hätte es sich denken können – die Nachrichtenkekse kurzermund gegessen haben.

Eine längere Karriere war dem Kassiberkeks beschieden. Lesen und essen ist eins. Da konnten die Ärzte noch so oft röntgen oder lange auf den Stuhlgang warten, nichts zu sehen, nichts zu finden, viel zu riechen. Mancher Kokserchef hat seine Geschäfte aus dem Knast problemlos weitergeführt. Auf welch krummen Wegen nun irgendein Kriminaler, dem das Ganze gewaltig auf den Krimikeks gegangen war, hinter das Geheimnis gekommen ist, weiss die interessierte Öffentlichkeit bis heute nicht. Die Behörden mauern. Den Journalisten zeigen sie die Monsterkekseszähne.

„Back dir deinen Feind“ war der Slogan für den Psychokeks aus der Esoterik-Dunkelkammer. Mitgedacht war natürlich „Und friss ihn!“ Menschenschützer haben dem Spuk ein Ende gesetzt. Allerdings mussten sie einen weiten Weg gehen über alle Instanzen bis nach Karlsruhe. Ob der Geschäftsfrachter heute unter fremder Flagge fährt, weiss ich nicht, denkbar ist es alle Mal.

Mir jedenfalls hat der Mörderkeks als solcher sehr gut getan, und keiner kann mich daran hindern, hin und wieder mir einen Feind zu backen und zu fressen und letztendlich der cloaca maxima zuzuführen. In schönster Bastarda für den älteren Feind oder in Verdana für jüngeren steht auf dem keksekleinen Platz, um nur zwei Beispiele zu nennen: Möge es dir übel ergehen im Lande (Bastarda) oder To hell with you, motherfucker! (Verdana). Ich kann mir Zeit lassen, die Rache kalt geniessen, erst die Zähne am Rand abbeissen, dann Wort für Wort zerbeissen und zerspeicheln. Genuss ist langsam oder er ist nicht (deutsches Volksgut).

Oh du mein Rehkikslein auf dem Canapee. Schokoladentaler hast du statt Augen! Ohnegleichen locken deine Brüste!! Oh mandelförmiger Cantuccio sempre umido!!! An dir möcht ich mich totfressen, Komet werden am vollbekeksten Firmament, als neuer Keks dort leuchten in Ewigkeit Amen. ♦


Rainer Wedler - Schriftsteller - Glarean MagazinRainer Wedler

Geb. 1942, nach dem Abitur als Schiffsjunge in die Türkei, nach Algerien und Westafrika; Studium der Germanistik, Geschichte, Politik, Philosophie, Promotion über Burleys „Liber de vita“; zahlreiche Lyrik-, Kurzprosa- und Roman-Veröffentlichungen

Lesen Sie im Glarean Magazin von Rainer Wedler auch Die Weihnachtsaktion (Satire)
ausserdem zum Thema Satiren über das „Tintenfass“ im Diogenes-Verlag: „Was zum Teufel ist mit Gott los?“

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