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Aus dem wilden Kaukasus
von Wolfgang-Armin Rittmeier
„Die Musik von Komitas kommt“, – so Paul Griffeth in seinen Anmerkungen zu dem kürzlich bei ECM erschienenen Album „Komitas – Seven Songs“ – „was Raum und Zeit angeht, aus einer ungewöhnlichen Ecke der westlichen Musik: zum einen vom äussersten Rand dessen, was man westliches Gebiet nennen könnte – Armenien – und zum anderen auch aus den entferntesten Bereichen der romantischen Musiktradition des 19. Jahrhunderts.“ Tatsächlich haben es nur wenige Komponisten Armeniens bis ins Bewusstsein des europäischen Musikliebhabers geschafft – am ehesten vielleicht Alan Hovhaness, der (obschon Amerikaner) aus einer Familie armenisch-amerikanischen Ursprungs stammte und sich mit der Geschichte und Musiktradition seiner Vorfahren beispielsweise in seiner „Exile Symphony“ auseinandergesetzt hat.
Der armenischen Nationalmusik verbunden
Der Komponist, der ursprünglich Soghomon G. Soghomonian hiess und erst nach seiner Weihe zum Mönch gemäss der Tradition der armenisch-apostolischen Kirche als nun Neugeborener auf den Namen Komitas getauft wurde, war vielseitig begabt, wobei er sich speziell der armenischen Nationalmusik verbunden sah. Diese Nationalmusik sah er in den armenischen Volksweisen unmittelbar verkörpert, die er darum konsequent als Grundlage seiner meisten Kompositionen für Klavier wählte und sich somit bewusst oder unbewusst in die nationalromantische Musiktradition Europas einreihte.
Auf der hier vorgelegten CD nun finden sich – der Titel führt da etwas in die Irre – ausschliesslich Klavierkompositionen. Die den Titel für die Kompilation stiftenden „Seven Songs“ finden sich gleich zu Beginn. Als „Yot Yerg“ (= Sieben Lieder) hat sie Komitas 1911 sowohl als Werke für Gesangsstimme als auch für Klavier solo herausgebracht. Pianistin Lusine Grigoryan, die aus Armenien stammt, hat sie mit Bedacht an die erste Stelle des Programmes gestellt, offenbaren sie doch exemplarisch die typische Verfahrensweise des Komponisten, seine Klaviersätze so zu gestalten, dass sie klanglich an Instrumente der armenischen Volksmusik erinnern. Und so vermitteln die sieben kurzen Stücke für den Hörer Klänge, die eigentlich der Tar, der Daf, der Duduk oder der Zurna zugehören. Neben dieser gewissermassen didaktischen Dimension der hier vorgestellten Werke Komitas‘ hat es der Hörer mit einer Musik zu tun, die trotz ihrer am Volkslied orientierten Ausdruckweise alles andere als volksliedhaft im romantischen Sinne wirkt. Von nirgendwoher winkt ein Mendelssohn, ein Silcher, auch Schumann nicht, weder Brahms noch Vaughan Williams grüssen von fern.
Schwebender Musik-Charakter vermittelt Zeitlosigkeit

Das Überraschende und enorm Spannende der auf dieser CD vereinten Miniaturen – von dem gut zehnminütigen Tanzszene „Msho Shoror“ einmal abgesehen dauert kaum ein Stück länger als drei Minuten – ist, dass ihr häufig Zeitlosigkeit vermittelnder, schwebender Charakter. Gern gebe ich zu, dass ich beim ersten Hören der hier versammelten Stücke zunächst vermutet habe, es handle sich beim Komponisten um einen gegenwärtigen, einen, der sich in der Tradition eines Pärt wähnt. Es ist schon verblüffend wie nahe sich Komitas‘ Idiom bisweilen an Stücken wie dessen „Für Alina“ oder „Spiegel im Spiegel“ bewegt. Die „Sieben Tänze“ („Yot Par“) oder die zwölf „Stücke für Kinder“ („Mankakan Nvag“) wirken aufgrund ihrer tänzerischen Rhythmik nur im ersten Moment anders, und das auch nur graduell und nicht im Kern. Die beiden Nuclei des Personalstils Komitas‘ bilden überall die seltsam schwebende Grundhaltung und einen der Welt etwas entrückten Tonfall – zwei Idiosynkrasien, die vom ersten Ton an zu fesseln vermögen.
Pianistin Lusine Grigoryan erweist sich als kongeniale Interpretin dieser Musik. Luftiges, glasklares Spiel, sanfteste Anschläge, silbrige Tongebung, eine enorm sicher austarierte agogische Arbeit und eben jenes Händchen für den ganz speziellen Ton der Werke ihres Landmannes fügen sich wie selbstverständlich zu einer ausgesprochen stimmigen Lesart, die es schafft, diese Musik noch lang im Inneren nachhallen zu lassen. ♦
Komitas: Seven Songs, Lusine Grigoryan (Klavier), Audio-CD, 50 Minuten, ECM CD-Label
Alan Hovhaness: Exile-Symphony (CD
Danke fuer das Vorstellen dieser Cd. Die Musik von Komitas ist es echt wert und das Spiel von Lusine Grigoryan bringt eine hochwerigste Reinheit hervor. Selten hatte ich je das Gefuehl wie bei dieser Musik, die Noten seiee freischwebend in feinsten Stoff aus Stille geflochten..
Aber! Katchaturian zu verschweigen im Artikel ist mir verfremden vorgekommen und wenn schon Pärt, na dann sicher sollte der grösste Meister der modernen Komponisten Armeniens erwähnt werden, Tigran Mansurian. Danke