Die Werke sollten hauptsächlich für eine der drei Sprachen Tschechisch, Slowakisch oder Latein komponiert sein, und sie werden für drei unterschiedliche Alterskategorien ausgeschrieben. Je nach Kategorie darf die Dauer eines Liedes zwischen zwei und vier Minuten betragen.
Die Kompositionen können a cappella oder dann mit Klavier oder anderen allgemein erhältlichen Instrumenten begleitet sein. Einsende-Schluss ist am 31. Mai 2021, hier finden sich die weiteren Einzelheiten (PDF) der Ausschreibung (engl.) ♦
As part of its annual music contest „Opus Ignotum“, the Czech National Information and Consulting Centre for Culture NIPOS is launching an international composition competition 2021 for children’s choir.
The works should be mainly composed for one of the three languages Czech, Slovak or Latin, and they are announced for three different age categories. Depending on the category, the duration of a song may be between two and four minutes. The compositions can be accompanied a cappella or then with piano or other generally available instruments. The closing date for entries is 31 May 2021. Click here for further details (PDF) of the call for entries. ♦
Der holländische Grossmeister Jan Hein Donner (1927-1988) wird bei der jungen Generation weitgehend in Vergessenheit geraten sein, zumal er auf der Schachbühne nicht in die obersten Ränge gelangen konnte. Und ausserhalb der niederländischen Schachliteratur sind nur wenige biografische Details über ihn verbreitet worden. Der Ende April verstorbene Autor Alexander Münninghoff hat dem nonkonformistischen Schach-Grossmeister und -Autor ein bemerkenswertes literarisches Denkmal gesetzt, das nun auch in Englisch erschienen ist.
Johannes Hendrikus (Hein) Donner war sicherlich die schillerndste Figur in der Geschichte des niederländischen Schachs – jedenfalls auf GM-Niveau. Als Spross einer prominenten, streng calvinistischen Familie in Den Haag – sein Vater Jan Donner brachte es zum Justizminister der Niederlande – sollte Hein als Einziger des sechsköpfigen Donner-Nachwuchses aus der Art schlagen: Er hatte zwar halbherzig einige Semester Jura absolviert, entschloss sich dann aber – sehr zum Leidwesen seines Vaters – zu einer keineswegs risikofreien Profilaufbahn im Schach. Ein weitgehend ungebundenes, bohemienhaftes Leben in der Schachwelt entsprach seinem Naturell offenbar weitaus mehr als eine konventionelle Laufbahn im Establishment.
Mal top, mal flop
Scharfzüngig, faul, witzig, polemisch, genial: Johannes Hendrikus (Hein) Donner (1927-1988)
Hein Donner (GM-Titel 1959) war ein weit überdurchschnittliches Talent, um nicht zu sagen Genie in die Wiege gelegt, aber zumindest als Schachspieler hat er den in ihn gesetzten Erwartungen nicht recht entsprochen. Seine Faulheit, gepaart mit einem Mangel an Disziplin und Ehrgeiz (er verfolgte nicht die Neuerungen in der Eröffnungstheorie, bereitete sich auf Turniere in der Regel nicht vor und gab sich mit dem Erreichten zufrieden), zeitigten ein ständiges Auf und Ab in den Turnierresultaten und verhinderten den Aufstieg in die höchsten Sphären, wobei ihm auch noch eine ausgeprägte Russenphobie im Wege stand.
Im Gedächtnis der Nachwelt ist Donner vor allem als Verlierer zahlreicher Kurzpartien verblieben, die ihn im Kreis seiner internationalen GM-Kollegen zum Gespött machten als „unumstrittenen Träger der Narrenkappe“ 1). Gleichwohl war er in der Zeitspanne zwischen Max Euwe und Jan Timman der stärkste niederländische Schachspieler.
Zur Ehrenrettung Donners sei hier eine seiner respektablen Gewinnpartien präsentiert:
In seiner Spielleidenschaft hat sich Donner auch in unzähligen anderen Spielen (u.a. Bridge) versucht, lediglich vom Damespiel hat er sich verächtlich abgewandt.
Einen grossen Teil seiner Freizeit verbrachte Donner in der Amsterdamer Szene („The Ring Of Canals“) bzw. im elitären Künstler-Zirkel „De Kring“, den er gemeinhin abends und nachts aufsuchte, da er erst am späten Nachmittag aus dem Bett zu steigen pflegte. Dort traf er auf die lokale Intelligenzia, mit der er sich in unermüdlichen Diskussionen messen oder aber den Clown spielen konnte. Donner, der sich schon früh zu einem notorischen „contrarian“ entwickelte hatte, also grundsätzlich die gegenteilige Meinung seines Gegenübers einnahm, war nicht nur körperlich (mit knapp 2 m Grösse), sondern auch intellektuell ein Riese. Ausgestattet mit einem messerscharfen Verstand, mit enormer Eloquenz und sardonischem Witz, war er praktisch jedem Gegner verbal gewachsen, wenn nicht überlegen. Und sollte ein Disput zu einem Faustkampf eskalieren, was gelegentlich vorkam, so besass Donner auch hier aufgrund seiner Obelix-artigen Statur Vorteile. Es darf daher nicht wundern, wenn die Zahl seiner Freunde überschaubar blieb. Seine legendäre Dauerfehde mit Lodewijk Prins (Ehren-GM 1982) soll hier nur erwähnt sein.
In der Romanliteratur verewigt
Verewigte seinen Freund Donner in der Figur des Onno Quist: Schriftsteller Harry Mulisch
Eine tiefe Freundschaft verband Donner mit dem Schriftsteller Harry Mulisch, dem Donner literarisch nachzueifern suchte – nicht immer zum Vorteil seiner Turnier-Performance (siehe z.B. Santa Monica 1966). In seinem Roman „Die Entdeckung des Himmels“ (1992) hat Mulisch seinen Freund posthum in der Figur des Onno Quist verewigt. In diesem Kontext ist auch das aufschlussreiche Interview zu erwähnen, das Dirk Jan ten Geuzendam mit Harry Mulisch geführt hat (Kap. 11 – Harry Mulisch’s Heinweh).
Weitaus erfolgreicher als am Turnierbrett war Donner als Schachschriftsteller, hier konnte er seine Lust an der Polemik und Provokation gleichermassen ausleben. Aber unter seinen zahllosen, in über drei Jahrzehnten in diversen holländischen Zeitungen publizierten Artikeln finden sich auch manche seriösen Beiträge. Eine Selektion seiner besten Artikel ist als Anthologie erschienen: „The King – Chess Pieces“ steht in der Gunst der internationalen Leserschaft bis heute ganz oben. [Rezension von Taylor Kingston]
Nach einem Schlaganfall im August 1983, der Donner für die letzten Lebensjahre in ein Pflegeheim verbannte, blieb ihm, an den Rollstuhl gefesselt, nur das Schreiben als einzige kreative Beschäftigung. Mit einem Finger auf der Schreibmaschine verfasste er minimalistische Beiträge: Für „Na mijn dood geschreven“ [Nach meinem Tod geschrieben] wurde ihm 1987 der höchst angesehene Henriëtte-Roland-Holst-Preis verliehen. Auch die öffentliche Erstpräsentation von De Koning: Schaakstukken konnte er noch (in einem miserablen Zustand) erleben. Er hat sein Schicksal klaglos hingenommen. Eine im November 1988 unversehens eingetretene Magenblutung bedeutete den endgültigen Exitus.
Donners Frauen – ein wechselhaftes Glück
Donner lernte seine erste Freundin Olga Blaauw im Frühling 1949 kennen, sie lebten gut sechs Jahre ohne Trauschein zusammen. Die Trennung wurde unerwartet ausgelöst durch einen Heiratsantrag Donners (nach dessen Rückkehr von Göteborg 1955), der die Leidenschaft instantan erlöschen liess.
Donners zweite Frau und spätere Stadträtin von Amsterdam: Irène van de Weetering
Die zweite erwähnenswerte Dame, die in Donners Leben trat, war Irène van de Weetering, im Jahre 1958 noch „eine 18-jährige Nymphe“. Als sich Ende 1959 Nachwuchs ankündigte, war die eigentlich unerwünschte Heirat nach calvinistischem Reglement unvermeidlich. Das zweite Kind kam Anfang 1962. Während Donner seinen Nachwuchs (Sohn und Tochter) abgöttisch liebte, war das Verhältnis zu seiner Ehefrau deutlich kühler – schon bald nach der Trauung hatte er eh ein promiskuitives Wanderleben begonnen. Die marode Liaison ging schliesslich vollends in die Brüche, als sich Irène 1966 der anarchistischen Provo-Bewegung anschloss und Stadträtin in Amsterdam wurde (Scheidung 1968).
Donners letzte Frau war die Anwältin Marian Couterier, die er 1971 ehelichte. Die Verbindung verlief von Beginn in harmonischen Bahnen, und Hein wandelte sich gar zum Familienmensch, eine Tochter kam 1974 zur Welt. Die Ehe währte bis zu Heins Tod.
Polarisierender Charakter mit Bohemien-Charme
Nicht jeder wird sich mit der Persönlichkeit eines Hein Donner identifizieren können, zu ambivalent sind hierfür die Eindrücke, die man bei der Lektüre gewinnt. Donners zwanghafte Streitsucht insbesondere im trunkenen Zustand, sein despektierliches Verhalten gegenüber Meisterkollegen, sein Dominanzgehabe sind Attribute einer merklichen Ungeniessbarkeit. Hierzu mögen auch noch sein meist schmuddeliges Outfit und eine nachlässige körperliche Hygiene zählen. Indes gehörte Donner zu einer Spezies, die in der heutigen Schachszenerie ausgestorben ist: Ein echtes Original mit Ecken und Kanten und einem sehr spezifischen Humor. Ein unabhängiger Geist, der sich nicht um Konventionen scherte, der sein Leben lebte, wie er es wollte, auch wenn es (durch übermässiges Rauchen und Trinken) gesundheitlich bedenklich schien oder er sein soziales Umfeld brüskierte. Und schliesslich war er einer der besten und unterhaltsamsten Schachschriftsteller aller Zeiten.
Biograph ohne Beschönigungen: Alexander Münninghoff
Alexander Münninghoff hat diesen polarisierenden Charakter vortrefflich beschrieben, dabei unangemessene hagiografische Beschönigungen bewusst vermieden. Eine gewisse Nachsichtigkeit des Autors gegenüber seinem biografischen Objekt ist zwar spürbar, aber nicht gravierend. Die englische Übersetzung ist rundum gelungen und – solide Englischkenntnisse vorausgesetzt – flüssig lesbar, zumal der Autor seine Darstellung chronologisch angelegt hat. Vor allem hat er die wichtigste Forderung beherzigt, die ein gutes Buch erfüllen muss: Es darf seine Leserschaft keinesfalls langweilen! Daher gebe ich eine klassische Empfehlung weiter: „Lest die besten Bücher zuallererst; sonst kommt ihr überhaupt nicht dazu, sie zu lesen.“ (Henry David Thoreau)
Neun Seiten Bildtafeln (18 s/w-Fotos aus Donners Leben) und ein Kapitel mit 34 kommentierten Donner-Partien (Recherche/Analysen von Maarten de Zeeuw) komplettieren das Werk. Fehler sind eher selten, lediglich die auf S. 128 mit Nr. 23 referenzierte Partie gegen Kortschnoi sucht man in der Partieauswahl / Kap. 12 vergeblich. ♦
1) Die Runde um die Welt machte die sensationelle Kurzpartie des Chinesen Liu Wenzhe gegen Donner, Olympiade Buenos Aires 1978 (s. S. 265), die erste Partie, die ein Chinese gegen einen westlichen GM gewann. Kommentar Donner: „Now I will be the Kieseritzky of China.”
„Il Gondoliere Veneziano“ mit Arien von Cerruti, Tartini und Vivaldi nimmt den Hörer mit auf eine klangschöne, zauberhafte Reise durch die berühmte Lagunen-Stadt. Dabei werden gar live in Venedig aufgenommene Toncollagen integriert. Eine CD von und aus einer Stadt, die von Klängen und Musik lebt.
Bei unserem letzten Venedigbesuch vor fünf Jahren sind wir nicht Gondel gefahren. Wir haben auch keinen Gondoliere singen gehört. Mitgenommen haben wir trotzdem den Eindruck, dass Venedig eine Stadt der Klänge ist, und zwar sehr unterschiedlicher. Morgens, wenn die Stadt sich langsam füllt, klingt sie anders als mittags, wenn der Strom der Touristen die Stadt fast zum Platzen bringt. Und zur gleichen Zeit wieder anders, wenn man ausweicht in Bereiche, die von den Tagesbesuchern nicht frequentiert werden, oder man mit dem Vaporetto zu entfernten Bereichen flieht. Abends, wenn die meisten die Stadt verlassen haben, meint man, sie habe ihre eigene Stimme zurückbekommen.
Auf den Wassern des Canale Grande
Beim Hören dieser CD entstand das Bild des Venedigs in mir, dass ich erlebt habe. Das liegt nicht unwesentlich an den Toncollagen, die vom Klang Duo Merzouga (Eva Pöpplein und Janko Hanushevsky) in Venedig aufgenommen und teilweise elektronisch ergänzt wurden. Es liegt natürlich auch an der Musik.
Bariton Holger Falk (geb. 1972)
Bariton Holger Falk singt Lieder, welche die Gondoliere ehemals gesungen haben könnten. Zu hören sind sie in den Kanälen der Lagunenstadt schon lange nicht mehr, doch waren sie im 18. Jahrhundert in ganz Europa berühmt, und einige Sammlungen wurden veröffentlicht. Aus diesen bedient sich der Sänger reichlich, mischt auch noch anderes darunter, zum Beispiel eine Arie von Tartini. Diese ist ein ganz besonderer Leckerbissen, denn von Tartini gibt es sonst fast nur Instrumentalmusik zu hören.
Holger Falk wird bei seinen mit Engagement vorgetragenen Liedern – wozu durchaus auch ein schrilles Lachen gehört oder ein beiläufiges Vor-sich-hin-singen – vom Ensemble Nuovo Aspetto begleitet, einige singt er auch a capella. Dazwischen gibt es Instrumentalsätze von Vivaldi. Ein Programm, das zeigt, was Venedig ist: Eine Stadt, die von Klängen und Musik lebt.
Zu loben ist auch das ausführliche Booklet. Es enthält nicht nur Informationen zur Produktion und zu den Künstlern, sondern auch einiges über den musikalischen Hintergrund. Sogar Herr von Goethe kommt zu Wort, mit Auszügen aus seiner „Italienischen Reise„. Besonders schön ist, dass auch die Liedertexte enthalten sind, neben dem Original jeweils auch eine deutsche und englische Übersetzung. So weiss man, wovon Holger Falk so mitreissend singt: Von einer nächtlichen Gondelfahrt, von Liebe und Liebesverlust und von Armut. Am Ende weiss man mehr über die vergangene Musik der Gondoliere. Mag sie auf den Kanälen in Venedig nicht mehr zu hören sein – dass sie den Weg wieder in die Konzertsäle oder wenigstens auf die hauseigene Musikanlage gefunden hat, ist zu begrüssen.
Dieses Programm ist geeignet für ein breites Publikum, nicht nur für Liebhaber Alter Musik. In Zeiten, in denen die persönliche Reisefreiheit durch eine Pandemie eingeschränkt ist, verhilft diese CD zu einer virtuellen Reise an die Adria. Das ist mehr, als man von einer CD mit Alter Musik erwarten kann. ♦
Sagen Sie, was kann man da machen? Da kann man nichts machen, denn da ist nichts zu machen. Wenn da nichts zu machen ist, ist nichts zu machen. Warum wollen Sie etwas machen, das führt stets zu nichts. Wenn nichts zu nichts führt, führt nichts zu etwas. Etwas ist immer nichts, deshalb ist etwas nichts. Also ist nichts nichts und etwas ist auch nichts. Da ist nichts zu machen, da hilft alles nichts. Na sagen Sie mal, da hört alles auf
Im Glarean Magazin hat das Sudoku-Quartett eine langjährige Tradition. Diesmal stellen wir wieder vier besonders einfache, aber in ihren Symmetrien sehr unterhaltsame Zahlen-Puzzles vor. Auch Sudoku-Novizen sollen also wieder auf ihre Kosten kommen. Wir wünschen viel Spass beim Rätsel-Knobeln!
Nutzen Sie zum Ausdrucken den entspr. Button in der Menü-Leiste („PDF herunterladen“). Die vier Auflösungen der Rätsel finden sich auf der zweiten Seite der PDF-Datei.
Ein Sudoku besteht aus 9 x 9 Feldern, die zusätzlich in 3 x 3 Blöcken mit 3 x 3 Feldern aufgeteilt sind. Jede Zeile, jede Spalte und jeder Block soll alle Zahlen von 1 bis 9 jeweils genau einmal enthalten.
In ein paar der Felder sind bereits Zahlen vorgegeben. Bei einem Sudoku darf es nur eine mögliche Lösung geben, und diese muss rein logisch gefunden werden können.
Woody Guthrie (1912 – 1967) ist der amerikanische Liedermacher schlechthin. Aber auch bei uns ist er kein Unbekannter. Sein „This Land is Your Land“ war seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts fast so häufig in geselliger Runde bei Lagerfeuer und Gitarrenbegleitung zu hören, wie „Heute hier, morgen dort“ von Hannes Wader. Eine CD von Michael Daugherty mit dem Titel „This Land Sings“ und dem Untertitel „Inspired by the Life and Times of Woody Guthrie“ weckt deshalb Erwartungen, die, das sei gleich vorweg gesagt, sowohl enttäuscht als auch übertroffen werden.
Anlehnungen mit Eigenständigkeit
Die Enttäuschung liegt darin, dass Musik von Woody Guthrie fast nicht zu hören ist, es sei denn als Zitat. Das liegt aber auch daran, dass Musik von Woody Guthrie nicht immer von ihm selbst war, sondern „ausgeliehen“ von anderen. Die Ouvertüre, mit der die CD beginnt, zitiert unüberhörbar „This Land is Your Land“. Doch der Komponist Michael Daugherty stellt im Booklet klar, dass es eine alte Volksmelodie ist, die sich nicht nur Woody Guthrie für sein Lied, sondern zuvor auch schon die Carter-Family ausgeliehen hatten. Diese Praxis übt dann der Komponist bei vielen Beiträgen selbst, ohne dabei an Eigenständigkeit im Ergebnis zu verlieren.
Auf Amerikas staubigen Strassen
Komponist Michael Daugherty auf den Spuren von Woody Guthrie
Michael Daugherty (geb. 1954) ist einer der meistgespielten US-Komponisten. Für „This Land Sings“ hat er sich, so schreibt er im Booklet, auf die Spuren von Woody Guthrie gemacht, ist überall dort entlang gezogen, wo ehemals auch der amerikanische Liedermacher auf staubigen Strassen unterwegs war.
Zurückgekehrt von dieser Reise schrieb er seine eigenen „originellen“ Lieder, wie er im typischen amerikanischen Selbstbewusstsein zur Kenntnis gibt. Das Ganze war eine Auftragsarbeit, für die er sich um viel Authentizität bemüht. Der Wechsel von instrumentalen und vokalen Stücken habe er der Praxis der damals üblichen Radiosendungen abgeschaut. Das instrumentale Ensemble minimierte er, um einen Hinweis auf die damalige Wirtschaftskrise zu geben. Lediglich Violine, Klarinette/Bassklarinette, Fagott, Trompete/Flügelhorn, Posaune, Kontrabass und Schlagzeug gibt er den beiden Sängern zur Seite und erweitert gelegentlich selbst mit der Mundharmonika.
Dass Woody Guthries Instrument – die Gitarre – fehlt, stört nicht eine Sekunde. Annika Socolofsky (Sopran) und John Daugherty (Bariton; nicht mit dem Komponisten verwandt) singen die Lieder, und insbesondere die Sopranistin gibt dem ganzen oft eine Stimmung, die an die Songs und die Zeit von Woody Guthrie erinnert. Der Bariton alleine – so gut er an sich ist – hätte das nicht geschafft.
Beginn der „Ouvertüre“ zu „This Land Sings“ von Michael Daugherty
Guthrie-ferne Zitate
Komponist Daugherty greift auf Melodien der amerikanischen Volksmusik zurück, schreckt aber auch nicht vor Woody-Guthrie-fernen Zitaten zurück, etwa in „Marfa Lights“, wo er das berühmte „Aranjuez-Konzert“ von Rodrigo zitatmässig einbaut. Der Komponist stellt sich allerdings einen am Rio Grande entlang wandernden Woody Guthrie dabei vor. Im Grunde braucht man die Kommentare des Komponisten nicht, um Vergnügen an dieser musikalischen Hommage zu bekommen und ihre Intention zu verstehen. Im Nachhinein zu lesen, was er sich dabei gedacht hat und mit den eigenen Vorstellungen nach dem ersten Hören abzugleichen ist jedoch keine schlechte Sache.
Kleines Ensemble macht grosse Musik
Sopranistin Annika Socolofsky, Bariton John Daugherty und Alan Miller (Dirigent des Ensemble Dogs of Desire) performen im Wechsel von instrumentalen und vokalen Songs
Das „kleine Ensemble“ klingt in manchen Stücken so voll, dass man ein grösseres Orchester dahinter wähnt. Besonders reizvolle finde ich aber die Songs, die tatsächlich minimalistisch daherkommen, etwa „Bread and Roses“, das nur von Sopran und Fagott getragen wird. Daugherty widmet es den Millionen Frauen, die für Gleichberechtigung kämpften und schliesslich 1920 das Wahlrecht durchsetzen konnten. Ein Duett ist auch „This Trombone Kills Facists“, das die Posaune mit dem Schlagzeug ausführt und „“My Heart is Burning“, das Mundharmonika und Kontrabass austragen. Zahlreiche Stücke werden von dem Ensemble Dogs of Desire unter ihrem Dirigenten Alan Miller engagiert unterstützt.
Diese CD enttäuscht jene, die erwarten, darauf viel von Woody Guthrie zu hören; das ist nicht der Fall. Aber man kann, wenn man gut zuhört, einiges über ihn hören. Und in dieser Beziehung übertrifft die CD zumindest meine Erwartung. Insbesondere das Ganze im Zusammenhang er-hört ist eine überdurchschnittlich gelungene Hommage, die bei allen Bezügen und Zitaten viel Eigenständigkeit in Komposition und Tonsprache aufweist. Obwohl ich Lieblingslieder darauf habe, werde ich die CD wohl künftig ausschliesslich komplett hören, weil vor allem so das musikalische Bild vom Leben und der Zeit Woody Guthries erzeugt wird.
Die CD ist zu empfehlen. Die Kompositionen sind originell, selbst dort, wo fremdes Material verwendet wird. Die ausführenden Musiker schaffen ein hervorragendes Klangbild, das die beiden Sänger kongenial ergänzt. Es ist keine spontane Musik, sondern durchkomponierte, doch es klingt nicht steif und akademisch, sondern sehr lebendig. ♦
Woody Guthrie (1912 – 1967) is the American songwriter par excellence. But he is no stranger to us either. His „This Land is Your Land“ has been heard since the seventies of the last century almost as often in convivial company around campfires and with guitar accompaniment. A CD by Michael Daugherty with the title „This Land Sings“ and the subtitle „Inspired by the Life and Times of Woody Guthrie“ therefore raises expectations which, let it be said right away, will be both disappointed and exceeded.
Leanings with independence
The disappointment lies in the fact that music by Woody Guthrie is almost never heard, except as a quote. But this is also because music by Woody Guthrie was not always from himself, but „borrowed“ from others. The overture with which the CD begins unmistakably quotes „This Land is Your Land“. But composer Michael Daugherty makes it clear in the booklet that it is an old folk melody that not only Woody Guthrie borrowed for his song, but also the Carter family before. The composer himself then practices this practice in many of his contributions, without losing any independence in the result.
On America’s dusty streets
Michael Daugherty (born 1954) is an American composer and teacher. As he writes in the booklet, he has followed in the footsteps of Woody Guthrie, has moved along wherever the American singer-songwriter once walked on dusty roads. Returning from this journey, he wrote his own „original“ songs, as he states in typical American self-confidence. The whole thing was a commissioned work, for which he strives for a lot of authenticity. The alternation of instrumental and vocal pieces he had copied from the practice of radio broadcasts at the time. He minimized the instrumental ensemble in order to give a hint at the economic crisis of the time. Only the violin, clarinet/bass clarinet, bassoon, trumpet/flügelhorn, trombone, double bass and percussion are given to the two singers‘ side, and occasionally he himself expands with the harmonica.
The fact that Woody Guthrie’s instrument – the guitar – is missing does not bother him for a second. Annika Socolofsky (soprano) and John Daugherty (baritone; not related to the composer) sing the songs, and the soprano in particular often gives the whole thing a mood reminiscent of the songs and the time of Woody Guthrie. The baritone alone – as good as he is in himself – would not have been able to do this.
Guthrie-far quotations
Composer Daugherty draws on melodies from American folk music, but he does not shy away from quotations from Woody Guthrie, for example in „Marfa Lights“, where he incorporates Rodrigo’s famous „Aranjuez Concerto“ as a quotation. The composer, however, imagines a Woody Guthrie walking along the Rio Grande. Basically, you don’t need the composer’s comments to take pleasure in this musical homage and to understand its intention. But to read afterwards what he had in mind and to compare it with his own ideas after the first listening is not a bad thing.
Small ensemble makes great music
The „small ensemble“ sounds so full in some pieces that one would think there is a larger orchestra behind it. But I find the songs that really come across as minimalistic particularly appealing, such as „Bread and Roses“, which is only carried by soprano and bassoon. Daugherty dedicates it to the millions of women who fought for equal rights and were finally able to enforce the right to vote in 1920. A duet is also „This Trombone Kills Facists“, which performs the trombone with the drums, and „“My Heart is Burning“, which features harmonica and Contrabass.
Lively and spontaneous
This CD disappoints those who expect to hear much of Woody Guthrie on it; this is not the case. But you can hear a lot about him if you listen well. And in this respect the CD at least exceeds my expectations. Especially the whole thing heard in context is an above-average homage, which shows a lot of independence in composition and sound language despite all references and quotations. Although I have my favourite songs on it, I will probably only listen to the CD in its entirety in the future, because this is how the musical picture of Woody Guthrie’s life and time is created.
The CD is to be recommended. The compositions are original, even where foreign material is used. The performing musicians create an excellent sound image that congenially complements the two singers. It is not spontaneous music, but through-composed, but it does not sound stiff and academic, but very lively. ♦
Der Roman „Und jetzt bin ich hier“ von Jessica Andrews ist die Geschichte vom Lieben und Loslassen in einer Eltern-Kind-Familien-Beziehung. Ein poetisches Buch, ein wunderbares und wunderliches Buch, in dem eine Ich-Erzählerin in kurzen, mit Nummern betitelten Abschnitten, nicht chronologisch, aber stets ergänzend über das Bewusstwerden der eigenen Identität innerhalb der Familiengeschichte berichtet.
Eine junge Frau, die zunächst aus dem lauten London in ein geerbtes Cottage ihres grossvaters nach Irland zieht. Es sind keine linearen Beschreibungen, sondern kleine Aufmerksamkeiten von Alltäglichem, die sich zu einem Mosaik zusammensetzen, das ein fein gezeichnetes Bild von England und Irland der 80-er Jahre ergibt, äusserlich und innerlich. In genau beobachteten Gesten, z.B. wie sich jemand durch die Haare fährt, nähern wir uns anhand von Briefen und alltäglichen Gesprächsfetzen auch einer Liebesgeschichte, die lakonisch daher kommt: „’Darf ich dich küssen?’ fragt er und streckt die Hand nach mir aus. ‚Okay’, sage ich, gefangen in der Hitze seines Körpers.“
Durch Gefühlsvignetten ins Unterbewusstsein
Lucy, die Ich-Erzählerin, die sich mal an die Mutter wendet, mal an uns, ihre Leserschaft, arbeitet sich durch Gefühlsvignetten und kleine Episoden seit der Kindheit bis in die Gegenwart als junge Frau, ins eigene Unterbewusstsein. Der geliebte Vater war Alkoholiker und Lucy denkt: „… man kann geliebt und zugleich verlassen werden.“ Sätze über ihre Eltern wie: „Der Abstand zwischen ihnen glänzte scharf“ sagen auf eine poetische und im Kontext ungekünstelte Weise vieles über die Gefühlszustände aus.
Jessica Andrews beschreibt die Protagonisten anhand von Andeutungen verschiedener Sinneseindrücke, präzise und nie denunzierend, obwohl es die Eltern der Tochter nicht leicht gemacht haben. „Parfüm und Tee und der Rauch von seinen Zigaretten, wunderbar und widerlich zugleich.“ Der Vater verschwand immer wieder, und doch hinterliess er Liebe bei seinen Kindern. Der Bruder wurde taub geboren, aber es gab die Zeichensprache. Die Autorin vermag einzigartig auch die Ruhe und die besondere Form von unterschiedlichen Kommunikationen zu schildern.
Wer Freude hat an geschliffener, feinfühliger Literatur (mit Betonung auf Literatur), voller sehr schöner Beobachtungen, in Bildern eingefangen, die einen staunen oder auch schmunzeln lassen – Zitat: „… auf dem Teppich gesaugte Streifen wie beim gemähten Rasen.“ -, wer Freude hat an einem poetisch suchenden Roman, der findet hier eine leichtfüssige Lektüre. Mehrere Generationen entfalten da punktuell ihren Lebensteppich, und doch geht es schlussendlich um die Gegenwart. Die Gegenwart einer jungen Frau, die auch eine Liebesgeschichte lebt. Lucy lernt sich selber durch die Erinnerungen gut bis in die tiefste Seele kennen. In Gedanken wie „Ich will Üppiges, Schmutziges. Ich will Dunkles, Whiskey und Blutflecken… Das Verlangen in meinen Knochen habe ich von dir. Du stellst deine Bedürfnisse zurück, weil du für andere sorgen musst…“ wendet sie sich an ihre Mutter.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert, deren allmähliches Wachstum eine erfolgreiche, menschliche Reifung darstellt. „Und jetzt bin ich hier“ könnte all jenen gefallen, die sich gerne durch stellvertretende Bilder im familiären Rahmen dem Kern des Seins nähern. Ein grosses Sprachvergnügen ist dieser Roman, geschrieben von einer jungen Frau. ♦
Jessica Andrews: Und jetzt bin ich hier, Roman, aus dem Englischen von Anke Caroline Burger, 328 Seiten, Hoffmann und Campe Verlag, ISBN 978-3-455-00821-0
Die Spielstärke der modernen Schachprogramme hat bekanntlich ein derart hohes Niveau erreicht, dass der Mensch längst nicht mehr mithalten kann. (Dass aber abseits der Computer-Schach-Szene wie schon seit Jahrhunderten nach wie vor ein äusserst reger Turnierbetrieb herrscht, spricht für die ungebrochene Kraft des Königlichen Spiels).
Diese Seite stellt echte Knacknüsse für Schachprogramme vor: „The Engine Crackers“. Es sind Chess Puzzles, die auch heutigen „Motoren“ mächtig viel Berechnung abverlangen…
Es ist inzwischen zu einer grossen Herausforderung geworden, neue Knacknüsse für Schachprogramme aufzuspüren. Die Engines rechnen heutzutage sehr schnell, sehr selektiv, sehr tief, und ihre Algorithmen arbeiten mit ausgeklügelten Programmiertechniken. In Verbindung mit ständig beschleunigten Prozessoren spüren sie damit auch die verborgensten Geheimnisse einer Schachstellung auf.
Aber ein paar letzte weisse Flecken auf der Engine-Landkarte gibt es durchaus auch heute noch. Sie zu entdecken erfordert allerdings etwas Knowhow über die Funktionsweise dieser „Motoren“, vor allem aber einen erfahrenen Umgang mit den Engines selber. Denn die Defizite von Schachprogrammen sind nur mit Hilfe von Schachprogrammen zu finden…
Diese Seite ist also solchen Stellungen gewidmet, an denen die Engines überdurchschnittlich heftig zu knabbern haben. Dabei sind die Aufgaben grundsätzlich nicht unmöglich zu lösen für Schachmotoren. Auch trifft man zuweilen das Phänomen an, dass mal ein Programm genau jenes Puzzle blitzschnell löst, welches alle anderen nicht verstehen.
Apropos: Ich persönlich erachte eine Teststellung dann als schwierig, wenn die meisten starken Schachprogramme mit ihren jeweiligen Default-Einstellungen auf durchschnittlicher aktueller Hardware durchschnittlich länger als 30 Sekunden für die richtige Lösung benötigen.
Recherchen in vielen Datenbanken
Woher stammen all die Crackers hier? Sie sind das Ergebnis meiner umfangreichen Recherchen in diversen Datenbanken, kommerziellen wie kostenlosen. Hervorragend geeignet für die Suche nach komplexen Stellungen sind v.a. die Partien von Fernschach-Meisterspielern. Correspondence Chess Players pflegen versiert mit Computerprogrammen zu arbeiten, und ihr „Forschungstrieb“ generiert Partien auf allerhöchstem Niveau. Das effiziente, ja geradezu wissenschaftliche Handling mit Engines und GUI-Analysewerkzeugen ist das Markenzeichen erfolgreicher Fernschachspieler, ohne maschinelle Unterstützung ist heutzutage ein FS-Spiel auf Top-Niveau undenkbar. (Siehe hierzu auch das Interview mit Fernschach-Grossmeister Arno Nickel)
Schwarz am Zuge ist mit zwei Bauern in der Kreide. Aber unerwartet verschafft er sich mit einer verblüffenden Kombination durchschlagenden Vorteil. Was spielte Fernschach-Meister R. Cvak hier gegen T. Kubicki 2019?
Weiters finden sich interessante Puzzles für Schachprogramme bei den Programmen selber. Denn die führenden Engines liefern ebenfalls ein (fast) fehlerfreies Spiel, in den einschlägigen Internet-Schach-Datenbanken nach brauchbaren Perlen zu fischen verlangt allerdings einige Erfahrung im Umgang mit Engine-Settings und viel Geduld.
Computer Chess vs Human Chess
Ein drittes Gebiet für die Puzzle-Recherche ist das Problemschach mit seinen Studien. Hier sind die wirklich anspruchsvollen Aufgaben für Computer zwar seltener zu finden, weil die Studien eher nach künstlerisch-ästhetischen denn nach schachtechnischen Kriterien konzipiert sind. Dementsprechend leisten diese Wenigsteiner-Aufgaben den Programmen meist kaum Widerstand.
Dafür legt das Problemschach seinen Finger zuweilen genau in jene Wunden, die Schachprogrammen besonders weh tun. Die Stichworte sind hier der Zugzwang, der Horizonteffekt oder die vielzügige Mattführung.
Last but not least ist natürlich der riesige Pool mit von Menschen ausgetragenen Turnierpartien zu erwähnen. Doch diese Quelle ist als Datenmaterial fürs Computerschach nur von begrenzter Attraktivität. Denn so genial manche Kombinationen all der Giganten einer vielhundertjährigen Schachgeschichte daherkommen: Unter dem unbarmherzigen Mikroskop eines heutigen Computerprogramms zerschmilzen sie fast ausnahmslos zu einer „Petit Combinaison“ a la Capablanca, die in nullkommnix Sekunden gelöst (oder dann als inkorrekt entlarvt) wird… ♦
Über Reaktionen in Form von eigenen Analysen, Engine-Ergebnissen u.a. würde ich mich freuen. Benützen Sie hierzu einfach die „Kommentar“-Funktion. Gerne werden auch Vorschläge für schwierige neue Testaufgaben geprüft und ggf. unter dem Namen des „Finders“ veröffentlicht.
Die Seite hier wird regelmässig mit neuen Puzzles bestückt; also am besten immer mal wieder vorbei schauen. Der Mausklick auf einen Zug oder eine Variante öffnet das Analyse-Fenster. Dort ist auch ein Download der entspr. PGN-Datei möglich.
Wer sich mit der Lyrik des 20. Jahrhunderts beschäftigt, kommt an Sarah Kirsch (1935-2013) nicht vorbei. Anlässlich des 85. Geburtstages der Dichterin hat ihr Sohn einen Band „Freie Verse – 99 Gedichte“ mit einer Auswahl von 80 alten und 19 „neuen“ Gedichten herausgegeben. Am Inhalt gibt es dabei kaum etwas zu bemängeln, die Ausführung fällt dagegen ein bisschen ab.
Der Titel der Sammlung „Freie Verse“ bezieht sich nicht nur auf die bekannte Vorliebe der Dichterin, von Formalitäten wie Metrum und Reim möglichst die Finger zu lassen, sondern auch auf das gleichnamige Gedicht – es gehört zu den „alten“ Texten im Buch –, wo es von Versen heisst: „Sie müssen hinaus / In die Welt. Es ist nicht möglich sie / Ewig! hier unter dem Dach zu behalten.“
Und glaubt man den Angaben des Herausgebers, sind die neuen Gedichte genau dort, auf dem Dachboden, gefunden worden.
Gelungene Textauswahl
Die Textauswahl ist durchaus gelungen. Im ersten Teil, den 80 bereits veröffentlichten Texten, finden sich neben Klassikern wie Datum und Reisezehrung auch zahlreiche lesenswerte Gedichte, die zumindest mir noch nicht bekannt waren. So geht es in Die Verdammung um einen Prometheus, der seine Strafe längst abgesessen hat, aber sich aus Gewohnheit weiter quälen lässt: „(…) Als die Ketten zerfielen der Gott / Müde geworden an ihn noch zu denken / (…) / Gelang es ihm nicht sich erheben den / Furchtbaren Ort für immer verlassen (…)“. Neben Gedichten enthält die Sammlung auch eine Handvoll Notate, etwa das bekannte Im Glashaus des Schneekönigs; es mag meiner mangelnden Flexibilität geschuldet sein, aber auf mich machen diese Prosatexte immer den Eindruck, dass die Deadline zu früh kam…
Der zweite Teil ist überschrieben mit „Neunzehn neue Gedichte“. Dabei ist das Wort „neu“ für Gedichte aus den frühen 70er Jahren natürlich genauso problematisch wie der im Klappentext verwendete Begriff „unveröffentlicht“, wenn – wie im Nachwort erklärt wird – fünf dieser Texte bereits vor drei Jahren im Poesiealbum erschienen sind.
An erster Stelle zu nennen (und auch abgedruckt) ist Ahrenshooper Sommer. Dort heisst es: „(…) Ach das Meer ist aus blauem Glas / hervorströmts unterm Scheinwerferlid / ach die Soldaten leuchten so schön / dass niemand nach Dänemark zieht“. Kein Zweifel, dass das in der DDR ein hochpolitischer Text war. Ob das Gedicht aber wirklich gerade deshalb der Selbstzensur unterfallen ist, wie der Herausgeber behauptet, erscheint fraglich. Es ist das einzige „klassische“ Gedicht im gesamten Buch, mit Reim und durchgängigem Metrum; dass es schlichtweg in keinen ihrer zahlreichen Bände so richtig gepasst hat (und vielleicht irgendwann vergessen wurde), kommt mir wesentlich plausibler vor.
Auffällig ist weiter, dass im zweiten Teil die Zahl der Enjambements – die man wohl getrost als das wichtigste und typischste Stilmittel Kirschs ansehen kann – deutlich reduziert ist. Bärenhäuter etwa beginnt: „Traf einen der Schwalben ass / die Taschen hatte er voller Nester / Flüche und Schnaps im Mund / (…)“. Man vergleiche dies beispielsweise mit Russ aus dem ersten Teil: „Die Touristen sind letztlich / Gestorben. Ich habe Lust durch die / Sümpfe zu gehen. Gänseschwarm / (…)“.
Aus meiner Sicht liegt es nahe, dass Kirsch die Gedichte in erster Linie aus solchen literarischen Gründen nicht veröffentlicht hat. Die Texte scheinen mir jedenfalls politisch nicht problematischer zu sein als so manche andere, die noch in ihrer DDR-Zeit erschienen sind.
Die politische Dichterin
Gruppenbild mit Dame: Schriftstellerlesung in Berlin (DDR) am 10.Mai.75. Motto der Jahrestagung: „Plädoyer für Poesie“. Von links nach rechts: Günther Deicke, Volker Braun, Sarah Kirsch, Wieland Herzfelde, Günther Rücker, Franz Fühmann, Stephan Hermlin
Dieses emphatische Bemühen des Herausgebers, Sarah Kirsch als politische Dichterin „entdecken“ zu wollen, ist überhaupt mein grösster Kritikpunkt an dem Buch. Eine Frau mit dem bürgerlichen Vornamen Ingrid, die sich aus Protest gegen den Nationalsozialismus das Pseudonym Sarah zulegt; die zu den Erstunterzeichnern der Protesterklärung gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann gehörte – sogar an allererster Stelle – und dann erwartbarer Weise ebenfalls das Land verlassen musste; die dann im Westen aus Protest gegen die NS-Vergangenheit von Bundespräsident Carstens das Bundesverdienstkreuz ablehnte; für die der Herausgeber selbst 80 bereits veröffentlichte politische Gedichte findet; eine solche Frau als politische Dichterin erst entdecken zu wollen, ist mutig.
Empfehlung für Kirsch-Unkundige
Ansonsten gibt es noch ein paar kleine störende Punkte. Nennen Sie mich oberflächlich, doch die Umschlaggestaltung des Buchs mit dicken, rot-weissen, dreidimensionalen Buchstaben auf einem blass-grünen Untergrund animiert mich nicht unbedingt zum Kauf. Fairerweise muss man dazu sagen, dass es auf Papier weniger schlimm aussieht als in der glatten Online-Version.
Warum man 19 unveröffentlichte Gedichte bewirbt, wenn davon fünf bereits veröffentlicht wurden, ist mir ein Rätsel.
Und sehr schade ist es gerade bei einer solchen Querschnitt-Ausgabe mit dem Fokus auf politische Gedichte, dass zu den einzelnen Texten kein Entstehungs- oder wenigstens Erstveröffentlichungsjahr angegeben ist. Das würde die Einordnung doch deutlich erleichtern.
Insgesamt ist das Buch aber eine Empfehlung für jeden Fan von Sarah Kirsch, der hier neues, lesenswertes Material geliefert bekommt, und eine noch deutlichere Empfehlung für jeden, der sich bisher nicht näher mit Sarah Kirsch beschäftigt hat und die wichtigsten Gedichte in schöner Auswahl erhält. ♦
Vor drei Jahren hat der Autor in seinem Schach-Report „Die besten Engines der Welt“ ein Turnier mit 31 der häufigst verwendeten Programme besprochen. Seither hat das Computerschach eine gänzlich neue Entwicklung der Programmierung erlebt: Das KI-Programm Leela-Chess-Zero (Lc0) mit seinen ständig verbesserten Neuronalen Networks. Dieser gegenüber der traditionellen Alpha-Beta-Konzeption der herkömmlichen Engines gänzlich andere Strang der Schachprogrammierung mischt nun an der Spitze kräftig mit. Es war also an der Zeit, auf dem heimischen Ryzen-7 und seinen 16 Cores ein zweites grosses Turnier mit erneut 31 der momentan meistverwendeten Schachmotoren aufzusetzen: „Die besten Engines der Welt – Zwei“.
Bis anhin war ja, wenn’s um die absolute Spitze im Computerschach ging, nur von einem Programm die Rede: Stockfish. Über die Jahre gewachsen und von hunderten eifriger Tester und Anwender getragen, entwickelte sich diese Freeware-Engine zum einsamen Überflieger der Szene, gegen den nicht einmal die beiden kommerziellen Programme Komodo und Houdini eine Chance hatten. Doch dann überfiel im Dezember 2017 das AI-Projekt AlphaZero von DeepMind (by Google) die Schachwelt, und kein Stein blieb mehr auf dem anderen.
Bei Lc0 in die Schule gehen
Gelehrig in Sachen „Material vs Initiative“: Weltmeister Magnus Carlsen (Cover „New In Chess“ NIC – 2019)
Nicht nur das Computerschach geriet durch AlphaZero bzw. nun durch seinen würdigen (und v.a. kostenlosen) Nachfolger Lc0 in Aufruhr, auch die internationale Grossmeister-Szene bis hinauf zu WM Magnus Carlsen blickte gebannt auf diese Forschung, deren Produkte so ganz anders und zugleich höllisch stark Schach spielten. Und so nebenbei ein paar eröffnungstheoretische und mittelspielstrategische Glaubenssätze erfolgreich in Frage stellten.
Mittlerweile gibt sogar die oberste Etage der GM-Gilde unverhohlen zu, bei Lc0 in die Schule zu gehen. Beispielsweise Weltmeister Carlsen, über den es in der August-2019-Ausgabe der renommierten Zeitschrift „New in Chess“ heisst: „Magnus’ play is like that in the original ten AlphaZero games, with the initiative being a more important factor than the number of pawns“.
Das AI-Schach als „Game Changer“
Co-Autorin von „Game Changer“: Die Mathematikerin Natasha Regan
Feiert also die „romantische Ära“ des Opfer-Schachs von Paul Morphy bis Michael Tal ein Comeback infolge der Initialzündung Lc0? Einfach mit dem Unterschied, dass Leela’s taktischen, positionellen und strategischen Opfer immer korrekt sind?
Fest steht jedenfalls, dass das KI-Programm bzw. seine autodidaktisch generierten Netzwerke bereits einen schon jetzt spürbaren Einfluss auf das Welt-Schach der Top-50-Spieler ausübt. In ihrem Buch „Game Changer – AlphaZero’s Groundbreaking Chess Strategies and the Promise of AI“ erläutern Grossmeister Mathew Sadler und die Mathematikerin Natasha Regan ausführlich, welche Implikationen dieses neue AI-Schach für die moderne Spielweise im internationalen Turnierschach beinhaltet.
Und was setzen die „Traditionalisten“ dieser geballten neuronalen Wucht entgegen? Sie bessern Stockfish & Co. immer noch mehr nach, versuchen dessen Schwächen auszumerzen, ohne seine Stärken zu mindern, was in der Alpha-Beta-Welt eine Herausforderung darstellt. Im Moment scheint Stockfish zu stagnieren. Doch das diagnostizierte man schon in früheren Entwicklungsperioden, nur um dann wieder überrascht zu beobachten, dass der Fisch erneut 50 Comp-Elo zugelegt und die Konkurrenten im Teich einen nach dem anderen weggebissen hatte.
Neuerdings wird allerdings die Alleinherrschaft von Stockfish nicht nur von LeelaChessZero, sondern unmissverständlich von einem Mitglied des eigenen Clans in Frage gestellt. Das Stockfish-Derivat Eman des Programmierers Omar Khalid aus den Vereinigten Arabischen Emiraten trumpft nämlich gerade ganz gross auf im internationalen Engine-Zirkus.
Wer dieses Programm beim Spielen beobachtet, der stellt sofort fest: Die Engine hat einen enormen Speed am Leib. Sie geht so rasant in die Tiefe, dass sogar dem Allesrechner Stockfish der Atem stockt. Auf meinem Rechner hat es jedenfalls aktuell keinen Gegner, die taktische Power dieses Emporkömmlings ist fulminant. Untersuchen wir also diesen Eman aus Arabien etwas näher…
Exkurs: EMAN von Khalid Omar
Wer ist Khalid Omar?
Bastelte aus Stockfish die Turbo-Engine des Jahres: Eman-Programmierer Khalid Omar (geb. 1977)
Khalid Omar, der Programmierer der Schach-Engine Eman, die aus dem Open-Source-Programm Stockfish hervorgegangen ist, wurde 1977 in Kuweit geboren und schloss 2000 sein Studium als Elektro-Ingenieur an der Jordan University of Science & Technology ab. Seitdem arbeitet er in den Vereinigten Arabischen Emiraten als Chief Technology Officer eines internationalen IT-Unternehmens. Khalid Omar ist verheiratet und Vater von vier Töchtern.
„Mein dominierendes Hobby ist das Schachspiel, und ich bin aktiv auf mehreren Online-Plattformen wie z.B. lichess.org oder chess.com unterwegs“, verriet der 42-jährige IT-Experte dem Glarean Magazin. Nur um gleich zu schmunzeln: „Meine Online-Schachwertung liegt irgendwo bei 1800 Elo, ich programmiere Schach also weit besser als ich es spiele…“
Nicht bei Null angefangen…
Mit der Generierung seiner Überflieger-Engine Eman begann er vor zweieinhalb Jahren, wobei er (wie die meisten heutigen Schachprogrammierer…) nicht mehr bei Null anfangen musste, sondern die Open-Source-Engine Stockfish hernahm und daran herumzuschrauben begann. Omar’s Herumschrauben erwies sich allerdings als sehr viel erfolgreicher als das anderer Stockfish-„Kloner“: Seit seinen 5.0-Versionen zählt Eman zu den Top-Drei neben Lc0 und Stockfish.
Das Konfigurations-Menü von Eman 5.6 offeriert dem Anwender eine Fülle von Einstellungen. Wer diese Defaults geschickt manipuliert, holt aus der Engine gut und gerne nochmals 20-30 Elo’s heraus…
Dass Eman aber nicht einfach nur ein überdurchschnittlich erfolgreicher Aufguss von SF ist, sondern mittlerweile als quasi eigenständiges Engine-Produkt be- und geachtet werden sollte, davon ist sein Schöpfer überzeugt: „Heute ist Eman nicht mehr zu vergleichen mit Stockfish“, meint Omar. „Meine vielen Änderungen beeinflussten fast jeden Aspekt des ursprünglichen Stockfish vom Zeitmanagement bis zur Thread-Synchronisation. Und das betrifft nicht nur den Alpha-Beta-Algorithmus, sondern ebenso den Bewertungsteil, der das Rückgrat jeder guten Schach-Engine ist“.
„Eman ist jetzt ein ganz anderes Programm“
Danach gefragt, was genau denn die vielen Features sind, die Eman als Mehrwert gegenüber Stockfish aufweist, beginnt Omar selbstbewusst aufzuzählen:
Full Analyse – Dank dieser Funktion behandelt Eman alle Züge bis zu einer bestimmten konfigurierbaren Tiefe als Hauptvariationszüge. Das erlaube es der Engine, eine umfassendere Suche in sehr grosse Tiefen durchzuführen, ohne viel Zeit zu verlieren.
Experience – Eman erinnert sich an die Züge, die es gemacht hat, und erinnert sich auch an die Züge des Gegners. All diese Daten werden in einer „Erfahrungsdatei“ gespeichert, um später verwendet zu werden, wenn die gleiche Stellung wieder angetroffen wird. Diese Erfahrungsdaten können optional als Buch verwendet werden, damit die Maschine ohne Nachdenken aus den Erfahrungsdaten spielen kann.
Coherence Evaluation – Vereinfacht formuliert versucht Eman mit dieser „Kohärenzbewertung“, zwischen Stellungen mit gleichem Score zu unterscheiden. Originalton Omar: „For instance, in Stockfish and other engines, the final score is the sum of all the individual evaluations such as Material, King Safety, Mobility, Passed Pawns, etc. With this logic, it is possible to have two equivalent scores with very different king safety values! Eman tries to compensate for this by looking at the evaluation parts individually and then calculating the Coherence value which indicates how healthy are the evaluation parts. The Coherence value is then added to the final evaluation seen by the Alpha-Beta algorithm“.
NUMA Awareness – Eman nützt die modernen High-End-NMUA-CPU’s bestmöglich aus, indem die Aware Systems implentiert wurden, welche dem Motor noch mehr Geschwindigkeit bei der Suche verleihen soll.
Search logic – Eman wurde eine verbesserte Suchlogik implentiert, wodurch das Programm aggressiver und dynamischer als Stockfish agiert.
Geheimnisvolle Qualität aus dem Orient…
Eman-Spezialität Freibauer: Mit den kraftvollen schwarzen Bauernvorstössen f6-f5-f4 und e4-e3 setzt Eman 5.5 den weissen (Komodo 13.3) unter Druck ( FEN-String: 1b2r3/1p3qk1/5pp1/1r1Pp2p/pNNnQ2P/P1R3P1/1P3PK1/3R4 b )
Programmierer Omar könnte, wie er gegenüber dem Glarean Magazin durchblicken lässt, noch mehr aus seiner Eman-Werkstatt berichten. Aber wie viele andere Schachprogrammierer, seien sie nun auf der Open-Source- oder der kommerziellen Schiene unterwegs, will er nicht alle seine Geheimnisse preisgeben. „Feind hört mit“, wie das in früheren Zeiten hiess…
Nun, solange diese Engine kostenlos – übrigens nur direkt/persönlich beim Autor abzuholen – erhältlich ist, wird die internationale Anwenderschaft solche Geschenke wie Eman dankend entgegen nehmen, ohne sich besonders lange bei irgend welchen Streitpunkten in Sachen GPU-Lizenzen aufzuhalten…
Bald die neue Nummer Eins?
Eines steht jedenfalls fest: In den letzten Wochen und Monaten häuften sich die Versionen des hochinteressanten Stockfish-Ablegers Eman – jeweils immer mit merkbarem Spielstärke-Zuwachs. Demgegenüber verzeichnet weder das Stockfish- noch das Lc0-Lager in letzter Zeit Fortschritte, über die zu reden sich lohnte…
Man darf also gespannt sein, ob sich dieser Freeware-Motor aus Arabien auch in Zukunft so rasant weiter entwickelt wie bisher. Sollte sich Eman noch länger so erfolgreich abnabeln vom grossen Übervater Stockfish, werden wir möglicherweise bald mit einer neuen Nummer Eins unsere Vereins- und Fernschach-Partien analysieren können… ♦
An der Spitze wird’s immer enger
Noch hauchdünn die Nummer Eins des Computerschachs, aber eng attackiert von LeelaChessZero und Eman: Die Freeware-Schach-Engine Stockfish
Das internationale Engine-Karrusell dreht sich aktuell etwas langsamer als auch schon. Was nicht verwundert: Die Programme – zumal jene auf der Alpha-Beta-Programmierschiene – machen einen irgendwie ausgereizten Eindruck, weil sie inzwischen auf einem extrem hohen Niveau Schach spielen, das fulminante Qualitätssprünge nicht mehr zulässt.
Beim Original-Stockfish werden die Intervalle, die deutliche Elo-Fortschritte zeigen, immer länger. Die SF-Derivate holen zwar auf, bleiben aber stets leicht hinter ihrem Ziehvater. Auch auf der KI-Schiene sind in letzter Zeit die euphorisch stimmenden Schübe der Neuronal Networks ausgeblieben.
Erfreulich ist immerhin, dass sich Chessbase-„Fritz“ (nach Jahren der Stagnation) in Form einer neuen NN-Engine namens Fat Fritz wieder eindrücklich zurückgemeldet hat in die Top-Five-Liga. Zwar ist Fat Fritz ein Lc0-Ableger, wie Eman ein Stockfish-Ableger ist, doch beide sind offenbar kräftig dabei sich schachlich zu emanzipieren. Die NN-Engine Fritz Fat liegt aktuell in der Version 1.1 vor und ist eine kostenlose Beigabe des jüngsten Chessbase-Gesamtpaketes Fritz 17.
Top-Leistungen trotz knapper Bedenkzeit
Die nachstehende Rangliste wurde generiert von 31 alten und neuesten Engines nach 930 Partien, doppelrundig ausgespielt während Tagen auf einem AMD-Ryzen7 mit einer Bedenkzeit pro Engine von 2 Min + 2 Sec-Inkrement. Die NN-Programme liefen mit 1 Thread auf einer flotten RTX-2080-GPU, im Gegenzuge erhielten die Alpha-Beta’s alle verfügbaren 16 Threads.
20 Halbzüge in 2 Sekunden
Wen die scheinbar kurze Bedenkzeit von 2/2 irritiert: Mit modernen Prozessoren auf modernen Mainboards spielen moderne Programme inzwischen ein so unglaublich spektakuläres und gleichzeitig präzises Schach, dass man sich über die Qualität der Partien keinerlei Sorgen machen muss. Die selektivsten Programme rechnen teilweise in wenigen Sekunden fast 30 Halbzüge tief!
Ein Beweis dafür sind die untenstehenden TopShots, die alle aus diesem Blitz-Turnier stammen. Darunter finden sich Knacknüsse, die für Schachprogramme aus der zweiten Liga – dazu gehören z.B. einst so gefeierte Engines wie Rybka, Shredder, Fritz oder Critter – ein Buch mit sieben Siegeln sind… ♦
Three years ago in his chess report „The best engines in the world“ the author discussed a tournament with 31 of the most frequently used programs. Since then computer chess has experienced a completely new development in programming: the AI program Leela-Chess-Zero (Lc0) with its constantly improved neural networks. This completely different strand of chess programming compared to the traditional alpha-beta conception of the conventional engines is now at the top. So it was time to set up a second big tournament on the home Ryzen-7 and its 16 cores with again 31 of the currently most used chess engines: „The best engines in the world – two“.
Until now, when it came to the absolute top in computer chess, there was only one program: Stockfish. Grown over the years and supported by hundreds of eager testers and users this freeware engine developed into the lonely high-flyer of the scene against which not even the two commercial programs Komodo and Houdini had a chance. But then the AI project AlphaZero from DeepMind (by Google) invaded the chess world in December 2017, and no stone was left unturned.
Going to school with Lc0
Not only computer chess got into an uproar by AlphaZero and now by its worthy (and above all free) successor Lc0, but also the international grandmaster scene up to WM Magnus Carlsen looked spellbound at this research, whose products played chess in a completely different and at the same time hellishly strong way. And thus, by the way, successfully challenged a few opening theory and middlegame strategy beliefs.
Meanwhile even the highest level of the GM guild openly admits to go to school at Lc0. For example world champion Carlsen, about whom the August 2010 issue of the renowned magazine „New in Chess“ says: „Magnus‘ play is like that in the original ten AlphaZero games, with the initiative being a more important factor than the number of pawns“.
AI Chess as „Game Changer“
So does the „romantic era“ of victim chess from Paul Morphy to Michael Tal celebrate a comeback as a result of the initial ignition Lc0? Simply with the difference that Leela’s tactical, positional and strategic sacrifices are always correct?
In any case it is certain that the AI program or its autodidactically generated networks already have a noticeable influence on the world chess of the top 50 players. In their book „Game Changer – AlphaZero’s Groundbreaking Chess Strategies and the Promise of AI“ Grand Master Mathew Sadler and the mathematician Natasha Regan explain in detail which implications this new AI-chess has for the modern way of playing in international tournament chess.
A new star in the engine sky
And what do the „traditionalists“ counter this concentrated neuronal force? They keep improving Stockfish & Co., trying to eliminate its weaknesses without diminishing its strengths, which is a challenge in the Alpha-Beta world. At the moment Stockfish seems to stagnate. However, this was diagnosed in earlier developmental periods, only to find that the fish had once again gained 50 Comp-Elo and bit off the competitors in the pond one by one.
Recently, however, the sole rule of Stockfish has not only been questioned by LeelaChessZero, but unmistakably by a member of her own clan. The Stockfish-derivative Eman of the programmer Omar Khalid from the United Arab Emirates is currently making a big splash in the international engine circus.
Anyone who watches this program play will immediately notice that the engine has enormous speed. It goes so fast and deep that even the all-purpose computer Stockfish is breathless. On my computer there is currently no opponent, the tactical power of this upstart is brilliant. So let’s examine this eman from Arabia a little closer…
Excursus: EMAN by Khalid Omar
Who is Khalid Omar?
Khalid Omar, the programmer of the chess engine Eman, which emerged from the open source program Stockfish, was born in Kuwait in 1977 and graduated in 2000 as electrical engineer from Jordan University of Science & Technology. Since then he has been working in the United Arab Emirates as Chief Technology Officer of an international IT company. Khalid Omar is married and has four daughters.
„My dominant hobby is chess, and I am active on several online platforms such as lichess.org or chess.com,“ the 42-year-old IT expert told Glarean Magazin. Just to smile right away: „My online chess rating is somewhere around 1800 Elo, so I program chess much better than I play it…“
Not starting from scratch…
He started to generate his high-flyer engine Eman two and a half years ago, whereby he (like most of today’s chess programmers…) did not have to start from scratch, but took the open source engine Stockfish and started to tinker with it. However, Omar’s tinkering turned out to be much more successful than that of other Stockfish „cloners“: Since his 5.0 versions, Eman is among the top three besides Lc0 and Stockfish.
But his creator is convinced that Eman is not just an above-averagely successful infusion of SF, but should be considered and respected as a quasi independent engine product: „Today, Eman can no longer be compared to Stockfish,“ says Omar. „My many changes influenced almost every aspect of the original Stockfish from time management to thread synchronization. And that doesn’t just apply to the alpha-beta algorithm, but also to the evaluation part, which is the backbone of any good chess engine“.
„Eman is now a completely different program“
Asked what exactly are the many features that Eman has as added value compared to Stockfish, Omar confidently starts to enumerate them:
Full Analysis – Thanks to this feature Eman treats all moves up to a certain configurable depth as main variation moves. This allows the engine to perform a more comprehensive search in very large depths without wasting much time.
Experience – Eman remembers the moves it has made and also remembers the moves of the opponent. All this data is stored in an „experience file“ to be used later when the same position is encountered again. This experience data can optionally be used as a book, so that the machine can play without thinking from the experience data.
Coherence Evaluation – Put simply, with this „coherence evaluation“ Eman tries to distinguish between positions with the same score. Original sound Omar: „For instance, in Stockfish and other engines, the final score is the sum of all the individual evaluations such as Material, King Safety, Mobility, Passed Pawns, etc. With this logic, it is possible to have two equivalent scores with very different king safety values! Eman tries to compensate for this by looking at the evaluation parts individually and then calculating the Coherence value which indicates how healthy are the evaluation parts. The Coherence value is then added to the final evaluation seen by the Alpha-Beta algorithm“.
NUMA Awareness – Eman makes the best possible use of modern high-end NUMA CPUs by implementing Aware Systems, which are designed to give the engine even more search speed.
Search logic – Eman has implemented an improved search logic, making the program more aggressive and dynamic than Stockfish.
Mysterious quality from the Orient…
Programmer Omar could tell us even more about his Eman workshop, as he lets us know from the Glarean MagazinE. But like many other chess programmers, be they on the open source or commercial track, he does not want to reveal all his secrets. „Enemy is listening“ as it was called in former times…
Well, as long as this engine is available free of charge – by the way only to be picked up directly/personally from the author – the international user community will gratefully accept such gifts as Eman without spending a lot of time on any controversial issues concerning GPU licenses…
Soon the new number one?
One thing is for sure: In the last weeks and months, the versions of the highly interesting Stockfish spin-off Eman have been accumulating – always with a noticeable increase in playing strength. On the other hand, neither the Stockfish nor the Lc0 camp has made any progress lately that is worth talking about…
So you can be curious whether this freeware engine from Arabia will continue to develop as rapidly as it has done so far. If Eman should cut the cord of the great over-father Stockfish for a longer period of time, we might soon be able to analyze our club and correspondence chess games with a new number one… ♦
Engine Tournaments: It’s getting tighter at the top
The international engine carousel is currently spinning a bit slower than it already is. Which is not surprising: The programs – especially those on the alpha-beta programming rail – make a somewhat exhausted impression, because they play chess at an extremely high level that no longer allows for brilliant quality leaps.
With the original Stockfish, the intervals, which show clear Elo progress, become longer and longer. The SF derivatives are catching up, but always stay slightly behind their foster-father. On the AI track, too, the euphoric thrusts of the Neuronal Networks have recently failed to materialize.
Two surprises: Fritz and Eman
At least it is pleasing that Chessbase-„Fritz“ (after years of stagnation) has made an impressive return to the top five league in the form of a new NN engine called Fat Fritz. Although Fat Fritz is a Lc0 offshoot, like Eman is a Stockfish offshoot, both are obviously strongly in the process of emancipating themselves chess-wise. The NN-engine Fritz Fat is currently available in version 1.1 and is a free addition to the latest Chessbase-package Fritz 17.
Top performances despite short time for consideration
The ranking above was generated by 31 old and newest engines after 930 games, played double round during days on an AMD Ryzen7 with a time per engine of 2 min + 2 sec increment. The NN programs ran with 1 thread on a fast RTX-2080-GPU, in return the alpha-beta’s got all 16 available threads.
20 half moves in 2 seconds
Who is irritated by the apparently short time for consideration of 2/2: With modern processors on modern mainboards, modern programs now play such an incredibly spectacular and at the same time precise chess that you don’t have to worry about the quality of the games. The most selective programs sometimes calculate almost 30 half moves in a few seconds!
Proof of this are the 10 TopShots above, which all originate from this Blitz tournament. Among them there are cracking nuts which are a book with seven seals for chess programs from the second league – this includes e.g. once so celebrated engines like Rybka, Shredder, Fritz or Critter… ♦
Das Institut für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg schreibt seinen 20. internationalen Kompositionswettbewerb aus. Eingesandt werden können Werke für Klavier und Orchester. Es ist möglich, mehrere Partituren einzureichen, die jeweilige Aufführungsdauer sollte maximal zehn Minuten betragen. Der Wettbewerb bezweckt, das Repertoire für zeitgenössische Musik mittleren Schwierigkeitsgrades zu erweitern.
Die Kompositionen dürfen weder veröffentlicht noch aufgeführt worden sein. Es gibt keine Altersbegrenzung, auch die inhaltliche Ausrichtung der Werke ist freigestellt. Einsende-Schluss ist am 31. Dezember 2020, hier finden sich die weiteren Einzelheiten der Ausschreibung. ♦
The Institute for Music of the Carl von Ossietzky University Oldenburg is announcing its 20th international composition competition. Works for piano and orchestra can be submitted. It is possible to submit more than one work, the respective performance duration should not exceed ten minutes. The competition aims to expand the repertoire for contemporary music of medium difficulty.
The compositions must not have been published or performed. There is no age limit, and the content of the works is also optional. The deadline for entries is 31 December 2020. (See the links above) ♦
Im Alltag sind bekanntlich Gruppen- und Zusammenarbeit von grosser Bedeutung. Welchen positiven Einfluss auf die physiologische, psychische und soziale Synchronität der Menschen kann dabei die Musik entwickeln? Über die Wechselwirkung von Musik und Zusammenarbeit gibt eine neue Studie zum Thema „Musik als soziales Experimentierfeld“ der Bar-Ilan-Universität im israelischen Ramat Gan Auskunft.
In der Chormusik ist das Phänomen längst bekannt: Beim gemeinsamen Musizieren beginnen die Herzen der Sängerinnen und Sänger nach kurzer Zeit in einen Gleichtakt zu verfallen. Nicht zuletzt die musikalisch synchronisierte Atmung löst hier den Effekt aus.
Doch wie funktioniert eine solche erhöhte physiologische Synchronität ausserhalb vorgegebener musikalischer Zielsetzungen? Und welche Aufgabenaspekte der Herzfunktion können durch eine solche bewusste Synchronität die Gruppenleistung verbessern?
„Herzen, die zusammen trommeln, schlagen zusammen“
Gruppendynamische Synchronisation der Herzen durch Musik-Rhythmen
Die interdisziplinäre israelische Studie, veröffentlicht in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Scientific Reports“, berichtet über die Entdeckung, dass beim Zusammentrommeln Aspekte der Herzfunktion von Gruppenmitgliedern – insbesondere das Zeitintervall zwischen den einzelnen Schlägen (IBI) – synchronisiert werden.
Diese physiologische Synchronisation wurde während einer neuartigen musikalischen Trommelaufgabe aufgezeichnet, die speziell für die Studie in einer Zusammenarbeit zwischen Sozial-Neuro-Wissenschaftlern und Wissenschaftlern der Musikabteilung entwickelt wurde.
51 Gruppen mit je drei Teilnehmern
An dem Schlagzeugspiel nahmen 51 Gruppen mit drei Teilnehmern teil, in denen IBI-Daten kontinuierlich gesammelt wurden. Die Teilnehmer wurden gebeten, ihr Schlagzeugspiel – auf einzelnen Schlagzeugpads innerhalb eines elektronischen Schlagzeugsets, das von der Gruppe gemeinsam benutzt wurde – an ein Tempo anzupassen, das der Gruppe über Lautsprecher präsentiert wurde.
Für die Hälfte der Gruppen war dabei das Tempo konstant und vorhersehbar, so dass das daraus resultierende Schlagzeugspiel und sein Output synchron sein sollten. Bei der anderen Hälfte änderte sich das Tempo ständig und war praktisch nicht nachvollziehbar, so dass das daraus resultierende Trommeln und der musikalische Output asynchron sein sollten.
Diese Aufgabenstellung ermöglichte es den Forschern, den Grad der Verhaltenssynchronisation beim Trommeln zwischen den Gruppenmitgliedern zu manipulieren und die Dynamik der Veränderungen des IBI für jeden Teilnehmer während des gesamten Experiments zu beurteilen.
Im Anschluss an diese strukturierte Trommelaufgabe wurden die Teilnehmer gebeten, das Trommeln frei miteinander zu improvisieren. Die Gruppen mit hoher physiologischer Synchronität in der strukturierten Aufgabe zeigten in der freien Improvisationssitzung mehr Koordination beim Trommeln.
Die Analyse der Daten zeigte, dass die Trommelaufgabe in den Gruppen eine physiologische Synchronisation hervorrief, die über das hinausging, was zufällig erwartet werden konnte. ausserdem lassen die Verhaltenssynchronisation und die verbesserte physiologische Synchronisation beim Trommeln jeweils auf einzigartige Weise eine erhöhte Erfahrung von Gruppenzusammenhalt voraussagen. Und schliesslich zeigten die Forscher, dass eine höhere physiologische Synchronität auch eine erhöhte Gruppenleistung zu einem späteren Zeitpunkt bei einer anderen Gruppenaufgabe vorhersagt.
Aus Synchronität resultiert Kooperationsfähigkeit
„Verstärktes Gefühl des Zusammenhalts zwischen Gruppenmitgliedern“: Neurowissenschaftlerin Ilanit Gordon
„Unsere Ergebnisse präsentieren einen multimodalen verhaltensbezogenen und physiologischen Bericht darüber, wie die Synchronisation zur Bildung der Gruppenbindung und der daraus folgenden Kooperationsfähigkeit beiträgt“, sagt Dr. Ilanit Gordon, Leiterin des Labors für soziale Neurowissenschaften an der Psychologischen Fakultät der Bar-Ilan-Universität. „Eine Manipulation der Verhaltenssynchronität und der sich abzeichnenden physiologischen Koordination in IBI zwischen Gruppenmitgliedern sagt ein verstärktes Gefühl des Zusammenhalts zwischen den Gruppenmitgliedern voraus“.
Musik als experimentelle Plattform der sozialen Interaktion
„Musik als experimentelle Plattform der sozialen Interaktion“: Therapeut Avi Gilboa
Co-Autor der Studie Prof. Avi Gilboa formuliert die Perspektiven der Forschungsergebnisse noch weitergehend: „Wir glauben, dass das gemeinsame Musizieren eine vielversprechende experimentelle Plattform für die Umsetzung ökologischer und vollständig interaktiver Szenarien darstellt, die den Reichtum und die Komplexität der menschlichen sozialen Interaktion erfassen. Diese Ergebnisse sind aufgrund der entscheidenden Wichtigkeit von Gruppen für das Handeln, die Identität und den sozialen Wandel in unserer Welt von besonderer Bedeutung“.
Quelle Bar-Ilan Universität: „Herzen, die zusammen trommeln, schlagen zusammen – Gruppentrommeln stimuliert die verhaltensmässige und physiologische Synchronisation, die zur Bildung sozialer Bindungen und einer daraus folgenden Kooperationsfähigkeit beiträgt“, Israel 2020 ♦
Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Musik und Medizin über neue Forschungsergebnisse bezüglich Musik in der Gruppe
Das deutsche Literatur-Magazin und -Portal „Zugetextet – Feuilleton für Poesie-Sprache-Streit-Kultur“ schreibt für 2021 einen internationalen Literatur-Wettbewerb aus. Der Contest steht unter dem Motto „Klamme Kasse: Wenn am Ende des Geldes noch zu viel Monat bleibt“ und sucht Kurzgeschichten und Gedichte.
„Wir wollen Prosa und Poesie, die auf die Spitze treibt, die weh tut, die Fragen stellt, die zynisch, sarkastisch und satirisch ist. Zugleich wollen wir über den Ernst der Lage lustvoll lachen. Denn Schwarzmalen allein wäre uns zu wenig. Die Texte, die uns anrühren, mit cooler Schreibe und innovativen Bildern werden es in das Magazin und auf den Blog schaffen“.
Der Hauptzweck der modernen Schachprogrammierung für die Anwender ist die Analyse von (eigenen oder fremden) Partien. Demgegenüber sind Turnier-Statistiken oder KI-Forschung nur „Abfallprodukte“. Aber von Zeit zu Zeit ist es aufschlussreich, die aktuellen Engines nicht nur zum Analysieren einzusetzen, sondern sie auch mal unter- bzw. gegeneinander zu testen. Haben sich die vielgerühmten neuen NN-Engines mittlerweile vor der AB-Programmierung an die Spitze setzen können? Ein neues Engine-Turnier, ausgetragen auf einem heimischen AMD-Ryzen7-2700X zeigt eine nach wie vor unscharfe Momentaufnahme. Das Fazit gleich vorweggenommen: NN- und AB-Programme sind noch gleichauf.
Modernen Engines beim Spielen zuzusehen erinnert zuweilen an die eigenen Anfänger-Zeiten, als Taktik und Strategie noch ein (Schach-)Buch mit (mindestens) sieben Siegeln waren. Schnell, präzis, komplex, tödlich – die Programme knallen in Millisekunden so ausgefeilte Züge auf das virtuelle Brett, die noch vor 15 Jahren jedem Profi-Kommentator ein Heer von Doppelten Ausrufezeichen entlockt hätten. Wenn er sie denn überhaupt in ihrer ganzen Tiefe kapierte…
30 Halbzüge in einigen Sekunden
Denn man vergegenwärtige sich, dass bereits bei einer Bedenkzeit für die ganze Partie von nur vier Minuten diese Silikon-Monster auf flotten PC’s im Durchschnitt bis zu 30 Halbzüge weit (!) pro Zug vorausrechnen können. Und dies mit so raffinierten Algorithmen der Evaluierung und Bewertung, dass sie taktisch sogar bei diesem rasanten Spiel-Tempo kaum je Fehler machen. Zumindest keine, die ein Mensch ohne analytische Zuhilfenahme von eben diesen Programmen erkennen könnte…
Wen wundert’s also, dass heutzutage das häufigste Resultat zwischen Schach-Engines das Remis ist – ungeachtet irgendwelcher ausgeklügelter Opening-Books, welche diese mittlerweile extrem hohe Remis-Rate im Engine-Turnierbetrieb etwas senken sollen, aber nicht massgeblich können. (Vergl. hierzu auch eigene Turnier-Tests zum Thema Eröffnungsbücher).
Kopf-an-Kopf-Rennen
Die nachfolgende Rangliste wurde generiert von 17 der aktuell stärksten Programme in einem doppelrundigen Turnier. Und die Tabelle zeigt ein Bild, wie es momentan bei vielen Engine-Turnieren in der Computerschach-Szene anzutreffen ist: Die KI-Engine LeelaChess-Zero mit ihren Networks und die Alpha-Beta-Programme (hier vertreten durch SugarR & Brainfish) mit ihren ausgeklügelten Schachalgorithmen liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei zahllosen Unentschieden:
Das NN-Programm Lc0 25.0 mit dem Neuronalen Netz „t60-3010“ erwies sich in dieser Ausmarchung als unschlagbar: Es verlor keine einzige seiner 32 Partien und gewann immerhin deren 10 – eine beeindruckende Leistung, wenn man das extrem starke Gegnerfeld sieht. Mit 12 Siegen als das aggressivste Network erwies sich hier das „t40-1541“ mit Lc0 23.2. Überraschend weiters die noch vor dem einstigen Weltmeister Komodo rangierende neue Chessbase-NN-Engine Fat Fritz.
Insgesamt kann bei den Top-Ten dieses Rankings allerdings nicht von einem Sieger geredet werden, ein Punkt mehr oder weniger entschied über mehrere Ränge vor oder zurück, und zwischen dem erst- und dem zehntplatzierten Programm liegen gerade mal 4 Punkte. (Dass das Turnier keinerlei statistische Aussagekraft beansprucht, muss nicht extra betont werden. En masse „Partien auf Halde“ zu Statistik-Zwecken werden auf Engine-Portalen wie z.B. CCRL produziert.)
Wer die knapp 300 Partien analytisch untersucht im Hinblick auf NN-spezifisches Schachverhalten, der wird in verschiedener Hinsicht fündig. Insbesondere fallen diverse positionelle Aspekte der KI-Spielführung ins Auge; einige grundsätzliche Überlegungen zu LeelaChessZero finden sich hier: Künstliche Schach-Intelligenz – Als Autodidakt zur Weltspitze.
Bezüglich des hier fraglichen Engine-Turnieres sei exemplarisch ein spezifisch „strategisches Motiv“ herausgegriffen: Die Umgruppierung. Bereits Nimzowitsch hatte ja – in seinem bahnbrechenden Strategie-Buch „Mein System“ – das Figuren-Umgruppieren als zentralen Bestandteil seines neu eingeführten Schach-Begriff des Lavierens definiert, und mit LeelaChess scheint dieses Stratagem fröhliche Urständ zu feiern. Wohlgemerkt ohne menschliches Zutun…
Virtuose Handhabung des Springers
Der Springer und das PC-Mainboard: Symbiose in Gestalt von Leela Chess Zero
Die Engine Lc0 (bzw. ihre Neuronalen Netze) ist eine grandiose Meisterin im dynamischen Umdisponieren von unvorteilhaft platzierten Figuren hin zur aktiveren Positionierung. In weit höherem Masse als ihre Alpha-Beta-Kolleginnen trachtet Leela nach permanenter Optimierung ihrer Figurenstellungen. Besonders virtuos geht das NN-Programm mit seinen Springern um.
Nachfolgend vier Beispiele dafür, wie geschickt und effizient die Springer-Überführungen auf stärkere Felder vorgenommen werden – sogar noch dann, wenn die taktischen Komplikationen auf dem Brett eigentlich keineswegs eine traditionelle „Ruhesuche“ erlauben:
FEN-String: r2q1rk1/1b2bppp/4pn2/1p1p4/p1pP1B2/PnP1PN1P/1PBNQPP1/3RR1K1 w
FEN-String: r1b1q1k1/1p1p1ppp/1bpPn1n1/p3rB2/7P/PPN3P1/1BPQN3/R3KR2 w Q
FEN-String: 3qkb1r/1r3pp1/1nn1p2p/p2pP2P/1ppP4/1PP2NR1/P2BNPP1/1R1Q2K1 w k
FEN-String: 1b1r3k/ppnqn1p1/4br1p/3p1p2/3Pp3/BPN1PPPB/P1RNQ2P/5RK1 b
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English Translation (NN vs AB)
Clear superiority not in sight
by Walter Eigenmann
The main purpose of modern chess programming for the users is the analysis of (own or foreign) games. In contrast, tournament statistics or AI research are only „waste products“. But from time to time it is instructive not only to use the current engines for analysis, but also to test them among or against each other. Have the much-praised new NN engines meanwhile been able to take the lead before AB programming? A new engine tournament, held on a domestic AMD Ryzen7-2700X, still shows a blurred snapshot. The conclusion immediately anticipated: NN and AB programs are still equally strong.
Watching modern engines at play sometimes reminds one of one’s own beginner times, when tactics and strategy were still a (chess) book with (at least) seven seals. Fast, precise, complex, deadly – in milliseconds the programs slam such sophisticated moves onto the virtual board that 15 years ago any professional commentator would have been able to elicit an army of double exclamation marks. If he even understood them in all their depth…
30 half moves in a few seconds
Just think, if you consider that the whole game takes only four minutes, these silicon monsters can calculate up to 30 half moves per move on average on fast PCs. And this with such sophisticated algorithms of evaluation and scoring that they hardly ever make mistakes tactically, even at this rapid game tempo. At least none that a human being could recognize without the analytical help of these programs…
So it’s not surprising that nowadays the most common result between chess engines is a draw – regardless of any sophisticated opening books which are supposed to reduce the meanwhile extremely high draw rate in engine tournament mode a bit, but cannot do so significantly. (Cf. also own tournament tests on the subject of opening books).
Neck-and-neck race
The following ranking was generated by 17 of the currently strongest programs in a double round tournament. And the table shows a picture as it is currently to be found in many engine tournaments in the computer chess scene: The AI-Engine LeelaChess-Zero with its networks and the Alpha-Beta-Programs (here represented by SugarR & Brainfish) with their sophisticated chess algorithms are fighting a neck-and-neck race in countless draws:
The NN program Lc0 25.0 with the neural network „t60-3010“ proved to be unbeatable in this selection: It didn’t lose a single one of its 32 games and won 10 of them – an impressive performance considering the extremely strong opponent field. With 12 wins, the most aggressive network proved to be the „t40-1541“ with Lc0 23.2, and surprisingly, the new Chessbase-NN engine Fat Fritz, which is still ahead of the former World Champion Komodo.
All in all, however, there can be no talk of a winner in the top ten of this ranking, one point more or less decided several ranks forward or backward, and there are only 4 points between the first and tenth-placed program. (The fact that the tournament does not claim any statistical significance need not be emphasized. En masse „games on stockpile“ for statistical purposes are produced on engine portals such as CCRL)
Lavieren like Nimzowitsch
Whoever analytically examines the almost 300 games with regard to NN-specific chess behaviour will find something in various respects. Especially various positional aspects of AI chess play catch the eye.
Regarding the engine tournament in question here a specific „strategic motive“ is taken as an example: The regrouping. Nimzowitsch had already defined – in his groundbreaking strategy book „My System“ – the regrouping of pieces as a central component of his newly introduced chess concept of manoeuvring, and with LeelaChess this stratagem seems to celebrate its joyful beginnings. Mind you, without any human intervention…
Virtuoso handling of the knight
The engine Lc0 (or rather its neural networks) is a grandiose master in dynamically repositioning unfavorably placed figures towards more active positioning. To a far greater extent than her alpha-beta colleagues, Leela strives for permanent optimization of her figure positions. The NN program is particularly virtuoso with its knights.
Below are four examples of how skilfully and efficiently the knights are transferred to stronger squares – even when the tactical complications on the board do not allow for a traditional „Quiescence search„: —> (See the games above)
„Speak Up“ von Laura Steven ist ein witzig und zunächst leichtfüssig im Jugendjargon verfasster Roman in Tagebuchform über mögliche Probleme von Achtzehnjährigen in den USA an einer Highschool. Abgrenzung, Ausgrenzung, Sexualität, Liebe, Freundschaft und Cybermobbing mit allen möglichen Konsequenzen.
Auf Englisch heisst das Buch „The Exact Opposite of Okay“ und trägt in der deutschen Übersetzung den Titel „Speak Up“, was auf den ersten Blick undurchsichtiger scheint und „lauter sprechen“ bzw. „den Mund aufmachen“ bedeutet.
Warum auf Englisch, wenn ein weniger Englischkundiger für die genaue Wortwahl im Wörterbuch nachschauen muss? Vielleicht, weil es dann eher auch die junge Leserschaft anzieht, und das ist gut so.
Jugendliche oder junge Leserinnen und Leser treffen hier eine unangepasste Achtzehnjährige an, die schon als kleines Kind ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hat und seitdem bei ihrer grossmutter lebt. Izzy O’Neill ist rotzig unangepasst, aber intelligent, und sie möchte gerne Drehbuchautorin werden. Die Englischlehrerin entdeckt Izzys Talent und hilft ihr bei konkreten Schritten, um ihre Texte tatsächlich veröffentlichen zu können und durch einen Wettbewerb zu einem Studium zu kommen.
Selbstironie als Selbstschutz
Izzy schützt ihre Gefühlswelt mit selbstironischem Humor und ständigen Witzeleien, die tatsächlich humorvoll sind, in der täglichen Konzentration dann manchmal sowohl ihrer Umgebung wie auch mir als Leserin hie und da fast zu viel, also ‚too much’ waren. Aber Laura Steven, die Autorin aus der nördlichsten Stadt Englands, ist selber Jahrgang 1992 und kennt sich in der Szene noch sehr gut aus. Warum sie allerdings die Handlung in den USA und nicht in England spielen lässt, wurde mir nicht ganz klar. Aber das ist unwichtig, denn die Szenerie stimmt, die jungen Leute an der Schule sind noch mehr als mit dem Lehrstoff mit Sex, Partys und Beziehungsproblemen beschäftigt.
Das könnte in jedem Kioskroman vorkommen, wäre da nicht diese tatsächlich witzige, meist sogar geistreiche Sprache der Hauptprotagonistin, wie sie sich ihrem Tagebuch während einem Monat anvertraut. Und aus einer Beobachterperspektive lernen wir zuerst Izzys beste Freundin Ajita und den Freund schon aus dem Kindergarten Danny kennen, mit denen sie herumzieht, die Welt mit kritischem Blick betrachtet und in Gesprächen kommentiert. Ihre eigenen, verletzlichen Gefühle versteckt Izzy hinter schnödem Sarkasmus, der ihr einerseits hilft und sie innerlich stärkt, aber sie in Gesellschaft von anderen Jugendlichen in die Bitch-Ecke stellt.
Zwischen Sexualität und Cybermobbing
Neben der nach aussen derben Sprache und scheinbar abgebrühten Sexualität werden aber auch sehr zarte Liebesgefühle beschrieben, die anrühren und die Spannweite zwischen unserer vollkommen sexualisierten Welt und der Verletzlichkeit von echten Gefühlen, Erwartungen, Unsicherheiten und freundschaftlichen Banden aufzeigen. Und plötzlich kippt dieses Spiel in ein schlimmes Cybermobbing, indem gedankenlos Fotos manipuliert werden und zu einer vernichtenden Waffe mutieren. Dies gehört leider auch bei uns zur Realität an Schulen, wobei das grossartige Internet missbraucht wird zu bösartigen Vernichtungsattacken.
Das Buch hat mich angesprochen in seiner ungekünstelten, jugendlichen Frische, hat mich immer wieder amüsiert, wenn es auch stellenweise ein wenig zu lang geriet, aber es zeigt auf, dass Gerüchte im Internet die Zukunft verbauen und eine menschliche Psyche beschädigen können. Da schwingt kein erhobener Moralfinger mit, es entzaubert bloss den Wunsch, dass junge Menschen noch unverdorben, gut und nicht bösartig sind. Der Lebenskampf beginnt schon früh, auch innerhalb von Freundschaften.
Der englische Humor der jungen, gesellschaftlich sehr engagierten Autorin wurde von Henriette Zeltner hervorragend übersetzt. The Guardian schrieb über die Originalausgabe: „Witzig, geistreich, feministisch.“ Das lässt sich auch vom Transfer ins Deutsche behaupten. ♦
Laura Steven: Speak Up – Roman, 348 Seiten, Droemer Verlag, ISBN 978-3-426-28233-5