Zitat der Woche
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Über Muße und Freizeit
Burrhus Frederic Skinner
Das Ausmaß, in welchem eine Kultur ihre eigene Zukunft fördert, lässt sich an ihrer Einstellung zur Freizeit ablesen. Manche Menschen besitzen genügend Macht, um andere zu veranlassen oder zu zwingen, für sie so viel zu arbeiten, dass sie selbst fast nichts zu tun haben. Sie sind <müßig>. Dasselbe gilt für Menschen, die in einem besonders milden Klima leben. Auch auf Kinder, auf geistig Zurückgebliebene oder Geisteskranke, auf alte Menschen und auf andere, die betreut werden, trifft das zu; endlich auch auf Mitglieder von Überflug- und Wohlfahrtsgesellschaften. Alle scheinen in der Lage zu sein, <das zu tun, was sie wollen>, und das ist ein natürliches Ziel des Indeterministen. Muße ist der Inbegriff von Freiheit.
Für kurze Perioden von Freizeit ist die Spezies gerüstet; wenn ein Mensch durch ein reichliches Mahl völlig gesättigt ist oder wenn er eine Gefahr erfolgreich vermieden hat, entspannt er sich oder schläft er; entsprechend verhält es sich bei anderen Spezies. Wenn diese Bedingungen länger wirken, kann der Mensch verschiedene Spiele spielen – er äußert ernstes Verhalten, das im Augenblick nicht ernste Folgen hat.
Doch völlig anders fällt das Ergebnis aus, wenn der Mensch lange Zeit nichts zu tun hat. Der Löwe im Zoo, wohlgenährt und in Sicherheit, verhält sich nicht wie der gesättigte Löwe auf freier Wildbahn. Wie der institutionalisierte Mensch ist auch er dem Freizeitproblem in seiner schlimmsten Form konfrontiert: Er hat nichts zu tun. Freizeit ist ein Zustand, auf den die menschliche Spezies unzulänglich vorbereitet ist; denn bis vor noch gar nicht langer Zeit waren es nur wenige, die in ihren Genuß kamen, und diese wenigen trugen kaum zu einer Erbanlage bei. Heute verfügen viele über reichliche Freizeit, doch Gelegenheit für die wirksame Auslese einer relevanten Erbanlage oder einer relevanten Kultur hat es nicht gegeben… ♦
Aus B.F. Skinner: Jenseits von Freiheit und Würde, Rowohlt/Hamburg 1973
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