Glarean Magazin

Florent Schmitt: «Antoine et Cléopâtre» / «Mirages»

Posted in CD-Rezension, Markus Gärtner, Musik, Musik-Rezensionen, Rezensionen by Walter Eigenmann on 11. Juli 2008

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Impressionismus und Schul-Curriculum:
Die Alternative Florent Schmitt

Dr. Markus Gärtner

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Im Curriculum der allgemeinbildenden Schulen gibt es bestimmte Standardthemen, die unverwüstlich sind und mit ebenso unverwüstlichen Beispielen stets gleichtönend abgehandelt werden. Wer käme beim Block Programmusik ohne Smetanas «Moldau» aus – ganz zu schweigen vom gattungsmäßig vollkommen falsch eingeordneten «Peter und der Wolf». Auch der musikalische Impressionismus gehört zu diesen Basisoptionen gymnasialer Musiklehre. Die Schüler hangeln sich durch «La mer» oder ähnlich geartete Werke Debussys, bekommen vielleicht noch einen Wink in Richtung Ravel und gehen forthin davon aus, beim Musikstil «Impressionismus» handele es sich ausschließlich um diese zwei Komponisten. Solchem Halbwissen vorzubeugen, dazu braucht es die Möglichkeit, klingende Alternativen anbieten zu können.
Die vorliegende CD aus dem Hause timpani sei deshalb insbesondere Musiklehrern ans Herz gelegt. Sie enthält Bühnen- und Orchestermusik des Komponisten Florent Schmitt (1870–1958), einem französischen Künstler mit deutschen Wurzeln, der in den Presseschlachten der Weimarer Republik stets gegenwärtig war, heute indes vergessen ist. Dabei bietet Schmitt genau das, was einen multiperspektivischen Zugang zum Thema Impressionismus ausmachen könnte: einen Freundeskreis, der ihn mit Ravel verbindet, eine künstlerische Positionierung zwischen Avantgarde und Retrospektivität und einen bedenkenswerten bis bedenklichen kulturhistorischen Hintergrund inklusive Kontakte zur NSDAP.

Florent Schmitt (1870–1958)

Da die zwei «Antoine-et-Cléopâtre»-Suiten (1919, nach William Shakespeare) und «Mirages» für Orchester (1923) zeitlich nahe zusammenliegen, verwundert es nicht, dass Schmitt hier wie dort einem einheitlichen Stil vertritt. Seine Musik klingt dabei ganz offensichtlich nach Debussy, spart nicht an Exotismen und rein technischen Handgriffen wie pentatonische Melodienbildungen und Mixturen, also Parallelakkordik, die er aus dem Repertoire des Impressionismus übernimmt. Und doch arbeitet Schmitt weitaus weniger zurückhaltend als seine Vorbilder, liebt große Orchestertutti und die damit verbundene große Wirkung. Parallelen zur Filmmusik nicht nur seiner Zeit ließen sich aufzeigen – auch das nicht uninteressant für den Schulmusiker.

Das Orchestre National de Lorraine stattet Schmitts Kompositionen mit dem nötigen Kolorit aus, oszilliert zwischen pp und ff und schafft dadurch den Eindruck, hier fügten sich einzelne Sequenzen zu einem größeren Ganzen zusammen: das Prinzip Impressionismus zum Klingen gebracht. So handelt es sich bei vorliegender CD zusammenfassend nicht nur um eine Repertoireerweiterung, sondern auch um einen Wink in Richtung Musikpädagogik, den Kanon ihrer Musikbeispiele zum Wohl des Schülers zu erweitern. ■

Orchestre National de Lorraine, Jacques Mercier (Dirigent): Florent Schmitt, Antoine et Cléopâtre, Mirages für Orchester, timpani 1C1133

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