Kurzprosa von Matthias Berger
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Die Luft, die wir atmeten, ließen wir dort
Es war eine Zeit der Kornblumen. Eine Inselzeit, mit lauter Menschen, die ich nie wieder sehen würde, die mich auf nichts behafteten, da sie mich zum ersten Mal trafen.
Und es wurde die Zeit ihres blauen, weiten Blicks, ihrer rotblonden Locken, durch die meine Finger fuhren und an denen sie sich hielten in seltener Entschlossenheit.
Es wurde die Zeit der klaren Worte – romantisch, aber ohne Kitsch – die geschichtslos waren und blieben, die keine Rücksicht kannten und trafen. Worte, die würzig waren wie die Luft, in die sie gesprochen wurden.
Es war auch die Zeit der Zigarettenküsse, der schamlosen Verlegenheiten, der verwegenen Schüchternheit.
„Morgen kommt erst Übermorgen“, sprayten die Götter an den blauen Himmel, und der Wind der Ostsee verblies das nicht.
Die Luft, die wir atmeten ließen wir dort. Das Foto von dir nahm ich mit.
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Kürzlich traf ich einen
Kürzlich traf ich einen. Nun hatte ich zufällig gerade Theologie studiert und kam mit den Unwegsamkeiten des Lebens gut zurecht.
So fragte ich den, ob ich ihn zu einer Partie Dogmatik herausfordern dürfe.
Er willigte ein. Ich schlug ihn, weil ich meine Allmacht lang genug geschützt hielt. Im entscheidenden Moment erst brachte ich sie aktiv ins Spiel. Dagegen war er ohnmächtig.
Ich schlug seinen Sohn an mein Kreuz. Da gab er auf.
Er reichte mir die Hand, verabschiedete sich freundlich und zog seines Wegs.
Hab’ ihn dann nicht mehr gesehen. Netter Typ. Keine Ahnung, wer das war.
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Geb. 1961, aufgewachsen bei Bern, Studium der evang.-ref. Theologie in Bern und Nairobi, acht Jahre Gemeinde-Pfarramt, 4 Jahre Psychiatrieseelsorge, seit 4,5 Jahren Gefängnisseelsorger in Pfäffikon / Kt.ZH, lebt als Spitalseelsorger in Zürich
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