Glarean Magazin

Das Zitat der Woche

Posted in Franz Stadler, Germanistik, Kultur&Gesellschaft, Literatur, Zitat der Woche by Walter Eigenmann on 17. Mai 2010

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Von der Massenliteratur

Franz Stadler

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Ein Bucherfolg sei «das Zeichen eines geglückten soziologischen Experiments, der Beweis dafür, daß wieder einmal eine Mischung von Elementen gelungen ist, die dem Geschmack der anonymen Lesermassen entspricht»: so 1931 Siegfried Kracauer (1889 – 1966).
Der Leihbücherei-Roman, der Illustrierten-Roman, der Heftroman, das Serien-Taschenbuch: sie sind kalkulierte steadyseller, zu störungsfreiem Absatz – als Periodika – entschlossen: der Sensation bedürftige und doch nolens volens risikoscheue Industrieware. Die Moderation der Abmischungen «geglückter/mißglückter Experimente» gibt Auskunft – über Teilnehmer und Teilhaber des Literaturmarkts.

An der profitablen Massenliteratur läßt sich das Widerspiel von Freiheit und Marktmacht, von Promotion, Werbe-Umfeld-Anpassung, Kampf um Vertriebsspannen, «Prüfstellen»-Regulativen, Richtlinien von «Freiwilligen Selbstkontrollen» und Lektorats-Anweisungen studieren.
Sie wird für ein Publikum produziert, dem Bildungsforscher alle paar Jahre attestieren, daß ihm (bis zu) 30% als sekundäre (funktionelle) Analphabeten nur als Leser-Zombies angehören. Die Zahlen der «nicht buchreifen» Pflichtschul-Abgänger und der Nie-Buch-Leser (je über 50%) interpretieren einander. Die Leseforschung (in der BRD und im Österreich der siebziger Jahre) hat ein knappes Drittel der lesefähigen Bevölkerung als «bekennende» Leser von (Heft-) Serienliteratur ermittelt; etwa 55% der Lesefähigen lesen (gerne nur) «Unterhaltungsliteratur».

Doch eiliger Ineinssetzung von «Bildungs-Unterschicht» und «Trivialkultur» stehen entgegen: die soziale und Bildungs-Streuung der Heftleser wie die verbreitete Erscheinung des «manischen» Heftlesers einerseits; zum anderen der durch Studien über Werkbüchereien u.ä. erbrachte Nachweis des proletarischen Lesers mit breit gefächerten Lese-Weltorientierungs-Bedürfnissen. Wohl begründbar ist auch die «selektive more-and-more-rule» der Medienforscher: die vom Einzelnen präferierten Lektüre-Muster werden auch in seiner sonstigen Mediennutzung bevorzugt. ■

Aus Franz Stadler, Massenliteratur, in: Deutsche Literatur zwischen 1945 und 1995, Haupt Verlag 1997

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